Von Salzburg, wo ich lebe und viel Zeit mit den drei sehr nahe wohnenden Enkelkindern verbringen darf, war ich nach Wien gefahren, wo sechs weitere Enkelkinder auf mich warteten: Ich hörte sie schon die ganze Fahrt mit dem Aufzug hinauf in den 3. Stock „Omama“ rufen, sie quietschten vor Vergnügen. Mich erfüllte Freude und tiefe Dankbarkeit, ich fühlte mich einfach nur beschenkt. All mein anfänglicher Frust, dass ich für diesen Besuch bei der Familie auf eine von mir für mich und meine Projekte reservierte Zeit hatte verzichten müssen, war verflogen.
Aus dem so großen Gefühl der Liebe und des Beschenktseins, der Sinnhaftigkeit, entstand in mir zum erneuten Mal die tiefe Erfahrung: Unser ganzes Leben ist Geschenk von Gott – wir sind vor allem Empfangende. Wir verwirklichen uns selbst am meisten, wenn wir uns geben, wenn wir weitergeben, was wir geschenkt bekommen, denn: Wir sind dazu berufen, fruchtbar zu sein, Verantwortung für das Leben zu übernehmen.
„Was hast du uns mitgebracht?“ war die erste Frage, die eines der Enkelkinder zwar ein bisschen verschämt, aber gut hörbar formulierte. Ich erlaubte mir zu sagen: „mich“. Meine Enkelkinder sind Kinder unserer Zeit, hier im wohlhabenden Österreich, wo allzu viel und viel Unnützes angeboten, ja geradezu aufgedrängt wird. Damit müssen die Kinder fertigwerden, die Eltern, die Großeltern, wir alle.
Es gibt immer einen Grund, dankbar zu sein
Ich habe bewusst nichts mitgebracht und die Frage ist auch schnell vergessen. Wir haben eine wunderbare Zeit mit verschiedenen Spielen, das kleinste Enkelkind halte ich dabei beglückt auf meinem Arm. Wie schwer ist es, gerade in diesem Punkt zu widerstehen. So gerne möchte ich doch den Enkelkindern einen Gefallen tun, ja ihnen gefallen. Aber wie notwendig ist es, denn wir verlernen allzu leicht, die großen Geschenke zu sehen. Nicht die Großeltern sind die großen Geber, Gott ist es. Wir alle sind Empfangende und es gibt immer einen Grund, dankbar zu sein. Ich versuche, den Enkelkindern zu vermitteln, was für ein Geschenk sie für mich sind, wie einzigartig jedes ist. Und ich darf gerade bei ihnen erleben: Je mehr ich mich schenke, umso beschenkter bin ich selbst. Kinder und Enkelkinder sind die beste Schule der Liebe.
Nach meiner Ankunft gibt es schon bald die Gelegenheit zu erleben, wie ein Raum für lebensspendende Regeln, für die „Ordnung der Liebe“, für die Vision der Familie aussehen kann: das Abendessen. Im besten Fall haben die Kinder kleine Aufgaben rund ums Aufdecken und Herrichten übertragen bekommen und erfüllt. Alles liegt verlockend bereit – und schon will die erste kleine Hand das dickste Wurstblatt ergattern und in den Mund stopfen. Aber weder haben wir schon gebetet, noch haben die Eltern das Signal des gemeinsamen Anfangs gegeben.
Die Ordnung der Liebe ist nicht zu unterschätzen: Das Wichtigste ist der Dank an Gott, den größten Geber. Und: Es gibt genug für jeden: „Für dich ist gesorgt. Schau du, dass es den anderen auch gut geht.“ Es ist eine gute Vorbereitung auf das Leben zu lernen, auf etwas warten zu können. Denn wer warten kann, ist stark, frei, Herr über sich selbst, weiß das Gute viel mehr zu schätzen. Bitte und Danke sind wie ein Schmiermittel für die allgemeine Zufriedenheit, Dankbarkeit überhaupt die beste Haltung. Geben ist zudem seliger als Nehmen.
Zu große Sättigung ist ungesund
Gern erzähle ich am Tisch von Erlebnissen, bei denen das Befolgen eines göttlichen Gebotes für mein Leben Fruchtbarkeit und wahre Erfüllung gebracht hat. Unvermeidbar kommt schon die nächste Herausforderung: Irgendjemand kommt immer zu kurz – der Schinkenteller ist leer, bevor der Langsame sich überlegt hat, was es heute denn alles so gibt. Doch manchmal ist gerade das Erleben von Ungerechtigkeit, Frustration und momentanem Mangel ein Weg zu emotionaler Reife und Resilienz. Zu große Sättigung, egal womit, ist meiner Meinung nach ungesund.
Und ich merke immer wieder: Wenn ich standhaft etwas (Überflüssiges) nicht mitbringe, so sehr die liebsten Enkelkinder es sich auch wünschen – und nun toben – und dabei liebevoll bleibe, dann werden wir meist alle belohnt: Letztendlich kehrt Friede ein; als hätte ein noch ungestillter Wunsch eine Tür in eine andere Welt geöffnet. Wenn es auch gerade weh tat: Die Liebe bleibt, dieser Grund ist gelegt. Dies bereitet eine der wichtigsten Erfahrungen im Leben eines Menschen vor: Du allein, Herr, stillst mein tiefes Verlangen.
Je mehr Mitglieder aus dem weiteren Familienkreis versammelt sind – und Gäste sind oft ein großer Gewinn –, umso besser für die Kinder. Am meisten lernen sie durch Vorbilder, durch unser Zeugnis. Wie wichtig ist etwa der Großvater, das Familienoberhaupt, Richtungsweiser, Schutz und Schild gegenüber den Einflüssen von außen – wenn er seine Knie vor dem Herrn beugt, dann muss das wirklich einen starken Grund haben. Auch Großmutter betet. Ihr Gebetsdienst ist aber doch selbstverständlicher, versteckter und vielleicht auch Opfer für die muntere Schar.
Raum für Innerlichkeit schaffen
Gemeinsames Gebet und eine lebendige Liebesbeziehung zwischen Eltern oder Großeltern zeigen die himmlische Ordnung auf, die im Buch Tobit geschildert wird: Die Liebe zwischen Mann und Frau ist eingebettet in Gottesdienst, in dankbare Anerkennung und Einfügung in eine Schöpfungsordnung, Annahme einer Generationen- und Heilsgeschichte. Was für ein großes Geschenk, wenn Kinder so etwas zu Hause miterleben dürfen.
Die Zeit der Erwartung, der guten Hoffnung sozusagen, vor Weihnachten, kann entweder Hektik pur und Überforderung oder eben Zeit für diese wichtigen Erfahrungen sein. Schaffen wir Raum für Innerlichkeit, das Seelisch-Geistige: unsere Verbindung zu Gott, eine liebevolle Familienatmosphäre, das Bewusstsein des Beschenktseins, geistige Fruchtbarkeit durch Nächstenliebe und Fürsorge, das rechte Maß in allem – alles nicht so leicht in der lauten, raschen Welt. Aber gerade Großeltern haben vielleicht die Muße und Leidenschaft dafür. Meinen Enkelkindern das, was ich im Leben als das Wertvollste erachte, mitgeben zu dürfen, ist für mich wie ein neuer Frühling meines Glaubens.
Die Autorin hat neun Enkelkinder, ist Absolventin des Studienganges Theologie des Leibes in Heiligenkreuz und arbeitet seit ihrer Pensionierung als ehrenamtliche Mitarbeiterin bei Radio Maria Österreich.
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