Mein Neffe freut sich: die Bundesregierung hat ihm gerade satte 300 Euro Taschengeld auf sein Schülerkonto überwiesen. Einmal wöchentlich trägt er ein Reklameblättchen in seinem Stadtviertel aus und erhält dafür vom Bund als Arbeitnehmer die Energiekostenpauschale in vollem Umfang. Dass er als 15-jähriger Schüler noch zu Hause wohnt und die Nebenkosten der Wohnung nicht selbst trägt, interessiert den Staat nicht. Und auch nicht die Frage, wie Schüler wie mein Neffe später einmal den für solche Unsinnigkeiten aufgeblähten Schuldenberg abtragen sollen.
Auf meinem Konto kann ich leider einen solchen Guthabenzuwachs nicht feststellen. Dabei durfte ich im September, dem für die Auszahlung der Energiekostenpauschale entscheidenden Stichtag, auf ein kleines Jubiläum anstoßen, habe ich doch im September vor zwanzig Jahren die Leitung unseres kleinen, erfolgreichen Familienunternehmens übernommen, in dem ich – wie in solchen Unternehmen üblich - für äußerst vielfältige Arbeitsbereiche zuständig bin. Ich arbeite in der Kommunikationsbranche und im Organisationsmanagement; Ich bin für die Qualitätssicherung genauso zuständig wie für die Nachwuchsförderung und Zukunftsforschung. Auch die Mitarbeitermotivation und die Rechtsprechung gehören zu meinen Aufgaben. Diese wunderbar treffende Beschreibung meiner täglichen Arbeit stammt von einem Staubsaugerhersteller.
Leiterin eines kleinen Familienunternehmens
Zu unserem Familienunternehmen gehören mein Mann, vier Kinder im Teenageralter, meine Wenigkeit, Haus und Garten. Meinen zuvor ausgeübten Beruf als Juristin lasse ich zugunsten meiner Tätigkeit als Mutter und Hausfrau ruhen – und es geht mir gut dabei! Die Entscheidung dazu haben mein Mann und ich gemeinsam bewusst getroffen, wissend um das fehlende Gehalt und um das Risiko einer fehlenden Rente im Alter. Unseren materiellen Verhältnissen entsprechend haben wir unsere Lebensweise angepasst. Ich bedauere all die Familien, die gerne unser Familienmodell leben würden, dies jedoch aus finanziellen Gründen nicht können.
Als unsere Tochter zehn Tage mit unendlich starken Schmerzen im Krankenhaus lag, konnte ich die ganze Zeit an ihrer Seite sein und ihr Leid mittragen. Ich habe ungezählt viele Dankgebete in den Himmel geschickt, dass mir diese Zeit an ihrem Krankenbett einfach so möglich war. Die Mädchen in den Nachbarbetten habe ich bedauernd mit ins Gebet genommen: sie mussten alleine die Visiten, Untersuchungen, ihr Leid und ihre Schmerzen, auch ihre Verzweiflung meistern, da ihre Eltern nur sporadisch ins Krankenzimmer hineinschneien konnten. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt hat mir meine Tochter einen herzerwärmenden, langen Dankesbrief geschrieben: „Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich dir für deinen unfassbaren Beistand gewesen bin.“
Vollzeiteltern bleiben außen vor
Auch durch die verschiedenen Phasen der Coronapandemie konnte ich unser Familienunternehmen heil hindurchlotsen, da ich im Gegensatz zu den vielen berufstätigen Eltern um uns herum ausreichend Zeit hatte, mich um die Kinder intensiv kümmern zu können und den Schrecken der Pandemie mit kleinen oder größeren Familienaktivitäten positive Akzente im Familienleben gegenüberstellen konnte.
Im Wahlkampf warb Bundeskanzler Scholz letztes Jahr auf großen Plakaten mit dem Slogan „Respekt für dich“, doch beschränkt sich sein Respekt nur auf Menschen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen, wie das Beispiel der Regelung der Energiekostenpauschale einmal mehr deutlich zeigt. Erst nach Protesten wurde der Kreis der Begünstigten auf Rentner und Studierende ausgeweitet. Hausfrauen (und Hausmänner) gehen leer aus. Auch bei ihnen interessiert den Staat nicht, ob sie die finanzielle Hilfe nötig haben oder nicht. Da politisch nicht gewollt ist, dass Eltern für ihre Kinder die Berufstätigkeit ruhen lassen, kommen sie auch nicht in den Genuss des Geldsegens. Wumms! Wir Vollzeitmütter und -väter können uns vielmehr an der Herzenswärme unserer Mitmenschen erwärmen oder alternativ eine zusätzliche Runde mit dem Staubsauger drehen, um warm zu bekommen. Vielleicht bin ich aber auch so frei und trinke jetzt einfach gemütlich eine Tasse heißen Tee!
Zur Autorin: Andrea Püllen ist studierte Juristin und vierfache Mutter.
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