Was hat Sie in ihrem Glaubensleben in der Kindheit positiv geprägt?
Samuel: Für mich war die Familie ganz wichtig. Ich erinnere mich, dass wir regelmäßig abends zusammen gebetet haben. Wir mussten bis zu einem gewissen Alter auch in die Kirche gehen. Aber besonders geprägt hat mich die Zeit als Ministrant und Oberministrant in der Gemeinde. Der Pfarrer war ein gutmütiger, lieber und frommer Mann, der mich mit beeinflusst hat.
Angelika: Ich bin gläubig erzogen worden, trotzdem hatte ich als beginnende Teenagerin eine innere Distanz zum Glauben. Ein einschneidendes Erlebnis war bei mir der Weltjugendtag in Rom im Jahr 2000. Ich war damals sehr jung und meine Mutter wollte eigentlich nicht, dass ich da hinfahre. Mehr ihr zum Trotz habe ich doch teilgenommen und dort eine Gottesbegegnung gehabt, die mein Leben geprägt hat. Von da an wollte ich persönlich und selber einen Weg im Glauben gehen.
Was möchten Sie Ihren Kindern weitergeben?
A: Sie sollen wissen, dass sie geliebte Kinder des Vaters sind und dass Jesus sich eine Beziehung mit ihnen wünscht; dass sie immer zu ihm kommen können und er das Beste für sie will. Gerade lese ich mit unseren Kindern die Bücher „Nicht wie bei Räubers“. Da geht es um diese persönliche Beziehung zu Gott. Manchmal sprechen wir darüber, was das für sie heißt, wie sie das leben können, wie sie die Stimme Gottes hören können.
S: Gott will das Beste für ihr Leben. Ihm folgen heißt ein gutes Leben wählen mit einem starken, mächtigen Freund an der Seite, der mich immer liebt und mir den Weg zeigt. Im Alltag fragen die Kinder manchmal: „Ist Gott jetzt böse auf mich?“ Dann erklären wir seine Liebe in einfachen Worten oder erzählen eine Geschichte aus der Bibel, die uns dazu einfällt.
Womit haben Sie gute Erfahrungen gemacht?
S: Die Kinder lieben diese Lieder, zu denen sie Bewegungen machen dürfen und die sie mit Begeisterung mitsingen. Auch wenn sie in Kindergottesdiensten beteiligt werden, hilft das. Im Erwachsenen-Gottesdienst langweilen sie sich meistens oder lesen in mitgebrachten Büchern. Da haben wir noch keine Lösung gefunden.
A: Unser Achtjähriger liest den „Youcat for Kids“. Das finde ich sinnvoll. Gute Erfahrungen haben wir in den geprägten Zeiten, also Advent und Fastenzeit, gemacht. Da besprechen wir, was gerade passiert, und die Kinder sind voll dabei. In der Fastenzeit hatten wir ein großes Holzkreuz mit 40 Nägeln, und die Kinder durften jeden Tag einen herausziehen – an Ostern sind alle Nägel, mit denen wir Jesus im Alltag ans Kreuz nageln, weg. Das haben sie gut verstanden. Im Advent beten wir abends täglich um den Adventskranz versammelt.
S: Den Kindern ist wichtig, dass wir sie vor der Schule segnen und kurz mit ihnen beten. Das hilft ihnen, wenn sie vor etwas Angst haben oder unsicher sind. Sie lieben es, Bibelgeschichten vorgelesen zu bekommen. Für die Älteren gibt es Bibel-Comics, für die Jüngeren eine interaktive Bibel-App.
Wovon würden Sie abraten?
S: Jedes Kind und jede Familie ist anders. Man kann ein Kind nicht zwingen, irgendetwas Religiöses toll zu finden. Deswegen ist es wichtig, immer zu schauen, was gerade passt und dem Kind weiterhilft.
A: Schwer wird es dann, wenn wir Erwachsenen zu „Erwachsenenveranstaltungen“ gehen und erwarten, dass die Kinder kleine Erwachsene sind, sich also dementsprechend verhalten.
Müssen Eltern auf alle theologischen Fragen antworten können? Und immer ein gutes Beispiel geben?
S: Ihre Fragen können die Kinder auch der Religionslehrerin oder dem Pfarrer stellen. Aber sie schauen ganz genau, was wir machen und was uns Eltern wichtig ist. Ich habe gelesen, dass den späteren Papst Johannes Paul II. sehr berührte, als er seinen Vater nachts neben dem Bett beten sah. Das sind so entscheidende Momente, die nur passieren, wenn ich selbst den Glauben lebe.
A: Die Kinder lernen, wie man streiten und sich versöhnen kann, indem sie sehen, wie Samuel und ich das tun. Sie sehen, dass wir auch alleine beten, wenn ich etwa am Küchentisch sitze und tagsüber in der Bibel lese. Antworten auf theologische Fragen gibt bei uns Gott sei Dank Samuel.
Wenn sich Familien unsicher fühlen, etwa erst im Rahmen der Erstkommunionvorbereitung wieder den Weg in die Kirche finden: Welche Hilfestellung könnte die Pfarrei geben?
