Sprache schafft Wirklichkeit: In westlichen Ländern ist eine Bewegung zu beobachten, die die Begriffe „Frau“ und „Mutter“ zu verbannen sucht. Einige Beispiele: Die Präsidentin der Schweizer Ethik-Kommission, Andrea Büchler, regte vor einiger Zeit an, man möge das Wort „Mutter“ in Gesetzestexten durch „die Person, die das Kind geboren hat“ ersetzen. Das Gender-Institut der Universität in Canberra empfahl von „Menschenmilch“ statt „Muttermilch zu sprechen. Aktivisten bringen den Vorschlag, statt des Begriffs „Frau“ die Umschreibung „Menschen, die menstruieren“ zu verwenden. „Geschlecht“ wird umgedeutet in ein soziales Konstrukt, frei wählbar durch einen bloßen Sprechakt und ohne Beziehung zum Körper.
Diese Entwicklung kann der bekannte österreichische Gynäkologe und Hormonspezialist Johannes Huber nicht länger mit ansehen: „Je mehr geforscht wird und je mehr Erkenntnisse wir in der Gynäkologie erhalten, desto klarer wird, dass die Frau in ihrer gesamten Weiblichkeit ein Wunderwerk ist, dem Mann genetisch weit überlegen.“ Es war also an der Zeit, darüber ein Buch zu verfassen. Sein neues Werk „Wunderwerk Frau“ sieht der führende Endokrinologe auch als Gegenreaktion auf die politische und gesellschaftliche Diskussion.
Medizin und Theologie
Johannes Huber ist Mediziner und Theologe. Nach dem Studium in Wien wurde er 1992 Leiter der Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Universitätsklinikum in Wien mit den Schwerpunkten Frauenmedizin und Altersforschung. Bis 2007 leitete er die österreichische Bioethikkommission. „Die politische Diskussion nimmt eine äußerst unglückliche Entwicklung und ist ein Affront gegen alle Frauen und würdigt die Weiblichkeit herab. Damit ist sie auch eine Attacke auf die spezifische Frauenmedizin“, so der Mediziner. Er verstehe auch nicht, dass es da angesichts der Äußerungen deutscher Politiker, die die menschliche Zweigeschlechtlichkeit infrage stellen, unter den deutschen Kollegen nicht schon einen Aufschrei gibt. „Da steht die intellektuelle Sonne sehr tief“, so sein lapidarer Kommentar. Ebenso kritisiert der erfahrene Frauenarzt, dass in Österreich in Zukunft der Mutter-Kind-Pass, „Eltern-Kind-Pass“ heißen wird. Das sei reine Ideologie, denn beim Mutter-Kind-Pass gehe es darum, dass die werdende Mutter und ihr Kind regelmäßig untersucht werden: „Ich sehe das als weitere Diskriminierung und Herabwürdigung der werdenden Mutter.“
„Frauen sind in genetisch-biologischer Hinsicht privilegiert und diesbezüglich den Männern überlegen“, ist Huber überzeugt und unterlegt das mit wissenschaftlich fundierten Fakten. Die Anzahl jener Menschen, die älter als 110 Jahre sind, nimmt zu. „Dabei sind fast nur Frauen in dieser Altersgruppe der sogenannten Supercentenarians vertreten, was auf den ersten Blick nicht ganz schlüssig erscheint“, so Huber. „Aufgrund vielfältiger gesellschaftlich-sozialer Benachteiligungen von Frauen, daraus resultierender körperlich-seelischer Strapazen sowie der familiären Mehrfachbelastung etwa als berufstätige Mutter hätte man eigentlich nicht erwartet, dass Frauen gesundheitlich im Vorteil bleiben konnten.“
Huber weist in diesem Zusammenhang auf eine Forschergruppe aus dem chinesischen Wuhan hin, die gezeigt hat, dass Frauen auch gegenüber Covid-19 besser geschützt sind als Männer. „Ähnliche Daten sammelte man in Europa“, weiß der Mediziner. „So berichtete am 14. Juli 2021 das deutsche Robert-Koch-Institut in einem epidemiologischen Steckbrief, dass zwar Frauen und Männer von einer SARS-CoV-2-Infektion etwa gleich häufig betroffen seien – Männer erkranken jedoch häufiger schwer und sterben laut einer Übersichtsarbeit doppelt so häufig wie Frauen.“
Komplexere Genetik
Für Huber, der auch als Gastprofessor in den USA und der Schweiz tätig ist, gehört die Diskussion über mehr als zwei Geschlechter auch in den Bereich Unwissenheit. Das Y-Chromosom, das den Mann zum Mann macht, beinhaltet circa 100 Gene, das X-Chromosom der Frau hingegen 1100 Gene, erklärt der Professor. Ähnlich verhält es sich auch bei den Hormonen. Die männlichen Keimdrüsen, die Hoden, produzieren nur ein Hormon, das Testosteron – die weiblichen Eierstöcke können dagegen gleich drei Hormongruppen herstellen: das Östradiol, das Progesteron und auch das Testosteron. Drei komplizierte Systeme, aus den Eierstöcken, die eng „zusammenarbeiten“ und den weiblichen Zyklus der Frau steuern. Beim Mann komme das Testosteron aus den Hoden undifferenziert und gleichmäßig heraus, wie – Huber versucht es mit einem plastischen Vergleich – Wasser aus dem Gartenschlauch. Ziehe man einen Vergleich mit der Schweizer Uhrmacherkunst heran, so ähnelte das weibliche Hormonsystem einer hochwertigen Markenuhr, das des Mannes eher einer billigen Uhr aus dem Kaugummiautomaten, so der Mediziner.
