Vor kurzem kam Theresia Bennets jüngstes Kind in einem Geburtshaus zur Welt. Im Gespräch mit der „Tagespost“ erzählt die junge Mutter unter einem Pseudonym von ihren Erfahrungen.
„Du kannst das aus deiner eigenen Kraft, du und dein Kind“, merkte sie bei ihrer ersten Geburt in einer Klinik, „und wenn ich in ein Krankenhaus fahre, wird das in Frage gestellt – denn in ein Krankenhaus gehe ich, um Unterstützung für alles zu erhalten, was ich nicht kann.“ Der Same eines leisen, inneren Zweifels wird in der Frau gesät und durch den Krankenhausbetrieb verstärkt, wenn etwa die Schwangere routinemäßig an ein CTG (Cardiotokografie) gelegt wird, das Wehen bestätigen soll, anstatt nach der Dauer und Intensität der Wehen oder dem Befinden zu fragen. Die ständigen Untersuchungen, wie weit der Muttermund geöffnet ist, fand die junge Mutter zum Teil unangenehm und nicht notwendig, denn auch hier könnte man eher auf die Frau hören, ist sie überzeugt.
Theresia Bennet erlebte neulich, wie sehr Informationen von außen vom Eigentlichen wegführen können: als sie schon unter Wehen einen Frauenarzttermin wahrnahm und gebeten wurde, am CTG angeschlossen, ihre Wehen zu beschreiben, schaute sie als erstes auf die Aufzeichnungen des Geräts. „Da musste ich über mich lachen, denn ich hatte doch schon stundenlang Wehen veratmet und die Schmerzen ausgehalten“, schmunzelt sie.
Ruhe und Intimität
Schon nach der ersten Geburt fanden Theresia Bennet und ihr Mann, es sollte mehr darum gehen, „dass jetzt ein Kind zur Welt kommt, ein Mensch, eine Person in Beziehung hinein geboren wird – und nicht, dass ein medizinischer Ablauf so sicher wie möglich abgewickelt wird.“ Es entspreche der Würde des Menschen, dass eine Mutter ihren Intuitionen folgen, ihrem Körper und sich selbst vertrauen und ihr Kind gesund zur Welt bringen könne, ohne von außen angeleitet werden zu müssen.
Durch die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen gut bekannt mit den Hebammen des Geburtshauses, die um ihre Stärken und Schwächen und die Vorlieben für die Geburt wussten, fühlte sich die junge Mutter viel freier. In das Geburtshaus mit seinen praktisch eingerichteten Räumen ging das Ehepaar gerne hinein. Das gedämpfte Licht im wohnlichen Geburtszimmer sorgte für Ruhe und Intimität. Vor allem tat Theresia Bennet der Zuspruch gut, den sie bei der Ankunft erfahren durfte. Wie bei den älteren Kindern waren die Wehen durch die Aufregung auf der Fahrt zunächst unregelmäßig, aber dieses Mal wurde die Schwangere nicht an ein Gerät angeschlossen, sondern ermutigt, dass sich das schon wieder einspielen würde – und so kam es denn auch.
Vertrauen in das Geburtshaus
Das Ehepaar schätzte besonders die ruhige Zeit mit seiner kleinen Tochter nach der Geburt. „Es wurde nicht gesprochen, und dann wurden wir wie gewünscht erst einmal alleine gelassen, um das Baby in Ruhe zu begrüßen. Das war wirklich etwas Besonderes!“ Nachdenklich merkt Theresia Bennet an, dass ihre Tochter während der gesamten Geburt normale Herztöne hatte und auch nach der Geburt ruhig und entspannt war, was bis jetzt anhalte. Ganz selbstverständlich konnte das Neugeborene nach seinem eigenen Rhythmus trinken. Sonst hatte es die junge Familie eher so erlebt, dass die Hebammen alles in ihrer Schicht abschließen wollten und einmal sogar das gerade erst angelegte Baby abnahmen, um es zu untersuchen.
