Frauen von Köln! Das Wahlrecht ist Euch verliehen!“ Mit diesem Aufruf warb in großen Lettern eine Partei auf einem ihrer Wahlplakate im Jahr 1919 um die Gunst von Wählerinnen. Dass Frauen seit der Weimarer Republik das Wahlrecht haben, ist entscheidend dem entschlossenen Einsatz einer engagierten Frau zu verdanken: Else Falk (1872 – 1956). Vor allem in ihrer Kölner Zeit initiierte die in Barmen gebürtige Jüdin und langjährige Vorsitzende des Stadtverbands Kölner Frauenvereine national und international soziale Projekte. Seit 2019 verleiht die Stadt Köln den nach Else Frank benannten Preis für Frauen- und Gleichstellungsarbeit.
In Riehl erinnert eine Straße an eine andere bedeutende Jüdin: Hertha Kraus. Die in Prag geborene spätere US-Amerikanerin wurde 1923 vom damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer als Stadtdirektorin und Leiterin des Wohlfahrtsamtes an den Rhein geholt. Ab 1927 betrieb die überzeugte Sozialdemokratin den Aufbau eines Sozialkomplexes mit Wohnstift, Pflegeheimen und Versorgungsbereichen für Personen mit physischen und psychischen Einschränkungen. Daraus gingen die bis heute bestehenden Riehler Heimstätten hervor. Als Sozialwissenschaftlerin trug sie nachhaltig zum Aufbau der deutschen Sozialarbeit nach dem Krieg und Holocaust bei.
Herausragende Rolle als Zentrum des Judentums
Szenenwechsel: Köln im 13. Jahrhundert. Die Stadt ist eine der großen jüdischen Gemeinden im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und spielt neben Mainz und Worms eine herausragende Rolle als eines der Zentren des geistigen und wissenschaftlichen Judentums. Der um 1250 im Rheinland geborene Ascher ben Jechiel war einige Jahre in Köln tätig. Der Gelehrte verfasste eine Reihe von religiösen Texten. Der bedeutendste Traktat ist bis heute im Anhang des Talmud, der Auslegung der jüdischen Bibeltexte, abgedruckt. Auch ben Jechiels in Köln geborenen Söhne Jakob und Jehuda spielen mit ihrem spirituellen und wissenschaftlichen Wirken bis heute eine bedeutende Rolle bei der Auslegung jüdischer Gesetzestexte.
Falk, Kraus, ben Jechiel sind nur einige namhafte Beispiele für Jüdinnen und Juden aus Köln, die sich nachhaltig innerhalb der jüdischen Gemeinde, aber auch in Politik und Gesellschaft eingebracht haben. Das zeigt beispielsweise auch ein Blick ins 19. Jahrhundert. Als 1798 Köln nach dem Einmarsch napoleonischer Truppen französisch wurde und Juden nach 400 Jahren wieder in die Stadt kommen konnten, ließ sich auch der in Bonn geborene Salomon Oppenheim (1772 – 1828) an dem damals aufstrebenden Bankenplatz nieder. Er etablierte eine Privatbank, die bis zum Jahr 2009 im Herzen von Köln ihren Sitz hatte und erheblichen Anteil am wirtschaftlichen Aufblühen der Rheinmetropole hatte.
Jahrzehntelang brachten sich die später zum evangelischen Glauben konvertierten Oppenheims in die Stadtgesellschaft ein. Ein anderer bedeutender Kölner Bankier aus jüdischem Hause war Sir Ernest Cassel. 1852 in Köln als Ernst Cassel geboren, gelangte er später als bedeutender Banker und enger Vertrauter des britischen Königs Edward VII. zu Ruhm und Ansehen. Cassel, der seiner früh verstorbenen ersten Frau zuliebe zum Katholizismus konvertierte, sich aber bis zu seinem Tode 1921 in London stets als Jude fühlte, war 1913 einer der Mitbegründer der GAG Immobilien Köln. Bis heute kümmert sich die Ernst Cassel-Stiftung um Mieter der GAG, die sich in sozialen Notlagen befinden.
Früher jüdisches Warenhaus, heute „Kaufhof“
Ein anderer herausragender jüdischer Kaufmann, der in und weit über Köln hinaus wirkte, war Leonhard Tietz (1849 – 1914). Er eröffnete 1891 auf der Hohe Straße auf 180 Quadratmetern ein Warenhaus. Angefangen hatte der Kaufmann in Stralsund mit einem Textilgeschäft auf 25 Quadratmetern. 1893 verlegte er den Unternehmenssitz für seine Mehrsparten-Warenhäuser nach französischem Vorbild in die Domstadt. Aus der Leonhard Tietz AG wurde in der Zeit des Nationalsozialismus, als die Nachkommen von Tietz verfolgt wurden, die Westdeutsche Kaufhof AG, aus der später die Galeria Kaufhof GmbH hervorging.
