Knapp ein halbes Jahrtausend ist es alt, das Heiligtum der Muttergottes, Madonna della Corona, in der Felswand des Monte Baldo am Ostufer des Gardasees. Die Lage des Marienheiligtums ist weltweit einmalig und durchaus ungewöhnlich: Wie ein Schwalbennest liegt der Wallfahrtsort auf 774 Metern in den Monte Baldo geschmiegt da. Eine passende äußere Form für ein Marienheiligtum, steht doch die Schwalbe seit dem Altertum für die reine Seele, und Schwalben werden in manchen Regionen auch „Muttergottesvögel“ genannt.
Das Schwalbennest der Corona war ursprünglich Rückzugsort einiger Mönche der Benediktiner-Gemeinschaft von St. Zeno in Verona. Der in der orthodoxen ebenso wie in der katholischen Kirche verehrte Heilige San Zeno stammte ursprünglich aus dem nordafrikanischen Mauretanien, bevor er am 8. Dezember 362 Bischöfe von Verona wurde. Aus den achteinhalb Jahren seines Hirtenamtes sind bis heute 93 Predigtskizzen erhalten, die von einer tiefen, heiteren und bescheidenen Frömmigkeit zeugen und über die Seiten der Universität Freiburg auch auf Deutsch im Internet abrufbar sind.
Eremitage ist seit 1193 urkundlich erwähnt
Auch am Gardasee ist zumindest der Geist des heiligen Zeno „gewandert“ – von der Benediktinerabtei in Verona an die verlassene Felswand oberhalb von Ferrara di Monte Baldo. Eremiten haben hier der von ihnen angelegten Grotte und den Überresten in der Grablege nach zu schließen ab 1 000 nach Christus gelebt, erstmals urkundlich erwähnt wird die Ermitage oberhalb des Gardasees im Jahr 1193, seit 1437 werden Kirche und Einsiedelei vom Malteserorden verwaltet. Dass der Ort über die Jahrhunderte von Gebeten getränkt wurde, kann man noch heute zu spüren, wenn man nach dem verwunschen-ursprünglichen Weg zum Wallfahrtsort im hochgelegenen heiligen Bezirk selbst der himmlischen Stille und deren erhaben-heiterer Ernsthaftigkeit gewahr wird.
Aus botanischer Perspektive ist der Monte Baldo, an den sich das schöne Schwalbennest der Madonna della Corona schmiegt, eine reiche Fundgrube aller möglichen zum Teil nur hier vorkommenden Tier- und Pflanzenarten. Die Anfänge ihrer Systematisierung in Form der ausführlichen Aufzeichnungen eines Veroneser Apothekers können heute noch im Naturkundemuseum in Palazzo Pompei in Verona betrachtet werden. Im 16. Jahrhundert wurde der Monte Baldo deshalb auch „Garten Italiens“ (Hortus Italiae) genannt. Man kann es gut nachvollziehen, wenn man über die in den feuchten Tannenbäumen und den gegenüberliegenden Abhängen schwebenden Hochnebel zum Wallfahrtsort hinabsteigt. Leuchtend blauer Himmel und sattes Grün umfangen den Bezirk der Madonna della Corona. Das ist er also, der Garten, an diesem besonderen Ort vielleicht ja auch: der Seelengarten, Italiens, über dem die Muttergottes in Form der Madonna della Corona verehrt wird.
Etwa 100.000 Pilger in Jahr
In Italien genießt der Pilgerort hohe Popularität, und da man gegebenenfalls mit dem Auto bis kurz vor die Basilika fahren kann, ist es auch Alten und Kranken möglich, ihn ohne äußere Schwierigkeiten zu besuchen. Der Leiter des Heiligtums, Rektor Don Pietro Maroldi, ist darüber sehr froh. „Vor Corona, also vor der Corona genannten Pandemie, haben rund 100 000 Besucher pro Jahr den Weg zur Muttergottes hier auf dem Monte Baldo gefunden. Zwischenzeitlich ist es dann sehr ruhig geworden, weil die Gottesdienste verboten waren, aber auch dies hatte seinen Reiz und war vielleicht dem Leben, das die ersten Eremiten von San Zeno hier oben führten, in der Stille des Gebets nicht unähnlich.“ Doch so langsam öffnet sich Madonna della Corona auch für gemeinsame Messen wieder. Freudig betont Don Maroldi die Omnipräsenz der Krone am Wallfahrtsort.
Die Muttergottes der Krone
„Das Heiligtum ist von Felsen umgeben wie von einer Krone, auch im Inneren der Basilika sehen wir eine Krone – die Dornenkrone, welche die Muttergottes in Darstellung der Pieta an der Felswand über dem Altar umgibt, die wiederum ihrerseits von einer Krone aus fünf Engelspaaren umfasst wird, die jeweils ihrerseits durch drei Lichtstrahlen, die auf sie treffen und von ihnen ausgehen, umkrönt sind.“ Und wirklich lassen sich bei genauerem Hinsehen zahlreiche Einfassungen wie Kronen, Querverweise auf die Muttergottes der Krone, aber auch Hinweise auf das Leiden der Muttergottes und ihre Geborgenheit in der heiligen Dreifaltigkeit rund um die Basilika der Madonna della Corona ausmachen.
