„Jedes Kind hat ein Recht auf glückliche Eltern“, ist der Managementberater Reinhard K. Sprenger überzeugt. Bisher befasste er sich in seinen Publikationen, Seminaren und Coachings mit Themen wie Führung, Motivation und Konfliktmanagement, nun gibt der Vater von vier Kindern in seinem neuesten Buch Denkanstöße für einen Erziehungsalltag, in dem auch das Wohl der Eltern nicht zu kurz kommt. „Ein Kind braucht Eltern – keine Erziehungsexperten“, so Sprenger.
Die Zeit der Erziehung bezeichnet er als „Elternjahre“, einen zeitlich begrenzten Abschnitt im Leben eines Erwachsenen. Oft seien Erwachsene „Nur-noch-Eltern“, die sich als Paar und als Einzelpersonen vergäßen. Die Gefahr dabei: Burnout der überaus engagierten Eltern und Entfremdung von Mann und Frau bis hin zur Trennung. Um hier rechtzeitig gegenzusteuern, ruft Sprenger dazu auf, die eigenen Ansprüche an eine gelungene Erziehung zu senken sowie die Bedürfnisse der Kinder zu erfüllen, ohne sich selbst aufzugeben.
„Gut genug ist perfekt“
Generell sollte Erziehung am besten sozusagen nebenher, zurückhaltend geschehen. „Wir machen als Eltern nur dann viel falsch, wenn wir zu viel richtig machen wollen“, so Sprenger. Das ist ein Gedanke, der für Entlastung sorgen kann, angesichts intensiver Debatten unter Eltern um Schnuller und Stillen, Familienbett und eigenes Kinderzimmer, vegane oder traditionelle Ernährung und möglichst frühe Förderung in vielerlei Hinsicht. „Gut genug ist perfekt“ lautet ein weiterer entlastender Satz. Kinder bräuchten Eltern, keine idealen Eltern, und auch ohne Daueroptimierung sei das Kind angemessen vorbereitet für die Welt.
Bei den Elternjahren unterscheidet Sprenger fünf Phasen: die erste Phase ohne Kind, die zweite mit dem Baby bis zum Alter von etwa zwei Jahren, die dritte mit dem Kleinkind bis zum siebten Lebensjahr, die vierte bis zum Auszug des Kindes und die fünfte ohne das Kind. Dabei hat jeder Abschnitt seine besonderen Herausforderungen und Freuden. In allen Phasen gehe es Elternpaaren aber am besten, wenn die Liebesbeziehung für sie vorrangig sei, denn darin liege eine „Energiequelle für harte Wegstrecken“. Das Beste, was Eltern für ihre Kinder tun könnten, sei die Sorge um sich selbst und um ihre Liebe füreinander, betont Sprenger. Die zwingende Logik dieser Aussage verdeutlicht das Beispiel der Lautsprecherdurchsage im Flugzeug, die vorgibt, in welcher Reihenfolge die Sauerstoffmasken im Fall eines Druckverlustes angelegt werden sollen: zuerst müssen sich Eltern um ihre eigene Maske kümmern, und erst danach den Kindern helfen, die Maske anzulegen.
Zeit zusammen genießen
Nicht zuletzt aber dürfen es Eltern auch einfach genießen, mit Kindern zu leben und die vielen „Sternstunden der Elternjahre“ wahrzunehmen, die Sprenger exemplarisch aufzählt: Das „Behagen an Alltäglichkeit, Mitfreuen, Mitleiden, Spielen, Raum für Muße, nicht nur an Wochenenden, Glück des Entdeckens, des ,Unbedingte-Liebe-Spürens‘“ und die oft fundamentalen Gespräche mit den älteren Kindern.
Aus christlicher Sicht kritisch zu sehen ist, dass Sprenger die Bedeutung des Elternwohls für das Kindeswohl mit einem Hieb gegen amerikanische Konservative, die „das Recht auf Abtreibung verneinen“, untermauert und an anderer Stelle behauptet, die katholische Kirche und der Kitsch des 19. Jahrhunderts hätten aus der Ehe von einem Mittel zur Vermeidung materieller Not eine Überforderung gemacht. Auch ein säkularer Ratgeber sollte sich in Toleranz und Respekt üben. In der Gesamtbewertung jedoch ist „Elternjahre“ ein lesenswertes Buch mit vielen praktischen Anregungen sowohl für junge als auch für erfahrene Eltern.
Reinhard K. Sprenger: Elternjahre. Wie wir mit Kindern leben, ohne uns selbst zu verlieren. DVA München 2022, 320 Seiten, ISBN 978-3-421-07000-5, EUR 25,-
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