Kirchbau

Wie ein Bayer in Osteuropa Kirchen baut

Entgegen aller Vernunft: Wie der bayerische Zimmermann Bernhard Thoma im Osten Europas Kirchen baut.
Bernhard Thoma, bayerische Zimmermann
Foto: Archiv | Handwerker mit Visionskraft: Bernhard Thoma.

Der bayrische Zimmermann Bernhard Thoma hat mit Gottvertrauen und handwerklichem Geschick zahlreiche Kirchen aus Holz in der Ex-Sowjetunion errichtet. Dies war möglich, weil er von einer Vision und dem Wunsch angetrieben wurde, Gottes Wirken sichtbar und erlebbar zu machen. Wie könnte dies konkreter geschehen als durch den Bau eines Gotteshauses?

Seine von ihm gegründete Initiative „Kirchen für den Osten e. V.“ hat seit 1994 über 30 Kirchen aus Holz in 15 Ländern, vorwiegend in den Ländern der ehemaligen Sowjetrepublik, errichtet. Die Geschichte dieses gemeinnützigen Hilfswerkes steht ganz offensichtlich unter dem Wirken Gottes. Begonnen hat alles mit dem Bau von hölzernen Nothäusern in Jugoslawien. Die Dorfbewohner selbst hatten ein Nothaus eigenständig zu einer Kapelle umfunktioniert, weil ihre eigene Kirche zerstört worden war. Auf diese Initiative wurde 1993 der Zimmermann Bernhard Thoma durch einen Vortrag von Hubert Liebherr, dem bekannten Baumaschinenfabrikant, aufmerksam.

Das Versprechen, sich für Gott zu engagieren

Im Jahr zuvor hatte der gläubige Katholik Thoma, ein gestandener bayerischer Zimmermann, Gott angeboten, dass dieser drei Jahre frei über seine Zeit verfügen könne. Aus diesem Versprechen, sich nach seiner Meisterschule in den Dienst des Herrn zu stellen, wurden dann letztendlich 30 Jahre. Thoma selbst hatte früher bei einer Wallfahrt nach Medjugorje eine tiefe Glaubenserfahrung gemacht und die Nähe Gottes erfahren. Aufgrund dieser Erfahrung wollte er sich in den Dienst Gottes stellen.

Nach der Errichtung der Nothäuser im Kriegsgebiet des ehemaligen Jugoslawiens, stellte der Erzbischof von Moskau, Thadäus Kondrusevic, die Anfrage, eine kleine Holzkirche für Russland zu bauen. Diese Bitte erreichten Bernhard Thoma, der darin den Anruf Gottes an sich erkannte, Gott seine Zeit und Arbeitskraft zu schenken.

Entgegen aller Vernunft, ohne auf die notwendigen Finanzmittel und Mitarbeiter zurückgreifen zu können, startete Thoma mit seinem Freund Hubert Liebherr das Projekt, in Rostov am Don/Russland eine Holzkirche für zerstreut lebende Katholiken zu bauen. Dabei kam es zu einer denkwürdigen Begegnung mit einer älteren Frau, die berichtete: „So viele Jahre haben wir für die Kirche gebetet, wir hatten all die Jahre keinen eigenen Pfarrer. Früher ist alle zwei bis drei Jahre einmal ein Priester gekommen. Die Heilige Messe musste unter Todesangst bei verdunkelten Fenstern spät in der Nacht gehalten werden. Wenn die Kommunisten uns erwischt hätten, wären wir alle in den ,Gulag‘ gekommen. Gott segne euch!“

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Sakrale Orte als Begegnungsstätten

Nach der Rückkehr aus Russland erhielt Hubert Liebherr einen Dankesbrief vom Moskauer Erzbischof mit der Bitte: „Ich möchte alle ermuntern, dieses Projekt fortzusetzen.“ Das war eigentlich nicht vorgesehen. Wie überall gibt es bei jeder Initiative Bedenkenträger. In diesem Fall war es Hubert Liebherr, der überall Schwierigkeiten witterte: Die Logistik, die Verhältnisse in Russland, der Zoll, die Korruption und die Kosten. Nach einem Gottesdienst aber gab Liebherr Gott das Versprechen, Kirchen für Russland zu bauen unter den Bedingungen, einen Projetleiter und eine Arbeitshalle zu finden sowie ausreichend Geld für das Projekt zu bekommen. Kurze Zeit später erreichte ihn tatsächlich ein anonymer Brief, dem 350 000 DM für ihr Projekt beigefügt waren. Das war das ersehnte Zeichen Gottes. Umgehend kündigte Thoma seine feste Arbeitsstelle, um sich als Projektleiter ganz dem Kirchenbau widmen zu können.

Die Berufung und der Auftrag der Initiative war und ist es, Kirchen zu bauen in Ländern, wo Kirchen durch einen atheistischen Staat enteignet, zerstört und verfallen waren. Trotz allem hat die Kirche im Untergrund überlebt, heimlich und unter Einsatz des Lebens der Gläubigen. Es ist für Thoma und seine Helfer bewegend zu erleben, dass Gott nicht tot ist und der Glaube den Kommunismus überlebt hat. Aus einer einmaligen Aktion, dem Bau einer Kapelle in Rostov am Don, entwickelte sich das Hilfswerk ,Kirchen für den Osten‘. Die Errichtung einer kleinen Kirche geschieht dabei immer im Auftrag des jeweiligen Ortsbischofs, wobei mit den großen Hilfswerken wie „Renovabis“, „Kirche in Not“ und dem „Bonifatiuswerk“ zusammengearbeitet wird. Bei dem Aufbau einer Pfarrei und der Verkündigung der frohen Botschaft ist es von entscheidender Bedeutung, einen sakralen Ort als Begegnungsstätte zu haben. Dies ist für viele Diasporapfarreien leider nicht selbstverständlich. Ferner unterstützt die Initiative Jugendliche in Ausbildungsprogrammen, wie etwa einer Ausbildungsschreinerei.

Die Initiative zieht weite Kreise

Im Laufe der Jahre engagierten sich über 500 ehrenamtliche Helfer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und über 4 000 Spender für den Kirchenbau. Das Konzept des von Thoma entwickelten modularen autarken Bauens hat sich in all den Jahren bewährt. Die Bauteile für die Kirchen werden in Deutschland vorgefertigt, auf Sattelschlepper verladen und zur Montage in das jeweilige Land gebracht. Dabei kann es zu unvorhergesehen und gefährlichen Situationen kommen. Das aber schreckt die Helfer freilich nicht, denn neben einer großen Portion Gottvertrauen haben sie einen wirkmächtigen Patron und Helfer: den hl. Josef, der auch Zimmermann war. Zudem kommt es immer wieder zu glaubensstärkenden Begegnungen mit den tiefgläubigen Menschen vor Ort. Inzwischen sind Kirchen in Russland, in der Ukraine, Rumänien, Kasachstan und sogar in Norwegen und Uganda errichtet worden.

Der eindrücklichen Aufforderung Jesu: „Gehet hin und verkündet das Evangelium“ (Markus 16, 15) kommt Bernhard Thoma mit seinem handwerklichen Engagement für den Kirchenbau eindrucksvoll nach. In einer Zeit, wo über Glauben häufig nur diskutiert und theoretisiert wird, nimmt ein Zimmermann den Anruf Gottes ernst und lebt seinen Glauben, indem er mithilfe seiner Hände Werk am Reich Gottes mitwirkt. Sein Lebenswerk zeigt, wie sehr Gottes Geist Menschen bewegen kann, wenn sie sich darauf einlassen.

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