Während der NS-Zeit wurden auch andere prominente Juden, die mit Köln verbunden sind, verfolgt. Etwa die zum Katholizismus konvertierte und in Auschwitz ermordete Kölner Nonne und Philosophin Edith Stein – sie gilt als Brückenbauerin zwischen Judentum und Christentum. Ermordet wurde auch der Pädagoge Erich Klibansky. Dem langjährigen Leiter der „Jawne“, des ersten jüdischen Gymnasiums im Rheinland, gelang es bis 1939, rund 130 Schülerinnen und Schülern zur Emigration nach Großbritannien zu verhelfen. 1942 wurde er nahe Minsk umgebracht. An die etwa 1100 aus Köln stammenden und ermordeten jüdischen Kinder sowie an Klibansky erinnert ein nach ihm benannter kleiner Platz in der Innenstadt. Der bekannteste nach einem Juden benannte Platz ist sicherlich der Offenbach-Platz. Der in Paris von seinem Kollegen Gioachino Rossini als „Mozart der Champs Elysées“ geadelte und später zum Katholizismus konvertierte Komponist Jacques Offenbach (1819 – 1880) blieb seiner Heimat stets verbunden. Schon als Kind hatte der im Haus Großer Griechenmarkt 1 geborene, liebevoll auf kölsch „Köbes“ gerufene Musiker seinen Vater Isaac (1780 – 1850), Kantor der jüdischen Gemeinde an der Glockengasse, bei Auftritten in Gasthäusern begleitet.
Jüdische Künstler in Köln
Ein weiterer jüdischer Künstler, der mit Köln eng verbunden war, ist Otto Freundlich. Der 1878 in Pommern geborene Maler und Bildhauer, 1943 in einem Konzentrationslager ermordet, gilt als einer der ersten Vertreter der abstrakten Kunst. 1919 organisierte er mit dem aus Brühl stammenden Künstler Max Ernst (1891 – 1976) die international beachtete erste Kölner Dada-Ausstellung. Ernst hatte kurz zuvor Louise Straus geheiratet, die damals am Wallraf-Richartz-Museum tätig war. Die junge Kunsthistorikerin, 1893 als Tochter eines Hutfabrikanten in Köln geboren und in einem liberalen jüdischen Milieu aufgewachsen, war 1917 an der Bonner Universität als eine der ersten Frauen promoviert worden. Die Wohnung des Paares am Kaiser-Wilhelm-Ring, aber auch die Wohnung, die Luise nach der Trennung von Max Ernst in der Emmastraße in Sülz bezog, waren gesellschaftliche Treffpunkte damals schon sowie später bedeutender Künstler. Lou Straus-Ernst, wie sie sich meist selbst nannte, machte sich als Künstlerin, aber vor allem als Schriftstellerin und Journalistin für be-kannte regionale und überregionale Zeitungen einen Namen. Nach der Absetzung von Oberbürgermeister Konrad Adenauer im Jahr 1933, zu dem sie gute Beziehungen pflegte, emigrierte sie nach Frankreich. 1944 wurde sie dort festgenommen und nach Auschwitz deportiert; sie wurde umgebracht.
Eine andere bedeutende Jüdin aus Köln überlebte den Holocaust: Hilde Domin. 1909 kam sie als Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts und dessen aus Frankfurt stammender Frau in der Riehler Straße 23 als Hildegard Dina Löwenstein zur Welt. Als junge Frau, die 1930 in die Kölner SPD eintrat, studierte sie an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Bonn und Berlin. Als sie 1932 mit ihrem späteren Mann zu einem Auslandsstudium nach Italien wechselte, begann ihr 22 Jahre währendes Exil in mehreren Ländern. 1954 kehrte sie erstmals wieder nach Deutschland zurück und veröffentlichte ihren ersten Gedichtband unter dem Pseudonym Domin – der Name einer Insel, auf der sie ihr Dichterleben begonnen hatte. Nach der 2006 verstorbenen hoch angesehenen Lyrikerin ist unter anderem der Rosengarten beim Fort X am Neusser Wall benannt. Die Kölnerin wurde zu Lebzeiten mit vielen nationalen und internationalen Preisen und Auszeichnungen bedacht.
Engagemenmt für den Zionismus
National und vor allem international von Bedeutung war auch das von Köln ausgehende politische Engagement von Juden für den Zionismus. Der in Köln tätige Rechtsanwalt Max Isidor Bodenheimer(1865 – 1940) war viele Jahre einer der einflussreichsten Funktionäre der Bewegung, die sich seit Ende des 19. Jahrhunderts für einen selbstständigen Nationalstaat der Juden in Palästina einsetzte. Dabei kam zudem einer der geistigen Vorläufer ebenfalls aus Köln: Moses Hess (1812 – 1875). Der in Bonn geborene Philosoph und Schriftsteller übte in seiner Kölner Zeit erheblichen Einfluss auf Karl Marx und Friedrich Engels aus. Bereits im Jahr 1837 hatte er sich in seinem Werk „Heilige Geschichte der Menschheit. Von einem Jünger Spinozas“ für die Aufhebung der Klassenunterschiede, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie Gesundheitssorge und Wohlfahrt als staatliche Aufgaben ausgesprochen. Wegen seines Werks „Rom und Jerusalem“ (1862) gilt er als Vordenker des Zionismus. Hess wurde – wie Hertha Kraus und andere Juden – mit einer Figur am Turm des historischen Rathauses geehrt.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.