Etwa vor fünfzehn Jahren, als sich mein Studium dem Ende neigte und ich mir immer wieder die Frage nach meinen Plänen stellte, wurde ich immer mehr an „etwas“ in der Zukunft fixiert. Ich fühlte die Berufung zu Ehe und Mutterschaft, aber es fehlte der Mann dafür. Das bedrückte mich, weil die aktuelle Wirklichkeit meinen Vorstellungen nicht entsprach. Ich war fest davon überzeugt, dass, wenn sich nur der richtige Mann finden würde, beinahe das Paradies auf Erden anfangen würde. Dann wäre ich glücklich und bräuchte mir keine Gedanken mehr über die Zukunft zu machen.
Viele Bittgebete opferte ich für diesen Wunsch. Und dabei vergaß ich manchmal, im Hier und Jetzt zu leben. Nach ein paar Jahren erhörte der liebe Gott meine Bitten und ich trat vor den Traualtar. Dann kamen weitere neue Wünsche – nach dem Kind oder nach einer größeren Wohnung. In der ersten Schwangerschaft sind mir die Wochen nicht schnell genug vergangen.
Hindernisse auf dem Weg zum Familienglück
Nach der Geburt unseres Sohnes spürte ich außer Dankbarkeit wieder einen dringenden Wunsch: „Wann wird er endlich ein halbes Jahr alt sein, sodass er dann hoffentlich besser durchschläft?“ Die Ratschläge anderer Mütter – „genieße die Zeit, wenn er noch so klein ist“ und „einmal wirst du es vermissen“ – konnte ich beim Blick auf meine entzündeten Brüste und dunklen Augenringe nicht nachvollziehen.
Später schauten wir als Familie besorgt in die Zukunft, weil die Wohnung mit zwei kleinen Kindern viel zu eng wurde. Die Suche nach einer Wohnung in Berlin schien fast aussichtslos zu sein und kostete uns viel Zeit, Mühe und Nerven. Der mangelnde Wohnraum schien das letzte Hindernis auf dem Weg zum Familienglück zu sein. Bis weitere Herausforderungen auftauchten: chaotische Zustände in der Kindertagesstätte, berufliche Sorgen, Erkrankungen von Kindern und Eltern und immer wieder die Schule, die dem Ältesten und den Eltern die Nerven raubte. Es hörte nie auf: Lieber Gott, ich weiß, dass Du kürzlich meine Gebete erhörtest, aber erfülle mir bitte noch folgenden Wunsch ...
Die Schwierigkeit im Hier und Jetzt zu leben
Ob ich mit drei Kindern nach zehn Jahren Ehe Geduld gelernt habe? Wohl kaum. Die Früchte der Mühe sieht man in der Familie erst nach vielen Jahren. Es fällt mir immer noch sehr schwer zu warten, weil ich mir die ferne Zukunft immer wieder so rosig ausmale. Der eine Urlaub ist noch nicht zu Ende, schon denke ich an den nächsten. Der Herbst fing noch nicht mal richtig an und ich träume schon vom nächsten Frühling, da ich die dunkle Jahreszeit nicht mag.
Wieso fällt es mir so schwer, im Hier und Jetzt zu leben? Als ich noch klein war, kuschelte ich mich einmal an meine Mutter, legte meinen Kopf an ihren Bauch und sagte ihr, ich wolle nicht erwachsen werden. Als Kind konnte ich damit nicht besser ausdrücken, wie sehr ich den Moment mit ihr genoss und ihn am liebsten verewigt hätte. Viele Jahre später erlebte ich die gleiche Situation mit meinem Sohn, der in meiner festen Umarmung denselben Wunsch äußerte wie ich damals. Auch wenn Kinder typischerweise nicht über besonders viel Geduld verfügen, gelingt es ihnen oft besser, das Gegenwärtige zu schätzen. Liegt das daran, dass sie sich nicht so viele Gedanken über die Zukunft machen müssen?
„Fesseln“ der Zukunft durch Dankbarkeit überwinden
Vielleicht müssten auch wir Erwachsene das gar nicht – jedenfalls nicht so, wie wir oft meinen. Schließlich kennt Gott unsere Wünsche. Und er kennt auch die richtige Zeit, um unsere Bitten zu erfüllen. So versuche ich, die „Fesseln“ der Zukunft durch Dankbarkeit zu überwinden. Mehr im Hier und Jetzt zu sein und den Wert des Wartens zu schätzen.
Jeden Abend über zwei Sachen nachzudenken, für die ich Gott danke. Auch wenn sich schöne Augenblicke mit Herausforderungen abwechseln … Am Ende hat mir Gott genau das anvertraut, wovon ich vor 15 Jahren so intensiv träumte – eine Familie mit Kindern.
Maria Fuchs hat Politikwissenschaften studiert, ist Mutter von drei kleinen Söhnen und lebt mit ihrer Familie in Berlin.
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