Die Verbindung zwischen Eiern und dem Osterfest hat ihren Ursprung bereits im 9. Jahrhundert.
Um kaum ein anderes Fest rankt sich soviel Brauchtum in der gesamten christlichen Welt wie um das Osterfest und damit gleichzeitig auch um das Osterei. Ostern gilt seit unserer Zeitrechnung – bedeutsamer als Weihnachten – als höchstes Fest des Kirchenjahres, wobei manche Rituale noch in heidnischen Sitten ihren Ursprung haben, mit denen die Menschen ursprünglich Abschied vom langen Winter nahmen.
Die kirchliche Fastenordnung schrieb vor, dass vom Aschermittwoch bis zum Osterfest nicht nur auf den Genuss von Fleisch, sondern auch auf den Verzehr von Eiern verzichtet werden sollte. Dem dadurch anfallenden Eierüberschuss musste vorgebeugt werden: Zinsforderungen wurden daher früher traditionell bereits vor Fasnacht durch rechtzeitige Abgabe von „Fasnachtshühnern“ beglichen, überzählige Eier verspielt, verschenkt oder geopfert. Klosterschüler holten einst die Eier zur baldigen Verwendung in großen Mengen bei den Bauern ab. „Findelkindern“ wurde in Nürnberg erlaubt – was urkundlich nachweisbar ist – diese „mildtätigen Gaben“ zu jeder Zeit in Empfang zu nehmen.
Zum allgemein verbreiteten Brauchtum bis ins 19. Jahrhundert zählten Eieropfer am Heiligen Grab und die Segnung der Ostereier in den Kirchen in der Osternacht. Eier sind alte Fruchtbarkeitssymbole und durften bei unseren Vorfahren ausschließlich in geweihter Form als freudiges Zeichen der österlichen Botschaft, zur Erinnerung an die Auferstehung Jesu eingefärbt werden. Das Gleichnis hatte seinen Sinn: Wie sich das Küken von seiner Schale befreit, so steigt auch Jesus aus dem Grab. Lärmende Umzüge bei Fackelschein in der Osternacht sollten daneben die „bösen Geister der Kälte, des Winters und der erstarrten Natur endgültig vertreiben“.
In der Osterzeit spielt heute noch das Ei in vielerlei Schmuckformen und überliefertem Brauchtum im Zusammenhang mit regionalen Sitten und Sinnbildern vor allem in Bayern und Baden-Württemberg eine bedeutsame Rolle. Ostersymbole verbanden sich im früheren Volksglauben durch segenbringende Handlungen mit ersten Hoffnungen auf ein gutes Erntejahr. In vorchristlicher Zeit hatten Frühlingsfeiern und der Verzehr von Eiern große Bedeutung.
Zumeist am Montag der beginnenden Karwoche, spätestens jedoch am Gründonnerstag, beginnt in allen Gemeinden Süddeutschlands wie auch in den christlich geprägten Ländern das vorösterliche Festgeschehen. Nach alter Sitte werden Zweige geschnitten, in Vasen gestellt und mit bunten Eiern behängt.
Lärmende Umzüge im Schein der Fackeln sollen in der Osternacht die Dämonen des Winters, der Kälte und der erstarrten Natur vertreiben. Messbuben gehen noch heute in vielen Orten des Allgäus in den Abendstunden des Karfreitags wie beispielsweise in Fischen mit Pfeifen, Knarren und Rätschen von Haus zu Haus, „ersetzen“ auf diese Weise die bis zur Osternacht dem Brauch nach verstummten Kirchenglocken und erheischen auf ihren Umzügen traditionell kleine Ostergaben.
Der Karsamstag ist mit dem Ende der Fastenzeit verbunden und bietet manchen Anlass, sich auf das bevorstehende Freudenfest Ostern so richtig vorzubereiten. Vielerorts werden aus vorjährigem Stroh wagenradgroße Osterräder geflochten, angezündet und brennend die Anhöhen hinabgerollt. Uraltem Brauchtum entstammen auch heute noch viele Osterfeuer: sinnbildlich verbrennt man auf diese Weise die „Winterhexe“. Das Feuer und die verstreute Asche sollten dem Acker Fruchtbarkeit bescheren. Mit gesegnetem Osterwasser reinigte man sich innerlich und äußerlich; in Gotteshäusern geweihte Osterkerzen bringen Licht ins Dunkel und begrüßen die sich wieder erneuernde Natur. Fröhlichkeit und Zuversicht stehen im Vordergrund, und mancherorts soll es heute noch Pfarrer geben, die deshalb den Gläubigen wie es einst zum Brauchtum gehörte, im festlichen Gottesdienst neben der frohen Botschaft der Auferstehung des Herrn „Ostermärchen“ mit spaßigen Begebenheiten erzählen.
