Es war noch nicht einmal offiziell eingeweiht, die grünen Moos-Matten im Garten noch nicht ganz angewachsen, da konnte es bereits über 350 Personen aus ganz Europa begrüßen, das neue Schönstattzentrum am Kahlenberg bei Wien. Anlass war der Europäische Familienkongress „Familie – Hoffnung für die Zukunft“ der Schönstatt-Familienbewegung Anfang Mai. 160 Familien aus 14 Ländern Europas tauschten sich vier Tage über die Rolle der Familie für eine gute Zukunft für Europa aus, erzählten einander von ihren Erfahrungen und Projekten und beteten und feierten gemeinsam. Eine bunte Mischung aus Impulsreferaten, Podien, Workshops, Gesprächsrunden, Lebenszeugnissen und Gebetszeiten prägte das Programm.
Dabei konnten die Referenten, die meist gemeinsam als Paar auftraten, von der reichen Spiritualität ihrer Bewegung schöpfen. Die Herausforderungen der christlichen Familie in der Gesellschaft skizzierten Ingeborg und Richard Sickinger: Während in der mittelalterlichen Stadt die Kathedrale die Mitte war, finde man dies im Silicon Valley nicht mehr. Die Säkularisation, eine multikulturelle Welt und die Individualisierung erforderten eine neue Konzentration auf das eigene Innere. Gegen eine medial befeuerte Daueralarm-Stimmung brauche es Familien, die aus ihren Wohnungen und Häusern Orte der Stabilität machen, die im Gebet eine Sicherheit finden, die ausstrahlt auf ihren Lebensstil, so die beiden Leiter der österreichischen Schönstattbewegung.
Das „Hausheiligtum“ ist immer präsent
Die Schönstattbewegung kann dabei aus ihren Quellen schöpfen: Die Stelle im Haus, in der die Familie sich zum Gebet trifft, das „Hausheiligtum“, ist immer präsent. Sie wird zum Zentrum, wo Menschen Sicherheit im Glauben finden können. Fotos von den Kindern und Enkelkindern, den Freunden, Zettel mit Gebetsanliegen, Zeugnisse, Briefe, alles kann dort seinen Platz finden und an das Gebet für die entsprechenden Anliegen erinnern. Die Bündniskultur, die im Mittelpunkt der Spiritualität Schön-statts steht, erinnert daran, dass im Zentrum des Glaubens keine Theorie, sondern die Beziehung zu Christus, zu Gott, steht; in Schönstatt ist das Liebesbündnis mit Maria die Konkretisierung des Taufbündnisses. Es weitet sich aus zum Bündnis mit den anderen Mitgliedern der Bewegung und wird konkret in der Sorge um die Menschen, für die Verantwortung übernommen wird. Die Pädagogik und die Texte Josef Kentenichs, des Gründers der Schönstattbewegung, inspirieren Familien zu Lesekreisen, in denen sie miteinander die Gedanken Kentenichs reflektieren und auf ihre eigene Situation übertragen.
Am Abend setzten die Kongressteilnehmer ein bewegendes Zeichen der Vernetzung im Gebet für Europa: Dabei entstand ein langes gelbes Band zum Zeichen der Gemeinschaft, das anschließend von den Vertretern der einzelnen Länder im Schönstatt-Heiligtum angebracht wurde. „Familie – Hoffnung für die Zukunft“ war in acht Sprachen darauf zu lesen – vor dem Hintergrund des Krieges in Europa ein ermutigendes Zeichen der länderübergreifenden Solidarität.
Weitergabe der Schätze
Am zweiten Tag stand die Frage im Zentrum, wie die Schätze aus der Spiritualität Schönstatts weitergegeben werden können. Ein Impuls von Pater Jose Luis Correa aus Costa Rica weitete den Blick auch auf andere Kontinente. Ehepaare stellten verschiedene Projekte und praxisnahe Angebote aus den unterschiedlichen europäischen Ländern vor. Auch der europaweiten Vernetzung gab das Treffen einen neuen Impuls: Wenn man beispielsweise in Ungarn in der „kleinen Kentenich-Universität“ per E-Learning mit einer Online-Plattform arbeitet, kann diese Erfahrung dann auch in Spanien, Italien, Kroatien oder Litauen umgesetzt werden. Während der Ausbildung der neuen Referenten für Familientagungen geben diese viel Kraft und Zeit für die Neuevangelisierung; zum Ausgleich hat die ungarische Schönstattbewegung „seelische Wellness-Wochenenden für Familienreferenten“ erfunden, während derer die Ehepaare selbst wieder auftanken können.