„Das biologische Band zwischen Mutter und Kind ist wahrscheinlich bis zu unserem Lebensende untrennbar“, erklärt Huber. „Kinder schenken ihren Müttern – förmlich als Dankeschön für die Zuneigung und Umsorgung – Stammzellen-DNA, die auch der Mutter zur Regeneration dienen.“ Wahrscheinlich sei das auch einer der Gründe, warum Frauen länger leben als Männer, vermutet der engagierte Gynäkologe.
Das untrennbare biologische Band erklärt Johannes Huber wie folgt: „Während der Schwangerschaft wird kindliches Erbgut in den mütterlichen Kreislauf geschleust und bleibt dort viele Jahre erhalten – einschließlich des väterlichen Anteils der Zellen des ungeborenen Kindes. Darüber hinaus gelangen aber auch mütterliche DNA-Teile in das Kind, auch diese trägt es dann weiter in sich – das ,ewig Weibliche‘ bleibt damit in uns bewahrt.“
Männer als „schwaches Geschlecht“ entlarvt
Bekomme eine Frau nach der Geburt ein zweites, drittes oder viertes Kind, so werde über ihr Blut eine kleine DNA-Portion der früheren Geschwister in die aktuelle Schwangerschaft geschleust. Der Erstgeborene bleibt Initialspender und wird seine DNA über die Mutter an die Nächstgeborenen weitergeben. Aber auch später geborene Kinder gäben über mütterliches Blut ihre DNA an die nachfolgenden Geschwister weiter. Somit sind alle Familienmitglieder untrennbar miteinander verbunden. Mit dem Hintergrund dieses Wissens lehnt Huber die Leihmutterschaft kategorisch ab. „Die Leihmutter, die das Kind, das von der Eizelle der biologischen Mutter stammt, austrägt, prägt das Kind epigenetisch. Das heißt, das Kind wird von der Leihmutter während der Schwangerschaft nachhaltig beeinflusst, es kennt zum Beispiel die vertraute Stimme der Mutter, und lässt auch ein Stück seiner DNA bei der Geburt im Körper der Leihmutter zurück. Das bedeutet, die Leihmutter ist für immer durch die DNA mit ihrem „Leihkind“ verbunden. Nach der Geburt ist die vertraute Mutter allerdings plötzlich nicht mehr da, mit noch nicht erforschten physischen und psychischen Konsequenzen“, warnt Huber.
Für den erfahrenen Gynäkologen und Leiter der Endokrinologischen Abteilung des Wiener Uniklinikums steht fest: „Die Medizin muss es allen Nivellierungsversuchen zum Trotz wagen, die biologische Unterschiedlichkeit zwischen Frau und Mann weiter zu ergründen.“ Biologische Unterschiede seien eben nicht anerzogen, und auch wenn immer mehr Aktivisten versuchten, das Weibliche als reinen Rollenzwang zu verstehen. „Das ist wissenschaftlich nicht haltbar“, so der Gynäkologe. Männern rät Huber lächelnd angesichts der Tatsache, dass sie als „schwaches“ Geschlecht entlarvt wurden, Frauen zu bewundern, sie zu unterstützen und zu lieben.
Johannes Huber: Wunderwerk Frau. Warum das „schwache" Geschlecht das wahrhaft starke ist. Verlag Gräfe und Unzer 2022, 192 Seiten, ISBN-13: 978-3-8338-8203-6, EUR 22,90
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