Mögen die wieder auflebenden Osterbräuche auch noch so variieren, immer steht das Osterei im Mittelpunkt, und sei es im wieder zunehmenden Brauch des Schmückens von Osterbrunnen. Schon im alten China galt das Ei als Lebenssymbol. Man nahm an, dass die Welt vormals nur von Wasser bedeckt war, aus dem als „Urzelle“ ein Ei auftauchte, woraus das Leben seinen Anfang nahm. Eier zu Ostern erklären sich nicht aus der Liturgie der Kirche, sondern haben ihren Ursprung in der „Eier- und Speisenweihe in der Frühe des Karsamstags im 9. und 10. Jahrhundert“, weil das Ei ein Ursymbol und – wie der Volkskundler Adolf Spamer meinte – „sichtbarster Träger des Lebens und der Lebenserneuerung“ ist. Als Lebensspender, in manchen Ländern als Sitz der Seele, überwiegend aber als Sinnbild der Schöpfungsgeschichte wird das Ei heute angesehen. Eier wurden im Mittelalter als Opfergaben beim Haus- oder Deichbau verwendet, galten als Abwehr- und Heilmittel gegen böse Geister, Blitzschlag und Krankheit Sie wurden im Stall versteckt oder im Getreidefeld zur Förderung der Fruchtbarkeit vergraben. Das zum Passahfest der Juden geschlachtete Osterlamm wird bei uns in Gebäckform zum Osterfest als Gebildebrot und christliches Symbol gebacken und verzehrt.
Glückwünsche und geheimnisvolle Riten rankten sich seit Menschengedenken ums Ei. Man begann, die „Keimzelle neuen Lebens“ zu schmücken und zu verzieren. So umklebt man in Böhmen die Ostereier mit gebügelten Strohhalmen. Die Sorben im Spreewald verwenden Kratztechniken. Andere Ostereier weisen Stickereien und Blumenmuster auf; aus Rumänien sind verschiedene bunte Abendmahlsdarstellungen in Wachsbatik bekannt. Es gibt die mit Wollfäden umwickelten Ostereier aus Polen, russische Ikonen-Eier, Ton- und Onyxeier aus Mexiko, chinesische Elfenbein-Eier und pakistanische Eier aus Pappmaché. Andere Eier sind kunstvoll aus Metall, Porzellan, Emaille, Elfenbein oder gar Gold gefertigt. In Süddeutschland war noch vor 100 Jahren die Bauernmalerei auf dem Osterei überaus populär. Aufgetragene Patina verlieh den Kunstwerken antiken Charakter, besonders wenn sie mit Tüpfelchen aus Blattgold verziert wurden. Gewöhnlich werden Ostereier heute im Ganzen eingefärbt. Man bringt kaum noch die Zeit auf, die überlieferten Techniken anzuwenden, es sei denn für Ausstellungszwecke. Neueren Datums sind beispielsweise Scherenschnitt-Ostereier. Das ausgeblasene Ei wird mit kleinen, filigran gestalteten Scherenschnitten umklebt, lackiert und mit einem Faden versehen an den Osterstrauß gehängt. Fast immer haben die Verzierungen und Muster auf dem Osterei eine christliche Bedeutung. Wellenlinien auf dem Ei wertet man als Zeichen ewigen Lebens, farbige Punkte auf der Eierschale stellen im Glauben symbolisch die „Tränen Marias“ dar. Die grüne Färbung steht für Hoffnung, Gold gilt als göttliche Farbe, Blau steht für Beständigkeit, Rot ist die Opferfarbe. Farbkompositionen und Muster gehen auf überliefertes Volksbrauchtum zurück und verleihen dem Osterei sein einmaliges Aussehen, ob man das ovale Sinnbild des Lebens zum Osterfest entweder färbt, batikt, bossiert, kratzt, marmoriert oder appliziert.
Wer zu Ostern viele Eier aß, sollte im Volksglauben das ganze Jahr über gesund bleiben. Die Gewohnheit des Eierversteckens hatte einen besonderen Hintergrund: Drei Tage Glück versprach der Fund eines rot gefärbten Ostereis, während ein blaues Ei angeblich Verdruss bereitete.
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