Väter möchten heute aktiver als früher an der Betreuung ihrer Kinder mitwirken. Das ergibt der Väterreport 2023 des Instituts für Demoskopie Allensbach. Laut der Studie will jeder zweite Vater sogar die Hälfte der Betreuung übernehmen. Auf Basis amtlicher Statistiken, wissenschaftlicher Studien und repräsentativer Bevölkerungsbefragungen beschreibt der Report Lebenslagen, Werte und Einstellungen von Vätern in Deutschland.
Vor die Ausführungen über „Vater sein in der Familie“ und „Vater sein im Beruf“ stellt der Väterreport in diesem Jahr eine Unterteilung der Väter in fünf Prototypen, die das Allensbach-Institut mittels einer Clusteranalyse ermittelt hat: Der „überzeugte Rollenbewahrer“, der „überzeugte Engagierte“, der „urbane Mitgestalter“, der „zufriedene Pragmatiker“ oder der „etablierte Konventionelle“ unterscheiden sich demnach hinsichtlich ihrer Einstellung zur Gleichstellung von Männern und Frauen, ihres Engagements rund um die Kinderbetreuung und verschiedener soziodemografischer Merkmale. Um Familienpolitik wirksam zu gestalten, müssten Väter in ihrer Diversität und ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten mitgedacht werden, denn „einen Standardvater gibt es nicht“, hält der Report fest.
Zurückstellung eigener Interessen
Unabhängig von dieser Unterteilung in Protoypen aber gilt laut einer repräsentativen Befragung des Allensbach-Instituts: Vier von fünf Vätern stellen für ihre Familie oft eigene Wünsche und Interessen zurück. Häufig wird der Familie Priorität gegenüber dem Beruf eingeräumt: Im Väterreport gibt mehr als die Hälfte der Väter (53 Prozent) an, dass sie einer Familienangelegenheit größere Bedeutung beimessen als einer beruflichen Angelegenheit. Vor allem aber möchten Väter im Leben ihrer Kinder präsenter sein, stellt der Väterreport heraus. Das zeigt sich daran, dass sie sich tatsächlich immer mehr Zeit für ihre Kinder nehmen. Während es vor zwanzig Jahren durchschnittlich 1,9 Stunden pro Wochentag waren, stieg diese Zahl 2008 auf 2,3 und 2019 auf 3 Stunden an. Gleichzeitig ist nur ein knappes Drittel der Väter der Meinung, dass sie genug Zeit für ihre Familie und ihre Partnerin haben.
Das familienpolitische Instrument der Elternzeit bietet hier zumindest eine befristete Möglichkeit, Zeit für die Familie zu finden. Aus diesem Grund hat der Industriekaufmann Jürgen Bauer (Name geändert, A.d.R.), Vater von vier Kindern im Alter von fünfzehn, neunzehn, einundzwanzig und dreiundzwanzig Jahren, bei jedem Kind zwei Monate Elternzeit nach der Geburt genommen. „Für mich ist die Familie sehr wichtig. Gerade die erste Zeit mit den Kindern ist sehr intensiv und es gibt täglich Fortschritte zu beobachten“, erzählt Bauer im Gespräch mit der „Tagespost“. Außerdem wollte Bauer seine Frau entlasten und ihr Freiräume schaffen, „damit sie auch Zeit für sich hat“.
Auch Frederik Schmitt (Name geändert, A.d.R.) wusste sich zu Hause gebraucht. Die fünf Kinder sind heute drei, neun, dreizehn, fünfzehn und siebzehn Jahre alt. Die erste zweimonatige Elternzeit nahm der Ingenieur beim zweiten Kind. Beim dritten und vierten Kind kam zu den beiden Monaten nach der Geburt noch ein Elternzeitmonat nach einem Jahr für einen längeren Familienurlaub dazu, und beim jüngsten Kind blieb Schmitt ein ganzes Jahr zu Hause. Der Grund dafür: „Ich war beruflich schon fest im Sattel und konnte das gut unterbrechen, während meine Frau vor einigen Jahren in ihrem Beruf angefangen hatte.“ So setzte die Mutter mit fünfzehn Stunden pro Woche die Berufstätigkeit fort, bei der sie durch die Nähe zur Arbeitsstelle sogar ihr Kind stillen konnte.
