Schon immer haben Menschen außergewöhnliche Orte aufgesucht, um Gott nahezukommen. Die Propheten des Alten Testaments und Jesus Christus selbst gehen in die Stille, die Einsamkeit, auf Berggipfel, um Gott anzubeten und in Zwiesprache mit ihm zu treten. In unseren heimischen Bergen finden wir eine Fülle solcher Orte, die bis heute nicht nur beliebte Ausflugsziele sind, sondern auch Orte des Glaubens. Eine vollständige Liste würde Bücher füllen, daher hier nur einige Schlaglichter.
Spitzenreiter in Deutschland
Im Chiemgau auf dem Wendelstein thront Deutschlands höchstgelegene Kirche auf über 1 700 Metern Höhe. Auf der Schwaigerwand pfeift einem der Wind um die Ohren. Bergdohlen nutzen die Böen für ihre kühnen Flugvorführungen. Seit 1890 trotzt die Kirche „St. Maria Patrona Bavariae“, liebevoll Wendelsteinkircherl genannt, Wind und Wetter. Das Wahrzeichen ist dem „Wendelstein-Vater“ Max Kleiber, einem Kunstprofessor aus München, zu verdanken. Er wollte einen christlichen Ort inmitten der überwältigenden Natur – mehr als ein bloßes Gipfelkreuz. So wurde die Kirche auf dem Felsen errichtet, ein beeindruckendes Beispiel für Naturverbundenheit, Pioniergeist und Frömmigkeit. Für den imposanten Platz mussten einige Meter Fels abgesprengt, der Absturz abgesichert und eine hohe Terrasse aufgemauert werden. Pittoresk hebt sich das Gotteshaus von den umgebenden Gipfeln ab. Von hier oben schweift der Blick bei klarem Wetter über den Chiemsee bis nach München, rund 75 Kilometer entfernt, um dann in die andere Richtung und zu den Gletschern des Großvenedigers zu wandern. Die Gehzeit von Brannenburg beträgt rund fünf und von Bayrischzell rund drei Stunden. Etwa eine halbe Stunde braucht die älteste Hochgebirgs-Zahnradbahn Deutschlands, die ganzjährig fährt, auf den Gipfel. Bereits seit über 100 Jahren macht sie die malerische Strecke zu einem Erlebnis.
Ein urzeitlicher Glaubensort
Im groben Felsen, unterhalb der Ebenalp im schweizerischen Appenzell Innerrhoden, verstecken sich die Wildkirchli-Höhlen auf knapp 1 500 Metern Höhe. Hier, mitten im Felsen, spürt man die Kraft des Alpsteins. Die umgebenden Berge schützen die Zufluchtsstätte, die förmlich in den Stein gemeißelt ist.
Die Höhlen haben eine lange Geschichte: Begonnen hat sie mit den Neandertalern vor einigen 10 000 Jahren. 1621 ließ dann der Kapuzinerpater Philipp Tanner einen hölzernen Altar und ein Glockentürmchen bauen und errichtete mit der Kapelle einen Raum der Andacht, mitten in der überwältigenden Natur. Es ist gut möglich, dass die Höhlen bereits zuvor religiösen Zusammenkünften dienten. Die Altargrotte ist dem Erzengel Michael geweiht. Hier finden heute noch regelmäßig Gottesdienste statt. Prähistorische Funde machten den Ort berühmt. Neben zahlreichen Tierskeletten von Bären, Höhlenlöwen und -hyänen fand man eine archäologische Sensation – von Neandertalern bearbeitete Steine. Diese Funde bewiesen erstmalig, dass die Vorfahren der Menschen auch im Alpenraum lebten. Später verbrachten vor allem Bären hier ihre Winterruhe. Beim Gang durch die Höhlen hält man unwillkürlich Ausschau nach ihnen. Die schummrige Beleuchtung wirft unheimliche Schatten an die feuchten Wände. Zurück im Freien rücken die gegenüberliegenden Berge wieder ins Blickfeld. Sonnenstrahlen wärmen die Haut und am Himmel ziehen bunte Gleitschirme vorbei.
Aufstieg: Von der Talstation Wasserauen-Ebenalp dauert der Aufstieg bis zu den Wildkirchli-Höhlen gut zwei Stunden. Mit der Bergbahn geht es schneller und man gelangt in rund 15 Minuten bis zu den Höhlen und zum benachbarten Gasthof Aescher, einem der ältesten Berggasthöfe der Schweiz. Die Einkehr am Berg schmückte bereits das Cover des National-Geographic Magazins – als schönster Ort der Welt. Achtung: Das Gasthaus Aescher ist nur im Sommer geöffnet, genau wie die Wildkirchli-Höhlen.
