Opa: Hallo Lilly! Hallo Bob! Schön euch zu sehen.
Bob: Opa, wir kennen ein neues Spiel. Machst du mit?
Opa: Wenn ihr mir die Spielregeln erklärt!
Lilly: Zwei Personen stehen sich mit je zusammengefalteten Händen gegenüber. Ihre Fingerspitzen zeigen zueinander, dürfen sich aber nicht berühren. Und dann versucht der eine Spieler die Hände des anderen abzuklatschen, wobei dieser wiederum seine Hände wegziehen darf.
Opa: Klingt spaßig. Die Fingerspitzen, die sich nur fast berühren, erinnern mich an ein Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle in Rom, das vom damaligen Papst Julius II. vor über 500 Jahren in Auftrag gegeben wurde, und zwar an den italienischen Maler Michelangelo. Er war damals erst 33 Jahre alt, als er in nur drei Wochen das heute so weltberühmte Gemälde anfertigte. Es trägt den Namen „Die Erschaffung Adams“.
Lilly: Dann muss es aber ein großes Bild sein, wenn drei Wochen eine kurze Zeit zum Malen waren!
Opa: Ja, das stimmt. Es hat eine Größe von 4, 80 Meter auf 2, 30 Meter. Auf dem Gemälde strecken sich Gott und Adam die Hände entgegen, ihre Fingerspitzen scheinen sich zu berühren und dennoch ist da eine Lücke, ein Abstand zwischen ihnen.
Bob: Und warum ist das so?
Nähe und Distanz zum Schöpfer
Opa: Gott und Adam stehen hier sinnbildlich für Schöpfer und Mensch: Gott ist seiner Schöpfung ganz nah und dennoch ist eine Distanz zwischen ihnen. Das bedeutet, dass jeder Mensch ein sogenanntes „Abbild Gottes“ ist, also etwas Göttliches in sich hat, sich aber gleichzeitig bewusst sein sollte, dass sein Leben ein absolutes Geschenk des Schöpfers ist. Der heilige Augustinus war sich dessen sehr bewusst. Er schrieb einmal: „Groß bist du, Herr, und über alles Lob erhaben. Und da will der Mensch dich preisen, dieser winzige Teil deiner Schöpfung. Du selbst regst ihn dazu an; denn du hast uns zu dir hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“
Bob: Hat uns Gott dann nur erschaffen, damit wir ihn loben?
Opa: Weil Gott die Liebe ist, hat er auch uns aus uneigennütziger Liebe erschaffen. Er braucht unser Lob nicht. Aber wir brauchen den Lobpreis, um demütig in eine Beziehung mit ihm eintreten zu können und um unser Herz mit seiner Freude füllen zu lassen. Ja, Gott möchte, dass wir ihn kennen und lieben lernen. Zur heiligen Teresa von Avila soll er sogar einmal gesagt haben, dass er die ganze Welt von neuem erschaffen würde, nur um ein einziges Mal von uns zu hören, dass wir ihn lieben.
Bob: Und liebt Gott auch die Tiere und Pflanzen?
Opa: Gott liebt alles, was er gemacht hat. Der Mensch unterscheidet sich aber von allen anderen Wesen darin, dass Gott ihm die Erde anvertraut hat und dass er frei wählen kann zwischen Gut und Böse. In der Bibel gibt es zur Schöpfung zwei Erzählungen: Die erste berichtet, wie Gott die Welt in sieben Tagen erschuf – aus Chaos Ordnung herstellte – und die zweite, wie Gott Adam, also den Menschen, aus Ackererde formte und ihm dann Eva, seine Frau, als gleichberechtigte Hilfe gab.
Lilly: Aber die Lebewesen der Erde haben sich doch entwickelt, oder?!
Opa: Ja, das ist richtig. Die Erde entwickelt sich mit ihren Tieren und Pflanzen seit vielen Millionen Jahren bis heute weiter. Das nennt man Evolution. Aber die Autoren der Bibel wollten mit ihren Schöpfungsberichten keine wissenschaftliche Darstellung von der Erschaffung der Welt schreiben. Es ging ihnen nicht darum, wie Gott die Welt erschaffen hat, sondern: dass er sie erschuf, und aus dem Nichts erschuf, und dass er sie für uns erschaffen hat. Die sogenannte Evolutionstheorie widerspricht deshalb auch in keiner Weise dem Glauben an Gott. Papst Franziskus sagt dazu, dass der ,Big-Bang‘, der Urknall, den heute viele Wissenschaftler an den Anfang der Welt setzen, nicht im Widerspruch zum göttlichen Schöpfungsplan steht. Die Urknall-Theorie wurde übrigens als erstes von einem katholischen Priester aus Belgien, Georges Lemaître, formuliert.
Eine Frage des Glaubens
Bob: Was war denn der Urknall?
Opa: Vor ungefähr 14 Milliarden Jahren war alle Materie – also die kleinsten Bauteile, aus denen die Welt zusammengesetzt ist – heiß und dicht auf einen winzigen Raum zusammengepresst. Durch den sogenannten „Urknall“ breiteten sich diese Stoffe explosionsartig aus und bildeten im Laufe der Zeit das Universum, das aus über 1000 Milliarden Galaxien – große Sternenverbunde – besteht. Und das ist alles nur ein winzig kleiner Bruchteil der Materie des Weltalls, den wir vermuten zu kennen.
Lilly: Unsere Erde gehört auch zu einem Stern, der Sonne! Gemeinsam mit acht anderen Planeten dreht sie sich um sie herum.
Bob: Wooooooooooow!
Opa: Ja, absolut staunenswert.
Lilly: Dann hat Gott also den Urknall gemacht?
Opa: Dass unsere Erde ohne Gott existiert – dass in einem Moment alle Dinge, die für die Entstehung von Leben benötigt wurden, exakt so zusammengekommen sind – ist extrem unwahrscheinlich. Dennoch wird die Frage, ob ein Schöpfer unseren Planeten gestaltet hat, oder ob er zufällig entstanden ist, wissenschaftlich nie beantwortet werden können. Es bleibt immer eine Frage des Glaubens. Wenn das Weltall eine große Maschine wäre, könnten wir sie physikalisch beschreiben. Aber bei der Beschreibung von Gott hört die Physik auf. Gott als Schöpfer ist die erste Ursache ohne Ursache. Diese Lücke – der Abstand zwischen den Fingern von Gott und Adam – lässt sich durch die Wissenschaft nicht füllen. Denn Gott ist größer als alle Bilder und Gedanken, die wir uns von ihm machen können. Er ist ein großes Geheimnis.
Bob: Das ist mir zu kompliziert. Spielen wir lieber das Abklatschspiel?
Opa: Das kann ich nachvollziehen, und keine Sorge, du musst jetzt noch nicht alles verstehen. Lass uns spielen. Du darfst anfangen.
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