Isolierung und Quarantäne, mit diesen Begriffen haben viele Familien inzwischen praktische Erfahrungen gesammelt. Die auf dem deutschen Infektionsschutzgesetz beruhende behördlich ausgesprochene Isolierung bezieht sich auf Personen, die positiv auf die SARS-Cov-2-Infektion getestet wurden, und kann zu Hause oder im Krankenhaus erfolgen.
Die Quarantäne richtet sich an die Kontaktpersonen der positiv Getesteten. Ihre zeitlich befristete Absonderung soll die weitere Verbreitung des Virus verhindern und kann sowohl angeordnet werden als auch freiwillig erfolgen. Für die Entlassung aus der Isolierung beziehungsweise der Quarantäne müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, neben der Symptomfreiheit ist ein negatives Testergebnis eines Antigen-Schnelltests nach einer festgelegten Zeitspanne erforderlich.
Belastetes Familienleben
Die Auswirkungen auf das Familienleben sind enorm: Für etwa vierzehn Tage darf die eigene Wohnung nicht verlassen werden, weder Einkäufe noch Freizeitaktivitäten sind gestattet. Berufstätige müssen ihrem Arbeitsplatz fernbleiben, Kinder dürfen nicht in Kindergarten oder Schule. Es liegt auf der Hand, dass diese Situation für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung darstellt.
Im Gespräch mit der „Tagespost“ erläutern fünf Familien, wie sie mit dem engen Zusammenleben zurecht gekommen sind, und was ihnen dabei geholfen hat. Aufgrund der sehr persönlichen Thematik wollen die Familien dabei anonym bleiben.
Warten auf die Testergebnisse
Eine der ersten Betroffenen war die fünfköpfige Familie B. Vor einem Jahr aus dem Urlaub in Österreich zurückgekehrt, ließ sich die symptomlose Familie freiwillig vor Schulbeginn testen. „Damals dauerte es noch mehrere Tage, bis man ein Testergebnis hatte“, erinnert sich Andrea B., „und wegen der Schulpflicht hatten die Kinder trotzdem die Schule zu besuchen, so hieß es“. Wider Erwarten waren die beiden, elf und 16 Jahre alten Söhne positiv, während beide Eltern sowie die 16-jährige Tochter mehrfach negativ getestet wurden. Die gesamte Familie musste also in Quarantäne, und mit ihnen drei Schulklassen sowie weitere Kontaktpersonen. Das zuständige Gesundheitsamt ordnete Reihentestungen an. Auch für Familie B. stellte das Warten auf die Ergebnisse der über 150 Tests eine große Belastung dar. Angesteckt hatte sich letztlich niemand, worüber die Familie sehr erleichtert war.
Um eine Endlos-Quarantäne zu verhindern, hielt sich Familie B. fest an die praktischen Hinweise des Gesundheitsamtes. So wurde nur noch von der Mutter gekocht, meist etwas besonders Gutes, und die beiden Jungen blieben in ihren Zimmern oder gingen zu zweit in den Garten. Über Videokonferenzen oder Telefonate hielten die Kinder den Kontakt zu den Freunden. Und auch die Eltern, die beide im Homeoffice arbeiten konnten, führten viele Telefongespräche. Bis auf wenige Ausnahmen reagierte das Umfeld verständnisvoll, und die Familie wurde in jeglicher Hinsicht gut unterstützt.
Im Rückblick stellen die Eltern fest, dass die Familie insgesamt gestärkt aus der Situation herausgegangen sei: „Man steht es gemeinsam durch; man merkt, wer Freunde sind – und wir haben auch neue Freunde dazugewonnen.“
Vertrauen auf Gottes Schutz
Das Phänomen, dass sich nicht unbedingt alle Familienmitglieder anstecken, trat auch bei der sechsköpfigen Familie L. auf. Im Sommer dieses Jahres erkrankten der Vater und die beiden Kinder im Alter von elf und 14 Jahren. Auch wenn Nachbarn bereitwillig die Einkäufe übernahmen, war die Arbeitslast für die Mutter schon aufgrund der Krankenpflege und der Trennung in zwei „Familienhälften“ hoch. Allein die Telefonate nach Bekanntgabe der Testergebnisse dauerten mehrere Stunden, bis alle Formulare bezüglich der Kontaktpersonen ausgefüllt und die Fragen des Gesundheitsamts zu Sitznachbarn oder Arbeitgeber beantwortet waren.
Nachdem der Hausarzt ausdrücklich vor möglicher Atemnot gewarnt hatte, wurde am Tiefpunkt der Infektion für den Vater die Einweisung ins nächstgelegene Krankenhaus gewählt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass dies rein als Prävention erfolgte und keine weiteren Komplikationen auftraten. Herr L. merkte an, dass wirklich jeder, der ihn behandeln oder pflegen sollte, als erstes nach seinem Impfstatus und den Hintergründen für die bisher nicht erfolgte Impfung fragte.