Aus kunst- und frömmigkeitsgeschichtlicher Perspektive sehenswert sind daneben vor Ort vor allem ein Fresko der Muttergottes aus dem 14. Jahrhundert im Stile Giottos, erreichbar über die vor knapp zweihundert Jahren (anlässlich des 300 jährigen Jubiläums des Heiligtums) von Papst Leo XII. bewilligte Heilige Stiege nach dem Original in San Giovanni in Laterano in Rom sowie zahlreiche ex voto-Objekte aus fünf Jahrhunderten – Krücken, Gehstöcke sowie zahlreiche Bilder und Votivgaben des Dankes. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts verbreitete sich die Legende, dass das Gnadenbild der Pieta, das über dem Altar der Basilika zu sehen ist, von Malteserrittern nach Rhodos gebracht wurde und von dort nach der Eroberung von Rhodos durch die Türken im Jahr 1522 auf wundersame Art zum Ort ihrer Verehrung im Felsen des Monte Baldo zurückkehrte.
Zwei Päpste waren bereits dort
Zwei Päpste haben den Wallfahrtsort im Lauf der Geschichte bislang besucht: im September 1893 der damalige Patriarch von Venedig, Giuseppe Kardinal Sarto, der spätere Pius X., im April 1988 Johannes Paul II. Der heilige Papst Pius X. sorgte 1910 auch dafür, dass das Heiligtum ganzjährig stets für Pilger geöffnet ist. Seit 1922 führt außerdem ein zum vierhundertsten Jubiläum der Ankunft der Statue der Muttergottes in den Fels vor der Corona geschlagener Tunnel direkt auf das Areal der Basilika zu, so dass der Gang durchs Dunkle zur Sammlung vor der Begegnung mit Gott einlädt.
Am 27. Juni 2020 öffnete erstmals seit der in Norditalien teilweise sehr schwer verlaufenen Corona-Pandemie das oberhalb des Wallfahrtsortes gelegene Pilgerhaus „Stella Alpina“ seinen Herbergs- und Hotelbetrieb wieder für Gäste. Ein schöner Fußweg von rund einem Kilometer führt von dort durch die frische Waldluft, gesäumt von einem beeindruckenden, von dem Veroneser Architekten Raffaele Bonente geschaffenen Kreuzweg aus lebensgroßen Bronzefiguren, zur Basilika hinunter. Besonders schön ist der Klang der Glocken, der mit dem „Ave, Ave“-Lied den Gruß an die Muttergottes erklingen lässt, den man auch im Heiligen Bezirk von Lourdes allenthalben vernimmt. Ein charmantes Terrassencafé mit Blick in die Berglandschaft, ein gut sortierter Souvenirladen, ein Lädchen zur Aufgabe von Messstipendien und zahlreiche Beichtstühle in der Wallfahrtskapelle mit Heiliger Stiege bezeugen die regen Pilgerströme, die der Wallfahrtsort sonst zu sehen bekommt.
Die Prozession ist bereits genehmigt
Am Vorabend zu Maria Himmelfahrt wird es, das ist laut Informationsstelle des Heiligtums „bereits von der italienischen Regierung genehmigt worden“, eine Prozession von der Pilgerunterkunft zur Basilika und dort nach Einbruch der Dunkelheit eine besonders festliche Vorabendmesse bei Sternenlicht mit dem Bischöfe von Verona Giuseppe Zenti, einem Nachfolger im Bischofamt des heiligen Zeno, geben. Eine „Samstagsgruppe“ geht außerdem seit dem Frühjahr 1988 jeden Samstag um 15 Uhr Rosenkranz betend zur Madonna della Corona hinauf, wo in normalen Zeiten um 17 Uhr die heilige Messe gefeiert wird.
Geöffnet ist der Wallfahrtsort ganzjährig jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Er ist von Garda etwa 15 Kilometer entfernt und sowohl mit dem Auto als auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß entweder über 1 760 Stufen von unterhalb oder leichtfüßig auf einer asphaltierten Straße von der Pilgerunterkunft „Stella Alpina“, aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erreichbar. Von Deutschland aus über die Autobahn A4 Mailand Venedig ab der Ausfahrt Peschiera del Garda bis Spiazzi oder von der Autobahn A22 Brenner Modena ab der Ausfahrt Affi über den Ort Spiazzi. Mit der Bahn oder dem Fernbus kann Madonna della Corona über den Bahnhof von Peschiera del Garda oder Verona Porta Nuova per Bus Richtung Spiazzi Caprino erreicht werden. Der Besuch dieses außergewöhnlichen Marienwallfahrtsortes ist in jeder Hinsicht bemerkenswert und lohnend.
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