Unter den Themen der Workshops fanden sich Klassiker wie das Ehegespräch, eine erfüllte Intimität und Sexualität, Ehevorbereitung, Erziehung, Angebote für die Pfarrei ebenso wie neue Themen. Dazu gehörten die hybride Ehepastoral, die digitale und persönliche Treffen beinhaltet, Erfahrungen mit der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine und nachhaltiges und einfaches Leben als Antwort auf die Klimakrise. Aus dem Leben heraus entstandene Angebote wie eine eigene Ausbildung und Begleitung von jugendlichen Kinderbetreuern bei Familientagungen wurden hier als bewährte Praxis vorgestellt. Immer wieder berichteten Kurzvideos Aktivitäten aus unterschiedlichen Ländern, erzählten inspirierende Bilder von Familientagungen und anderen Veranstaltungen, lustigen, nachdenklichen und bewegenden Augenblicken aus dem Leben der Bewegung.
Eigenes Programm für Kinder und Jugendliche
Während die Erwachsenen tagten, hatten die 50 Kinder und Jugendlichen ihr eigenes Programm, gestaltet von einer Familie aus Ungarn. Erkundungen des Waldes auf dem Kahlenberg standen ebenso auf dem Programm wie ein Trommelworkshop und eine Führung durch die Wiener Innenstadt.
„Hoffnung ist für euch Christen das, was hinter dem Horizont ist“, zitierte Pater Heinrich Walter in seiner Predigt in der Sonntagsmesse einen Passanten, der in Afrika eine – fröhliche – Beerdigung erlebt hatte. Die Relevanz von Ehe und Familie zeige sich dort, wo Eheleute und Familien es schaffen, an der Lösung der Probleme dieser Zeit mitzuarbeiten. Bereiche, in denen die Familienbewegung dies tue, seien die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Klerus und Laien, die in Schönstatt exemplarisch vorgelebt werde, sowie die Wichtigkeit des Glaubens in einer Umgebung, die in der Kirche eine eher soziologische Größe wahrnehme. Auch im gemeinsamen Erleben der unterschiedlichen Charismen von Frauen und Männern könne die Familienbewegung einer sich zunehmend als synodal verstandenen Kirche dienen.
Am Abend gab es dann eine fröhliche internationale Feier mit Beiträgen aus den verschiedenen Ländern. Lieder, Tänze, Jodler, Trommeln und Spiele aus den Ländern von Litauen bis Rumänien und von England bis Ungarn führten Erwachsene und Kinder zusammen – klar, dass ein Wiener Walzer nicht fehlen durfte.
Mitgestalten an einer Welt von morgen
Am letzten Tag führten Ingeborg und Richard Sickinger das Erlebte und Geteilte in ihrem Schlussreferat zusammen: „Ehe und Familie sind etwas Schönes. Ehe und Familie können gelingen. Ehe und Familie haben eine große Sendung für diese Zeit… Diese Botschaft ist belegt durch unsere Vision, unsere Sehnsucht und unser Know-How. Wir dürfen mitgestalten an einer Welt von morgen.“
Die Eucharistiefeier mit dem österreichischen Familienbischof Hermann Glettler im Stephansdom bildete den Abschluss des dreitägigen Kongresses. Viele Familien waren eigens dafür angereist. Interessierte konnten den Kongress in seinen wichtigsten Programmpunkten von zuhause aus über Schönstatt-TV und am letzten Tag auch über Radio Stephansdom wahlweise in Deutsch oder Englisch mit verfolgen.
Ein Projektchor mit Orchester sorgte für schwungvolle neue geistliche Lieder. Als die Kleinsten sich bemerkbar machten, kommentierte Bischof Glettler: „Hören Sie den Sound of Life, den brauchen wir hier in unserer Kirche!“ In seiner Predigt zum Kana-Evangelium sagte er, auf das Ehesakrament übertragen: „Gott ist diskret gegenwärtig. Er, der eigentlich Gastgeber des Lebens ist, ist unauffällig als Gast am Tisch.“ Zur Bewältigung der Spannungen, die in der Familie zu einem gemeinsamen „Wir“ werden sollen, kommentierte der Bischof: „Pluralitätsfitness lernt man in der Familie.“ Für die Dankbarkeit gelte das Gleiche: „Wir sollen zu Lautsprechern des Guten werden“. Und weiter: „Eheliche Berufung zu leben, ist ein Geschenk von Ostern. Denn Familien sind ein Heiligtum der Hoffnung und Kraftwerke von Zuversicht und Zukunftsmut.“ Während der Gabenbereitung brachten Familien mit ihren Kindern die Schätze der Schönstatt-Spiritualität zum Altar: Symbole für den „Familienurlaub plus“, die Ehevorbereitungsseminare, die Familienakademie, den Krug und das Marienbild.
Ein wichtiger Schritt
Eine Teilnehmerin bilanzierte: „Für uns war der Kongress ein wichtiger Schritt. Wir haben wirklich etwas weiterzugeben. Das Networken hat gut getan. Wir müssen uns jetzt im Team zusammensetzen und überlegen, wie wir weiterarbeiten wollen. Am meisten hat uns inspiriert, welche Angebote es speziell für junge Familien gibt.“
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