Väteranteil ist kontinuierlich gestiegen
Seit der Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 ist der Anteil der Väter mit Elterngeldbezug kontinuierlich gestiegen. Mittlerweile liegt die Väterbeteiligung beim Elterngeld bei rund 44 Prozent. Die meisten Väter gehen für die Dauer von zwei Partnermonaten in Elternzeit. Als Gründe für die konkrete Aufgabenteilung nannten Eltern aus Paarfamilien, deren jüngstes Kind unter 16 Jahre alt war, dem Allensbach Institut 2022 unter anderem: „Für uns war bei der Aufteilung von Beruf und Kinderbetreuung sehr wichtig, dass die Mutter viel Zeit mit dem Kind verbringen und es betreuen sollte“ (52 Prozent) sowie „Eine andere Aufteilung als die, die wir gewählt haben, war für uns finanziell nicht möglich“ (43 Prozent).
Beiden Aussagen stimmte eine deutliche Mehrheit der verschiedenen Vätertypen im Väterreport zu. Ähnlich äußerten sich Väter in der VAPRO-Studie, die Anfang 2023 veröffentlicht wurde. Hier sagten 58 Prozent, dass sich beide Elternteile für die ungleiche Aufteilung entschieden hätten. Bei mehr als zwei Drittel der Befragten hatte sich der andere Elternteil gewünscht, länger in Elternzeit zu gehen. „Meine Frau wollte die Kinder stillen“, erzählt Jürgen Bauer auf die Frage, wie es zu der konkreten Aufteilung des Ehepaares gekommen sei. „Es war ihr wichtig, für sie da zu sein, eine gute Basis für ihre Entwicklung und ein gutes Umfeld zu schaffen.“ Was seine Elternzeit betrifft, seien Kollegen und Vorgesetzte sehr verständnisvoll gewesen, selbst beim ersten Kind vor über zwanzig Jahren, als nur wenige Männer diesen Schritt wagten. „Zwei Monate lassen sich im Beruf gerade noch überbrücken“, ist Bauers Erfahrung. „Mehr wäre bei uns auch finanziell nicht möglich gewesen.“
Das besondere Plus der langen Elternzeit
Die Kinder von früh bis abends zu erleben und „zuzusehen, wie sie größer werden, mit allen Entwicklungsschritten wie krabbeln oder laufen lernen, was mir sonst nur als Video in die Arbeit geschickt wird“, das ist für den jungen Vater das besondere Plus seiner langen Elternzeit. Sechs Monate davon war die Familie wieder mit einem Wohnmobil unterwegs, von Schweden bis Griechenland. „Das war wirklich ein Traum. Wir haben den ganzen Tag im Freien verbracht, Lagerfeuer gemacht und Museen besucht“, schwärmt Jere. „Ich kann es jedem nur empfehlen, wenn es finanziell geht, eine lange Elternzeit zu nehmen, am besten gemeinsam.“ Das Gemeinsame hebt auch Jürgen Bauer im Rückblick hervor: „Miteinander den Haushalt erledigen, zusammen sein und soziale Kontakte zu anderen Familien pflegen, das ist wertvoll. Es hat sich im späteren Verhalten bezahlt gemacht: die Kinder und wir Eltern kommen gut miteinander aus.“ So gut, dass Bauer vor einiger Zeit ein Sabbatical von sieben Monaten genommen hat, um wieder einmal eine Extra-Zeit mit seinen jugendlichen und erwachsenen Kindern zu verbringen.
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