Generationenvertrag

Die Familie bleibt

Angesichts der demografischen Krise sind Pensionen und Pflege schwerlich zu finanzieren.
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Foto: IMAGO / Shotshop | Ob im Urlaub oder in Notzeiten, die intakte Familie stärkt auch die Gesellschaft.

Wo ist es geblieben, das einstmals gelobte Land der Dichter und Denker? Wir brauchen sie, die neuen, kreativen Ideen der klugen Köpfe, um die vielfältigen Krisen zu bewältigen. Ob Flüchtlingsströme, Pandemien oder Umweltkatastrophen, es werden nicht weniger. Nur die Menschen, die hierzulande leben. Vieles steht Kopf. Nicht nur die Alterspyramide, die alarmierend neue Missstände aufwirft.

Wer kümmert sich einmal um die vielen alten, pflegebedürftigen Menschen? Der Generationenvertrag war einmal. Heute herrscht der Einzelfall. Der soll durch staatliche Care-Strukturen verwaltet werden. Am Lebensende genauso wie am Lebensanfang. Dort mittels Kitabetreuung der ebenso „pflegebedürftigen“ Säuglinge. Aber wollen wir tatsächlich das „Rundum-sorglos-Paket“ – alles aus staatlicher Hand an den sensiblen Schnittstellen des Lebens: Geburt und Tod? Während auch in den Pflegeberufen Personalnotstand herrscht und viele Lehrstellen unbesetzt bleiben, klafft auch hier eine Leerstelle im System: es wird kaum zu finanzieren sein.

Immer neue Finanzlöcher

In Zukunft werden immer mehr entfesselte Naturgewalten Finanzlöcher aufreißen. Man hätte es nicht für möglich gehalten: Innerhalb weniger Minuten werden viele Häuser von den Wassermassen mitgerissen, manche Ortschaften ihrer kompletten Infrastruktur beraubt. Hochwasserkatastrophe in Deutschland 2021. Die erstaunlich positive Bilanz im Trauma der Zerstörung lautet: Eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität brandet in die betroffenen Gebiete. Wo sie können, brechen Menschen auf, um zu retten, was noch zu retten ist. Hat der Homo oeconomicus den kalten Krieg im Herzen unserer Gesellschaft doch nicht gewonnen, wie Frank Schirrmacher, der verstorbene Herausgeber der FAZ, es in seinem Buch „Ego“ prophezeite? Der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete wird Jahre in Anspruch nehmen. Wie strapazierfähig ist die Hilfsbereitschaft gegenüber fremden Schicksalen, wenn die Begeisterung wiederentdeckter Mitmenschlichkeit abgeebbt ist?

Die Erfahrung lehrt, dass wenn alles in die Brüche geht, eines bleibt: die Familie. Damit sie auch in Zukunft tragfähig ist, benötigt sie weit mehr Aufmerksamkeit als bisher. Die Chance zeigt sich jetzt, in geballten Krisenzeiten, wo die technische Machbarkeit eines geglückten Lebens wie vom Platz gefegt ist.

Die Familie bleibt das Wichtigste

Familie tritt dort auf den Plan, wo kein Rampenlicht mehr eindringt, im Rückzug der Mannschaftskabine, wo nicht nur aufgeschürfte Knie zu verarzten, sondern auch zerbrochenes Selbstbewusstsein zu heilen ist, eine Strategiebesprechung Schwachstellen aufdeckt, Ausblick auf das nächste Spiel gibt, wo Teamgeist gefördert wird. Kurzum: Familie ist die Schule der Menschlichkeit.

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Aus welchem Stoff ist die Familie gemacht, dass sie den Stürmen des Lebens standhält? Der früh verstorbene Zeitungs- und Bestsellerautor Schirrmacher ist der Frage 2006 in seinem Buch „Minimum“ nachgegangen. Dramatisch lässt er historische Katastrophen Revue passieren. Eine Gruppe von 87 überwiegend deutschstämmigen Siedlern – Alleinreisende, Familien, Frauen, Kinder und alte Menschen – brechen im Herbst 1846 ins gelobte Land Kalifornien auf. Bei der Überquerung des Donner-Passes werden sie in der Sierra Nevada vom Winter überrascht und bleiben vier Monate im Schnee stecken. Ein schrecklicher Überlebenskampf beginnt. Mehr als die Hälfte der Reisenden überlebt ihn nicht.

Interessant ist die Erkenntnis, die Schirrmacher anhand dieser und weiterer Katastrophen herauskristallisiert: Es sind weder die Stärksten noch die unabhängigen Einzelgänger noch die jungen Männer, von denen man meinen könnte, sie hätten die besten Überlebenschancen. Es sind die Angehörigen der Familien, die Alten und Kranken, die im Netzwerk der Familie am Donner-Pass unter härtesten Bedingungen überlebten. Fazit: Wenn sich das Leben in Ausnahmesituationen dem „Minimum“ nähert, verfügt die Familie über eine Ressource, die kein Vertrag, keine Freundschaft geben oder ersetzen kann. Schirrmacher nennt es Altruismus.