Theresia Bennet lobt die gute Aufklärung durch die Hebammen, die ihr Sicherheit gab. In dem monatelangen Prozess der Vorbereitung auf die außerklinische Geburt wurden alle denkbaren Fälle durchgesprochen sowie sämtliche Untersuchungen an ihr und dem Kind transparent erklärt. Außerdem vertraute sie auf die festen Vorgaben der Geburtshäuser für die Annahme einer Schwangeren.
Die Großwetterlage blieb außen vor
In seiner Umgebung traf das Paar auf viel Verständnis für seinen Weg, auch im Hinblick auf die Einschränkungen durch die Pandemie. Die Krankenhäuser handhabten das durchaus unterschiedlich, wie Theresia Bennet von Freunden mitbekam. „Es gab alles: Geburten mit Maske und ohne Mann, Geburten ohne Maske und mit Mann, kulante oder eingeschränkte Besuchszeiten. Wir waren sehr froh, keine Unsicherheiten zu haben, wie es in neun Monaten sein würde.“ Durch den weitaus geringeren Kontakt zu anderen Menschen – im Geburtshaus traf das Paar nur auf zwei Hebammen – trat die Sorge vor einer Ansteckung mit Corona zurück. Die Großwetterlage blieb sozusagen außen vor, und der Fokus konnte ganz auf dem besonderen Moment des Lebensbeginns eines neuen Menschen liegen. „Das ist angemessen, wenn ein Kind zur Welt kommt, und so wünsche ich es mir auch für das Lebensende“, so Theresia Bennet.
Auf den Erfahrungen der ersten beiden Geburten beruhend, verfestigte sich im Lauf der Zeit die Entscheidung des Ehepaars für eine außerklinische Geburt. Der junge Vater durfte im Geburtshaus erleben, dass eine Geburt eine Sache der Familie ist. Schon vor der Geburt fand eine Arbeitsteilung statt, indem alle organisatorischen Fragen an ihn gingen. Wie vorher abgesprochen, wurde der Vater bei der Geburt eingebunden und war Teil des Ganzen. Im Krankenhaus dagegen erlebte er sich eher als ein Zuschauer. Im Geburtshaus würde aber auch darauf Rücksicht genommen, wenn ein Mann einfach dabei sein möchte, ohne allzu stark involviert zu sein, erklärt Theresia Bennet.
Experten für das Kind
Nach der Geburt im Geburtshaus war die junge Mutter viel fitter als sonst, da währenddessen gut darauf geachtet wurde, dass sie ausreichend aß und trank. Des Weiteren fühlt sie sich in ihrer Intuition gestärkt, was für die Elternrolle sehr wichtig sei. Als erfahrene Mutter weist Theresia Bennet auf die hohe Bedeutung der Intuition gerade im ersten Babyjahr hin, wo Eltern als „Experten für ihr Kind“ darauf vertrauen müssen, die richtigen Entscheidungen für ein Baby zu treffen, das sich noch nicht mit Worten ausdrücken kann.Auch mit der Nachsorge, bei der die Geschwister und der Vater eingebunden wurden, ist die junge Mutter sehr zufrieden. „Die Hebamme kennt unsere Tochter ja seit Minute eins, denn sie hat sie von Anfang an miterlebt.“
Auf die Frage, ob sie eine Geburt im Geburtshaus weiterempfehlen würde, antwortet Theresia Bennet: „Ja, unbedingt! Hier wird das Baby als Person willkommen geheißen – aber das ist eine individuelle Entscheidung, die wachsen können muss.“ Letztlich gehe es darum, ob eine Frau, wie oft bei Erstgebärenden, ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit habe oder ein schönes Geburtserlebnis wolle. „Eine Geburt im Geburtshaus ist tatsächlich ein komplett anderes Erlebnis, das Gefühl eines Schocks gab es überhaupt nicht. Insgesamt wird durch die Priorität der Sicherheit, des medizinisch einwandfreien Ablaufs oft vergessen, welch einschneidendes Wunder da passiert und dass man der Natur in physischer und psychischer Hinsicht wirklich vertrauen kann!“
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