Im Krankenhaus selbst konnte er an einem Online-Einkehrtag einer geistlichen Gemeinschaft teilnehmen. Dieser Anschluss an die Welt munterte ihn in der Isolierstation auf: „Das Vertrauen, dass ich unter Gottes Schutz stehe und er einen guten Plan für mein Leben hat, ließ mich zuversichtlich bleiben, auch bei Kenntnis sehr komplizierter Krankheitsverläufe und der eigenen Betroffenheit bei so manchen Symptomen und Folgen, die zum Teil noch andauern.“
Krank und voll Sorge um die Psyche des Kindes
Bereits dreimal musste Frau H., alleinerziehende Mutter einer elfjährigen Tochter, eine angeordnete Quarantäne in ihrer Wohnung erleben. Seitdem ist sie sehr froh über ihren Balkon, der sich in dieser Zeit als einzige Gelegenheit bot, an die frische Luft zu kommen.
Während Frau H. an Ostern dieses Jahres wegen ihrer Corona-Erkrankung einige Tage in der Klinik verbrachte, wohnte die negativ getestete Tochter für die Zeit der angeordneten Quarantäne als Kontaktperson bei ihrem Vater im selben Ort. Nach der Heimkehr aus der Klinik versuchte Frau H., über Telefon und Videokonferenzen den Kontakt zu ihrer Tochter zu halten. Tagsüber war das Mädchen mit dem Hund alleine, denn der berufstätige Vater konnte sich nicht freinehmen. Wegen der Osterferien gab es auch kein „Programm“ von der Schule, so dass sich das Mädchen oft langweilte. „Das war eine schwere Zeit“, erinnert sich Frau H. „Ich war krank und machte mir Sorgen um die Psyche meines Kindes – und meine Tochter hatte Angst, dass ich sterbe.“ Dazu kamen finanzielle Sorgen.
Geholfen haben Frau H. die Telefonate mit Freunden, auch gemeinsame Abendessen mit der Familie über Videotelefonie, die Erfahrung, dass für sie eingekauft und gekocht wurde sowie die verständnisvollen und liebevollen Reaktionen von Familie und Freundeskreis. Inzwischen wurde die Corona-Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt, da damals viele Personen gleichzeitig positiv getestet wurden. Die Arbeitsfähigkeit von Frau H. ist aber bis heute nicht wieder hergestellt.
In großen Familien gibt es immer Spielkameraden
Die sechsköpfige Familie W. mit Kindern im Alter von drei bis elf Jahren verbrachte die Quarantäne ebenfalls in einer Wohnung mit Balkon. Bei ihnen waren die Mutter und die neunjährige Tochter positiv getestet, ohne jedoch zu erkranken.
Ihren Berufen als Lagerist beziehungsweise Hortbetreuerin konnten die Eltern in der Zeit der Quarantäne nicht nachgehen. Stattdessen nutzten sie die Gelegenheit, ihre Wohnung zu renovieren. „Das hatten wir schon geplant“, erzählt Dawid W. Zu den bereits besorgten Materialien kamen diverse online bestellte Pakete, über die sich nach dem Auspacken besonders die Kinder freuten. Die vier Kinder bemalten und beklebten die Kartons und bauten sich ein Haus daraus. Filme anschauen, gemeinsame Brett- und Bewegungsspiele und die Teilnahme an Online-Gottesdiensten waren weitere prägende Merkmale dieser Zeit.
„Zum Glück gibt es in einer großen Familie immer Spielkameraden“, sagt Anna W. Dennoch war es gerade für die Jüngeren schwer nachvollziehbar, wieso sie die Wohnung nicht verlassen durften, wenn sie von oben andere Kinder zum nahe gelegenen Spielplatz gehen sahen. Nun will Familie W. Pflanzen für den Balkon besorgen, damit man sich dort wohler fühlt, wenn wieder einmal alle zu Hause bleiben müssen.
Erwachsene Kinder übernehmen Verantwortung
Einen anderen Einblick gibt die sechsköpfige Familie D. Was zu Weihnachten eigentlich ein Familientreffen der durch Studium und Beruf deutschlandweit verstreuten 19- bis 25-jährigen jungen Erwachsenen mit den Eltern werden sollte, verwandelte sich durch den positiven Corona-Test des Ältesten in eine Quarantäne-Situation. Trotz der Einschränkungen, des nasskalten Winterwetters und des nicht mehr gewohnten Zusammenlebens war es allen ein Anliegen, gut miteinander umzugehen, erinnert sich Frau D. „Daran habe ich das erste Mal gemerkt, dass die Kinder wirklich erwachsen werden: dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst war und sich – wie in unausgesprochener Übereinkunft – so verhalten hat, dass wir diese Tage sehr gut leben konnten.“
Die Weihnachtsgeschenke sorgten für Abwechslung, es wurden Dartpfeile geworfen, eine Tochter nähte ein Kleid und eine andere stellte unter computertechnischer Unterstützung von Vater und Bruder eine Hausarbeit für das Studium fertig. Bei den Online-Gottesdiensten wurde der Familie besonders der Friedensgruß wichtig: „in den eigenen vier Wänden echter, unmittelbarer und herausfordernder.“
Wahre Stärke der Familien
Die Erfahrungen der Familien sind also unterschiedlich. Für alle aber stellte diese Zeit eine große Herausforderung dar, die sie gemeinsam gemeistert haben. Hier zeigt sich die wahre Stärke der Familie: Zusammenhalten ohne Wenn und Aber, wenn es darauf ankommt, und auch einmal die eigenen Vorstellungen und Ansprüche zurückstellen, damit das Zusammenleben in dieser speziellen Situation gelingen kann.
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