Maria erhört auf den Bergen
In Stoos im Kanton Schwyz liegt die Kapelle Maria Hilf am Rande des Dorfs auf gut 1 300 Metern Höhe, eingebettet in die alpine Landschaft. Die mit Holz verkleidete Kapelle ruht auf einem grünen Hügel am Fuß des Fronalpstocks. Der Kontrast vom friedvollen Kirchlein zur futuristisch anmutenden Stoosbahn, könnte nicht größer sein. Die steilste Standseilbahn der Welt überwindet beim Aufstieg in die autofreie Gemeinde eine maximale Steigung von 47 Grad. Wer durch Stoos wandert, sieht die Kapelle Maria Hilf am Ende des Dorfs auf der rechten Seite. Ihr Türmchen mit dem Kreuz ragt in den stahlblauen Himmel. Je nach Jahreszeit zieren bunte Blumen die Wiesen davor. Einige Jahrhunderte sind vergangen bis zum heutigen Erscheinungsbild des Gotteshauses. 1715 wurde sein Grundstein gelegt. Knapp 100 Jahre später war die erste Kapelle allerdings so renovierungsbedürftig, dass sie einem Neubau weichen musste. Mit dem Bau der heutigen Kirche wurde in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts begonnen, getragen von einer Kapellengenossenschaft. Die zahlreichen „Ex-Voto“ Bilder zeigen, dass sich hier bereits viele Bitten an die Muttergottes erfüllt haben.
Glocken, die für den Frieden läuten
Auf dem Kronplatz im italienischen Pustertal erklingt die Friedensglocke einmal täglich auf knapp 2 300 Metern Höhe. Über den Gipfeln der Dolomiten ertönt täglich um zwölf Uhr die Friedensglocke. Die Concordia 2000 symbolisiert den Zusammenhalt der Völker und wurde anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Skigebiets auf der Aussichtsplattform installiert, gewidmet Bernhard, dem Schutzpatron der Bergsteiger und Skifahrer. Die über 18 Tonnen schwere Glocke läutet auch, wenn in einem Land die Todesstrafe abgeschafft, ein Verurteilter begnadigt oder ein Krieg zu Ende gegangen ist. Kurz vor ihrem Läuten finden sich Wanderer, Ski- und Snowboardbegeisterte ein. „Donet deus populis pacem“ – „Gott schenke den Völkern Frieden“ steht auf dem Rand des Glockensymbols für Frieden und Völkerverständigung in der Welt. Dann fängt die mehr als drei Meter hohe Glocke an zu schwingen. Immer höher werden ihre Ausschläge, es surrt und die Aufhängung vibriert leicht. Doch es dauert, bis der erste Glockenschlag über den Bergen erklingt. Während des Läutens scheint die Zeit für einen Augenblick still zu stehen. Die letzten Schläge verklingen und es kehrt wieder Stille ein. Nach der kurzen Pause fahren die einen zurück zu den Liften, andere gehen in die umliegenden Restaurants oder Museen – das Leben nimmt wieder Fahrt auf. Auf den Kronplatz führen zahlreiche Wanderwege, bequem schwebt es sich zu jeder Jahreszeit in kurzer Zeit mit der Kronplatz-Seilbahn bei Bruneck nach oben, mit herrlichen Ausblicken auf die Dolomiten.
Die schönste Wallfahrtskirche Italiens
Am Ende des Ahrntals in Kasern befindet sich auf über 1 600 Metern Höhe die vielleicht schönste Wallfahrtskirche Italiens: Das Kleinod aus dem 15. Jahrhundert ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch die nördlichste Kirche des Landes. Die Heilig-Geist-Kirche diente einst als Knappenkirche für die Bergwerksleute des Prettauer Kupferbergwerks. Reisenden, die über die Krimmler Tauern ins Pinzgau oder nach Salzburg wanderten, fanden Schutz in der Kirche, wie auch Juden bei ihrer Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg über die österreichischen Alpen nach Italien. Es ist nicht ganz klar, wann genau das Kirchlein errichtet wurde. Eine Legende erzählt, dass ein läutendes Glöcklein in der Erde auf diese Stelle aufmerksam machte. Bei Grabungen kam ein Bildnis des Heiligen Geistes zum Vorschein. Obwohl es immer wieder entfernt wurde, kehrte es jedes Mal wieder hinter jenen Stein zurück, in dessen Schutz die Kirche heute steht. Schließlich wurde beschlossen, hier die Kapelle zu errichten, die natürlich dem Heiligen Geist geweiht ist und zahlreiche Pilger anzieht.
Am Parkplatz am Ortsende von Kasern befindet sich die Infostelle für den Naturpark Rieserferner-Ahrn. Von hier ist es nur rund ein Kilometer bis zur Heilig-Geist-Kirche, die man das ganze Jahr über besuchen kann. Im Naturpark geht es zu Fuß, auf Skiern oder dem Fahrrad durch die unvergleichliche Aura der Berge und die beeindruckende Naturkulisse.
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