Keiner weiß genau, was Transhumanismus ist. Kritische Stimmen gibt es. Doch die Debatte wird ähnlich der Diskussion um Gender an der Öffentlichkeit vorbei und unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der meisten Bürger geführt. Verwunderlich ist das nicht, denn weder Gender noch Transhumanismus sind mehrheitsfähig. Dass beide mit konkreten Gefahren verbunden sind, verstehen bei Gender jetzt anfanghaft zumindest die Frauen, die in der Damenumkleide einen angeblich weiblichen Penis bestaunen dürfen.
Radikaler Dekonstruktivismus
Transhumanismus setzt in der Theorie auf einem weitaus radikaleren Dekonstruktivismus auf. Dekonstruiert Gender nur das Geschlecht, so zerlegt der Transhumanismus den Menschen gleich komplett. Er sucht danach, ihn durch radikale Verbesserung abzuschaffen.
Reine Technologie- oder Digitalisierungskritik greift dabei nicht. Die Technik, auch die digitale Technik, ist nichts anderes als ein Werkzeug, mit dem Gutes wie Böses getan werden kann. An den Stellen, an denen der Mensch anlasslos wesentlich verändert werden soll, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Techniken, die für transhumanistische Verbesserungen genutzt werden, können in der Medizin durchaus sinnvoll sein, denkt man zum Beispiel an Prothesen, die über Nervenimpulse gesteuert werden können.
Dennoch kann niemand wollen, dass dem Menschen ein Arm amputiert wird, um eine spezialisierte Werkzeugprothese an dessen Stelle anzubringen. Es gibt solche Ideen. Es gibt Pläne für Chimären, in denen Organe gezüchtet werden oder Computerschnittstellen für Gehirne. Beides wird gedacht, beides wird erforscht. Eine unbedingt notwendige Debatte bleibt aus. Transhumanistische Projekte werden von ihren Protagonisten mit viel Geld und wenig Skrupel beauftragt. Allein das sollte ausreichen, freiheitliche und demokratische Alarmglocken deutlich hörbar schrillen zu lassen.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.