Pornografie

Wovor Sex-Täter zurückschrecken

Pornos überfluten das Netz. Damit einher geht Cybergrooming, also sexuelle Belästigung im Netz. Wie man Kinder erfolgreich vor der Gefahr schützen kann, damit befassten sich zwei Webinare.

Meine Kinder haben sicher noch nie pornografische Bilder gesehen, sie wachsen schließlich behütet auf“. So lauten oft Aussagen katholischer Eltern, die ganz erstaunt sind, wenn sie erfahren, dass der durchschnittliche Erstkontakt von Kindern mit Pornografie bei 11,5 Jahren liegt. Häufig haben Kinder allerdings schon früher explizite Bilder gesehen, die zufällig während dem scrollen im Internet aufgepoppt sind oder die ihnen in der Schule von einem anderen Kind gezeigt wurden. Laut einer neuen Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München sind 78 Prozent der Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren im Netz bereits auf pornografische Inhalte gestoßen.

Aufgrund dieser Zahlen sollten sich Eltern also nicht der Illusion hingeben, ihr noch so behütetes Kind wäre ein unbeschriebenes Blatt. Der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien und Safersurfing haben wegen der Dringlichkeit von Aufklärung und Hilfeleistung jüngst zwei Webinare angeboten. Für Safersurfing ist es in Kooperation mit der Sigmund Freud Privat-Universität und dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie schon das zweite Experten-Panel rund um Internetpornografie.

„Was offline gilt, muss auch online gelten!“

Dass das Thema auf großes Interesse stößt, zeigt sich an der Teilnehmerzahl: Über 260 Personen waren per Zoom zugeschaltet. Diesmal diskutierten die Panelisten das Thema „Pornografie und Cybergrooming – eine Herausforderung für den Kinder- und Jugendschutz“. In einer Sache waren sich die Experten einig: Was offline gilt, muss auch online gelten. Aber während Jugendschutz im realen Leben gang und gäbe ist, hinkt er im Netz hinterher. Kinder haben weitgehend uneingeschränkten Zugang im Web. Oft reicht ein harmloses Schlagwort, dass sie in eine Suchmaschine eingeben – eine Mutter erzählte, dass ihr junger Sohn aus Neugier „Penis“ tippte und sogleich auf pornografischen Seiten landete. Um den Jugendschutz im Internet auszubauen wären vor allem Politik und Gesetzgebung gefragt. In Wien initiierte Safersurfing beispielsweise einen runden Tisch mit Bezirksräten, um den Vorschlag zu diskutieren, wie man explizite Seiten bei WLAN-Hotspots an öffentlichen Plätzen- und im zweiten Schritt auch in Cafés und Schulen – durch einen Filter blockieren kann.

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Neben der öffentlichen Arbeit ist das „Fit-machen“ der Familien und Kinder von großer Wichtigkeit. Eltern, Kindern, aber auch Pädagogen fehle es an Medienkompetenz und an einem kritischen Umgang mit den Inhalten des Internets. Die Jugendsprecherin der ÖVP, Claudia Plakolm, bekräftigte, dass die Bewusstseinsbildung der Eltern und Kinder gestärkt werden müsste. Sie bemerkte: „Kinder sind Eltern und Lehrer mit den Medien voraus.“ Plakolm war übrigens die einzige Politikerin, die im Experten-Team vertreten war. Dabei hatte Safersurfing Vertreter aller politischer Parteien eingeladen, mitzudiskutieren, doch diese sagten ab. Eine Falle, in die Kinder im Internet tappen können, ist Cybergrooming, auf deutsch „Internet-Anbahnung“.

Gefährliches Cybergrooming

Bei diesem Phänomen suchen meist ältere Männer gezielt den Kontakt zu Kindern über soziale Medien wie Instagram, Snapchat oder Chatvorrichtungen in Onlinespielen, um sexuelle Kontakte herzustellen. Es reiche heute nicht mehr, Kindern beizubringen, nicht mit fremden Menschen mitzugehen. Karima Okura, eine Mitarbeiterin von Safersurfing, riet den teilnehmenden Eltern des Webinars des Katholischen Familienverbands dazu, den Kindern einzuschärfen, nur mit Menschen zu chatten, die sie aus dem realen Leben kennen. Darüber hinaus müsse man ihnen erklären, dass viele der Profile in sozialen Medien nicht echt, also Fake-Profile, seien. Von Tätern, die im Internet nach Opfern Ausschau halten, kann Chefinspektor Jürgen Ungerböck viel berichten.