Liebe möchte fruchtbar werden

Was genau liegt der selbstlosen, uneigennützigen Hingabe zugrunde, dass sie so exklusiv auf familiäre Beziehungen zutrifft? Dort, wo sich ein junges Paar in Liebe zueinander hingezogen fühlt, den Bund fürs Leben eingeht, möchte diese Liebe fruchtbar werden. Trotz heftigster ideologischer Dekonstruktion ist für 94 Prozent der Deutschen die Familie das Wichtigste, so der renommierte Zukunftsforscher Horst Opaschowski

. Damit erreichte sie in der Corona-Pandemie Spitzenwerte. Die Sehnsucht nach dauerhaftem Glück und Liebe ist im Menschen offenbar angelegt. Ebenso das Gespür dafür, dass die Bedingung einer glücklichen Beziehung Treue ist, weil nur sie einen vertrauensvollen, geborgenen Rahmen schafft, in dem sich die Liebenden gegenseitig hingeben und verschenken können. So kann die Liebe bis ins Alter wachsen.

Der Grund für Urvertrauen, Geborgenheit, Empathie

Erfüllte Liebe unterscheidet sich wesentlich von technischer Sexualität, die nur auf ihre eigene Befriedigung abzielt und dabei immer gieriger wird, da sie unerfüllt bleibt, und nach immer neuer Lustbefriedigung sucht. Der Liebende dagegen will das personale Du im ergänzenden Gegenüber in seiner menschlichen Ganzheit beschenken. Keine Frage, dass die Ehe schon immer eine große Herausforderung war. Aber gerade, weil sie menschliches Scheitern und Schwäche verwandeln kann, ist sie der Ort, an dem christliche Barmherzigkeit lebendig wird. Das Geheimnis glücklicher Ehen heißt, den lästigen Macken des Partners immer wieder mit Barmherzigkeit zu begegnen statt an ihnen zu verzweifeln oder in Selbstmitleid zu versinken.

Wo der Partner den anderen ertragen hat, obwohl er unerträglich war, wo er an ihn geglaubt hat, als dieser es nicht mehr konnte, da ist er über sich hinausgewachsen. Die Ehe wird dort zum Bild eucharistischer Liebe, wo sie Menschen verwandelt. Das Ehepaar-Coaching ist schon im Ehebund angelegt. Partnerschaft ist Mittel zur Heiligkeit und Ort der Gottesbegegnung. In ganz besonderer Weise dort, wo Mann und Frau ein Fleisch werden. Das ist wie ein Kitt, der die Ehe dauerhaft bindet. Die eheliche Liebe will das Kind als gemeinsame Frucht der Liebe – Kinder als Mensch gewordene Liebe.

Das Netzwerk Familie

Aus der exklusiven, da nicht austauschbaren Mutter-Kind-Bindung nährt sich das Netzwerk Familie. Hier werden Urvertrauen, Geborgenheit und Empathie grundgelegt. Dieses gemeinsame Lebensprojekt der Eltern fordert zur Treue heraus. Denn jeder, der mehrere Kinder hat, weiß, wie schwierig es ist, jedem Kind die ihm notwendige Aufmerksamkeit und Liebe zukommen zu lassen. In Patchwork-Familien multiplizieren sich die Beziehungsverhältnisse und Probleme der Stiefeltern und Geschwister. Nach den vielen lebenslänglich zerbrochenen Kinderherzen, die Eltern mit der Trennung produzieren, wird leider wenig gefragt. Sie aber sind die eigentlichen Verlierer.

Wieviel mehr Verlierer wird es in Zukunft geben, wenn die in Parteiprogrammen zur Bundestagswahl angebotene eingetragene Elternschaft von bis zu vier Personen Wirklichkeit werden sollte!

Es braucht lebendige Originale überzeugender Partnerschaften, in denen Kinder unter Geschwistern in der Familie heranwachsen können. Damit Kinder in Zukunft nicht als museale Ausstellungsstücke im Artenschutzgehege eingezäunt nur mehr von einer überalterten Gesellschaft beäugt werden. Familie ist der Ort, wo Leben weitergegeben wird. Eine kinderarme Gesellschaft ist eine sterbende, weil sie den dynamischen Lebensnerv verliert, das Zukunft ermöglicht. Zum Glück wird die Familie wieder als systemrelevant entdeckt. Familie ist der sinnstiftende Ort, für den es sich zu leben lohnt. Alles, was Familien füreinander tun, ist für die Gesellschaft getan.

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