Anne Wagner, Annette Koch und Helga Deinert (Namen geändert) haben Töchter, die seit Beginn der Pubertät keine Töchter mehr sein wollen. Der „Tagespost“ geben sie einige Einblicke, was das für ihr Familienleben bedeutet. Sie sind nicht überzeugt, dass ihre Töchter, die alle mit Geschwistern aufgewachsen sind, wirklich transsexuell sind. Im Hinblick auf langfristige gesundheitliche Gefahren einer somatischen Behandlung mit Hormonen und Operationen haben sie große Bedenken. Sie wollen ihre Teens schützen und ihnen Zeit lassen. Später könnten sie selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen möchten.
Plötzlich auftauchende Geschlechtsdysphorie
Die amerikanische Gynäkologin und Forscherin Lisa Littmann hat den Begriff der „Rapid Onset Gender Dysphoria (ROGD)“ geprägt. Eine plötzlich auftauchende Geschlechtsdysphorie gerade bei jungen Mädchen im Jugendalter (ROGD) beruht laut Littmann oft auf dem Phänomen der „sozialen Ansteckung“, das zu einer statistisch unwahrscheinlichen Häufung von Fällen in ein und dem sozialen Umfeld verantwortlich ist. Langzeitstudien zeigen, dass die überwiegende Mehrheit von jungen Menschen, die an dem Gefühl leiden, im falschen Körper zu stecken, sich im Erwachsenenalter mit ihrem biologischen Geschlecht aussöhnen.
Zwei der Töchter sind noch minderjährig, mangels elterlicher Zustimmung der Eltern nehmen sie keine Hormone ein. Wagners volljährige Tochter dagegen hat sich entschieden: während des Studiums ging sie den Weg der „sozialen Transition“, lebte also nach außen wie ein Mann und ließ sich mit einem anderen Namen ansprechen. Mit 21 Jahren nahm sie Testosteron. Danach folgten die Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister sowie mehrere Operationen. Das erwachsene Kind hat den Eltern gesagt, dass es die dritte Operation bereue und heute nicht mehr machen würde. Auch Helga Deinerts sechzehnjährige Tochter möchte als Erwachsene Testosteron nehmen und sich einer Mastektomie unterziehen. Von Seiten der Therapeuten erlebe sie ausschließlich Affirmation und Druck auf die Eltern. Während eines 50minütigen therapeutischen Gesprächs seien sie sechsmal mit dem Thema Suizid konfrontiert wurden. „Ich wurde aufgefordert, endlich mit in das Boot zu steigen, aufzuhören mit meinen Bedenken und was ich tun wolle, wenn mein Sohn sich in einem Monat das Leben nehmen würde. Das war wirklich furchtbar.“
Beziehungen zerbrochen oder stark belastet
Alle drei Familien erfahren, dass es in Verwandtschaft, Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder schwierig ist. Manche Beziehungen sind zerbrochen, andere stark belastet. Aus diesem Grund hält sich Familie Koch im Freundeskreis zurück. „Wir haben ein paar enge Freunde, mit denen wir ganz offen kommunizieren können.“ Bei anderen sei die Erstreaktion oft Unverständnis für die kritische Haltung der Eltern gegenüber den Forderungen der Tochter nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen.
In der grundsätzlichen Haltung seien sich die Ehepaare einig, auch wenn die Reaktionen manchmal unterschiedlich seien. Annette Koch meint, sie sei aktiver in der ganzen Thematik als ihr Mann. „Er kann manchmal lockerer damit umgehen, ich bin emotional zu verbunden mit meinem Kind“, sagt sie. Immer wieder hätten sie im Kleinen einen gemeinsamen Weg finden müssen, wenn sie gedacht habe, er interessiere sich zu wenig und andererseits hörte, sie engagiere sich zu viel. Dass Eltern als Einheit vor ihr Kind treten, scheint nicht der Regelfall zu sein. Die Therapeutin von Kochs Tochter habe lobend erwähnt, dass sie das so nicht unbedingt kenne.
Familiäre Situation bleibt Herausforderung
Inzwischen engagieren sich die drei Frauen bei der bundesweit tätigen Interessengemeinschaft „TransTeensSorgeBerechtigt (TTSB)“. Seit 2021 ist TTSB online, knüpft Kontakte zu den weltweit entstehenden Elterngruppen und stellt umfassende Informationen, auch aus anderen Ländern, über die vielen Facetten des Themas bereit. Dabei kommen auch Stimmen von sogenannten De-Transitionierern, das heißt Menschen, die nach medizinischen Behandlungen und Operationen wieder zurück in ihr Geburtsgeschlecht möchten, zu Wort. Die familiäre Situation von Anne Wagner, Helga Deinert und Annette Koch bleibt eine große Herausforderung, aber bei TTSB erfahren sie Rückhalt und finden Gleichgesinnte. DT/chu
In der nächsten Ausgabe der „Tagespost“ erhalten Sie ausführliche Informationen zu der auch in Deutschland wachsenden Zahl an Kindern und Jugendlichen, die sich als „transgender“ bezeichnen.