Der Leiter des Referats für Sexualstraftaten und Kinderpornografie erzählt, dass Täter ganz gezielt nach Informationen über Kinder suchen, um sie zu erpressen und somit von sich abhängig zu machen. Der Chefinspektor berichtet von einem Fall, in dem ein Kind Opfer von Cybergrooming wurde. Nach mehreren Gesprächen mit dem fremden Mann im Chat ließ es sich dazu überreden, ihm Nacktfotos zu schicken. Der Täter drohte dem Kind, der Firma der Eltern zu schaden, wenn das Kind nicht tue, was der Mann verlangt. Zum Glück flog der Fall auf und der Verbrecher wurde verurteilt. Jedoch: (Nackt)Fotos, die einmal ins Internet gestellt wurden, sind nicht mehr rückgängig zu machen und schwirren ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung im WorldWideWeb herum.

Privatsphäre im Internet ist eine Illusion

Deshalb gibt Ungerböck den Tipp, möglichst keine Bilder von den eigenen Kindern in das Netz zu stellen und Kindern klarzumachen, dass sie keine privaten Informationen an Fremde weitergeben sollen. Für das Verschicken von Sexbildern oder Nacktfotos gibt es übrigens den Begriff „Sexting“. In Österreich haben über 30 Prozent der Jugendlichen schon solche Bilder über das Handy zugeschickt bekommen.

Die Experten warnen vor der Illusion, dass das Internet Privatsphäre bietet. In Sache Privatsphäre ist der Nachrichtendienst Whatsapp, der Teil von Facebook ist, eher schwach. Es können nämlich Metadaten, zum Beispiel wie oft, wann oder wo geschrieben wird, rückverfolgt werden und das Backup ist unsicher. Safersurfing empfiehlt die Alternativen Signal und Threema.

Bei dem Webinar „Soll das Internet unsere Kinder aufklären?“ des Katholischen Familienverbandes riet Karima Okura mit dem Kauf eines Smartphones für das Kind so lange wie möglich zu warten. Dass das schwer sein kann, wenn alle Mitschüler bereits ein Smartphone besitzen, weiß die dreifache Mutter aus eigener Erfahrung. Vielleicht motiviert es zu wissen, dass selbst Apple Gründer Steve Jobs genauso wie Microsoft-Boss Bill Gates und andere Eltern aus dem Silicon Valley die Internetnutzung ihrer eigenen Kinder äußerst einschränkten.

Ein gesunder Selbstwert hilft

So wichtig Präventionsprogramme, Medienkompetenz und Filter für das Internet auch sind, wirklich ausschlaggebend für den Schutz von Kindern vor Internetpornografie und ihren Folgen ist etwas anderes: gesunder Selbstwert und gute Eltern-Kind-Beziehungen. In der Psychologie spricht man von „Resilienzfaktoren“, die die Eltern stärken können. Wie kann man den kindlichen Selbstwert stärken? Zum Beispiel, indem man ihnen hilft, herauszufinden, was sie gut können und wo ihre Stärken liegen.

Heikle Themen brauchen Vertrauen. Deshalb ist es immer gut, in die Beziehung zum Kind zu investieren. Auch wenn es womöglich unangenehm ist, ist es wichtig, das Kind altersentsprechend, doch lieber früher als zu spät, aufzuklären und offen über Sexualität und Pornografie zu sprechen. Der Sexualwissenschaftler Jakob Pastoetter betont, dass man den Kindern in Gesprächen vermitteln soll, dass Pornografie nicht Sexualität ist. Letztere ist eingebettet in soziale Kontexte und hat, allem voran, mit Würde zu tun. „Der Mensch hat nie mehr Würde als in dem Augenblick, wenn er die Hose runter lässt, denn da ist er am meisten verletzlich.“, appelliert Pastoetter, der der Präsident der Deutschen Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Sexualforschung ist. Wenn man Liebe von Sexualität trenne, werde Sex zu einem reinen Konsumgut. Genau das treffe auf die Pornografie zu.

Gute Beziehungen seien der beste Schutz gegen Cybergrooming. In erster Linie sei der Mensch ein soziales Wesen, erst an zweiter Stelle ein sexuelles, meint Pastoetter. Cybergrooming sei dafür das beste Beispiel. Es funktioniert, weil jemand dem Kind, wenn auch fälschlicherweise, zu verstehen gibt: „Ich bin an dir interessiert“, nicht weil der Täter sagt: „Ich will Sex“. Und, darin stimmten die Experten überein: „Vor aufgeklärten Kindern schrecken Täter zurück“.

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