A: Für die Eltern ist ein Alpha-Kurs eine gute Sache. Da gibt es die Basics im Glauben, und sie wachsen ganz natürlich in die Gemeinschaft hinein. Für die Kinder braucht es lebendige Gottesdienste oder Kindergottesdienste.
S: Ich glaube, es ist ganz entscheidend, wie Familien in einer Pfarrei aufgenommen werden. Freuen sich die Leute, dass eine Familie mit Kindern kommt, auch wenn die Kinder manchmal vielleicht „stören“? Gibt es jemanden, der sie nach dem Gottesdienst anspricht und willkommen heißt? Oder ärgere ich mich, weil mir jemand meinen Stammplatz weggenommen hat? Die Atmosphäre macht da viel aus.
Was empfehlen Sie Familien, die bei der Glaubensweitergabe alleine stehen?
A: Es gibt viele gute Angebote im Internet, etwa Sonntags-Impulse zum Evangelium mit Handpuppen. Gerade im Lockdown war das eine wahre Freude und für viele sehr hilfreich. Feste Gruppen wie die Kisi-kids können helfen.
S: Auch Missio Österreich hat da tolle Angebote. Für uns ist es wichtig, dass wir immer wieder zu Treffen fahren, wo andere Familien sind, die den Glauben leben, damit die Kinder das selbstverständlich miterleben. Ohne das wären wir ziemlich auf dem Trockenen.
Sportlich aktive Kinder haben oft am Sonntagvormittag Turniere. Wie können christliche Familien damit umgehen?
S: Bisher haben wir das Problem noch nicht. Aber die Sonntagsmesse ist uns heilig. Deshalb versuchen wir, am Samstag- oder Sonntagabend in die Messe zu gehen, was hier in Passau zum Glück gut möglich ist.
Was können Eltern tun, wenn ältere Kinder nicht mehr mitziehen, das Familiengebet langweilig, die gläubigen Eltern peinlich und das Aufstehen zur Sonntagsmesse lästig finden?
A: Bei uns ist es noch nicht soweit. Für unsere Kinder gehört das noch dazu. Auch wenn sie nicht immer gern mitgehen und manchmal auch jammern, wissen sie, dass es uns wichtig ist. Entscheidend ist, dass die Kinder irgendwann selbst eine Gotteserfahrung oder zumindest eine Erfahrung der Gemeinschaft machen. Das kann sie ermutigen, weiter in den Gottesdienst zu gehen.
S: Für mich ist es eine Gewissensprüfung: Lebe ich wirklich aus dem Glauben, mit Freude und so, dass es schön ist und die Kinder es positiv erleben? Dann werden sie sich hoffentlich – auch wenn sie eine Zeit lang weg waren – daran erinnern und wieder zurückkommen.
Mit Blick auf Ihre vielfältigen Erfahrungen in der Jugendarbeit: Was brauchen Jugendliche?
A: Gemeinschaft ist einfach wichtig! Jugendliche brauchen einander. Auch wenn die Gleichgesinnten vielleicht nicht vor Ort wohnen, aber zu wissen, dass da jetzt gerade meine Freundin auch im Gottesdienst sitzt, eine Gebetszeit macht, einen Rosenkranz betet, das ermutigt und gibt Kraft. Die Jugend ist gut vernetzt. Außerdem braucht es Erwachsene, die Jugendliche gut leiten, und schauen, was der nächste Schritt im Glaubensleben sein kann, der sie herausfordert und ermutigt, dran zu bleiben.
Jugendliche gehen gerne zu Großveranstaltungen wie der Mehr-Konferenz oder dem Weltjugendtag. Diese stehen immer wieder in der Kritik: als perfekte Inszenierung ohne Auswirkung auf den Alltag. Wie sehen Sie das?
S: Natürlich ist es wichtig, dass der Glaube im Alltag ankommt. Aber ganz allein in einem Gottesdienst mit lauter alten Leuten – wie sollte das gehen? Solche Events können helfen, dass Jugendliche eine Glaubenserfahrung machen. Gleichzeitig ist die Herausforderung, es so zu machen, dass sie danach nicht in ein Loch fallen, sondern Anregungen bekommen, wie sie weiterleben können. In meiner Jugend war ein ganz kleiner Gebetskreis wichtig, wo wir zusammen Lieder gesungen und gebetet haben. Aber auch die großen Treffen waren prägend, richtig wichtige Erfahrungen – ich habe beides gebraucht.
A: Für mich war es eine Lebensveränderung. Gerade den Weltjugendtag kann man ja so und so leben. Ich war mit einer Gruppe der Gemeinschaft Emmanuel unterwegs, und da hatten wir ein gutes Programm. Das fördert dann die Gottesbeziehung.
Was ist das Wichtigste bei der christlichen Kindererziehung?
A: Auszuprobieren, keine Angst zu haben, etwas falsch zu machen, und schauen, was jedes einzelne Kind braucht, um in seiner Gottesbeziehung wachsen zu können.
S: Versuchen, mit dem Heiligen Geist zu leben. Als Person wirklich mit Gott gehen und sich immer wieder neu bekehren. Also letztlich ein gutes Vorbild zu sein und dann mit allem, was wir zur Verfügung haben, nicht zuletzt dem gesunden Menschenverstand, schauen, was meinem Kind gerade jetzt hilft, und wozu Gott uns als Familie ruft.
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