Jedes Jahr am 12. Mai findet weltweit der Internationale Tag der Pflegenden statt. Der 12. Mai soll an den Geburtstag von Florence Nightingale (geboren 1820 in Florenz gestorben 1910 in London) erinnern, die als engagierte Christin zur Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege wurde. Heute ist es ein Gedenktag für die Millionen von pflegenden Menschen – unabhängig davon, ob sie nun professionell oder ehrenamtlich in Familien arbeiten. Der Tag der Pflegenden wird gerne mit Forderungen an die Politik nach einer Verbesserung der Pflegesituation verbunden.
Frank Schumann ist bei der Diakonie angestellt und leitet in Berlin-Kreuzberg die „Fachstelle für pflegende Angehörige“. Dort kümmern sich vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen um die Nöte und Sorgen von Familien, wenn sie mit dem Thema Pflege konfrontiert werden. Allein in der Hauptstadt sind über 140 000 Menschen von der Pflege betroffen die schätzungsweise von 220 000 pflegende Angehörigen betreut werden.
„Wir unterstützen pflegende Angehörige und navigieren sie. Wir sagen ihnen, an wen sie sich konkret wenden können, wenn sie ein Problem haben.“ Schumann und sein Team machen Angebote, „wenn es um Selbstvertretung, Entlastungsangebote oder Partizipation geht“. Er bringt pflegende Angehörige ins Gespräch mit der Politik oder Menschen aus der Verwaltung.
Eine Stimme in der Stadt
Wenn ein pflegender Angehöriger bei der Fachstelle anruft, wird er gut beraten: „Wir hören uns erst einmal die Sorgen an und suchen die richtigen Anlaufstellen, wo am besten weitergeholfen werden kann.“ Zudem bringt er pflegende Angehörige mit anderen zu pflegenden Angehörigen in Kontakt bei der Vermittlung von Selbsthilfegruppen oder Interessensvertretungen. „Wir versuchen das Empowerment der pflegenden Angehörigen zu fördern und ihnen eine Stimme in der Stadt zu geben.“
Zudem sitzt er im Redaktionsbeirat der sogenannten RAGA-Broschüre. Diese Fachinformation für pflegende Angehörige gibt einen Überblick über bestehende Angebote in Berlin. Sie enthält wichtige Adressen von Tagespflegeeinrichtungen bis hin zum zuständigen Betreuungsverein, mit Ansprechpartnern und Telefonnummern. Einige Angebote werden in dieser Publikation kurz vorgestellt, so dass die Leser sich ein erstes Bild machen können. Die RAGA-Broschüre liegt in Bürgerämtern und anderen Beratungsstellen kostenfrei aus. Man kann sie auch gegen einen frankierten Rückumschlag bei der Fachstelle für pflegende Angehörige anfordern oder im Internet herunterladen.
Grundsätzlich ist das Angebot der Fachstelle auf Berlin ausgerichtet. „Wir sind seitens der Senatsverwaltung für Pflege finanziert und haben einen berlinweiten Arbeitsauftrag.“ Es gab aber auch schon Kooperationen mit dem Land Brandenburg sowie zur Landeshauptstadt Potsdam. „Wenn sich Menschen aus Brandenburg an uns wenden, versuchen wir ihnen natürlich weiterzuhelfen.“
Coronapandemie für Pflegende eine Katastrophe
Welche Auswirkungen hatte die Coronapandemie auf seine Arbeit? „Das war ein ganz schwerer, heftiger Einschnitt für unsere Arbeit. Pflegende Angehörige, welche die Pflegebedürftigen in der Häuslichkeit versorgen sind elementar davon abhängig, dass persönliche Kontakte im Bereich Beratung sowie Begleitung nach Außen möglich sind.“ Er erfuhr von ganz vielen pflegenden Angehörigen, „dass sie noch viel stärker in die Isolation gekommen sind, als das ohnehin schon der Fall war. Pflegende Angehörige gehören zu den Menschen, die auf Grund der Vielfältigkeit ihrer Aufgaben ohnehin dazu tendieren, sich zu isolieren und soziale-private Kontakte eher reduzieren, weil sich vieles auf die Pflegeaufgabe fokussiert“. So konnten Pflegepflichtberatungen über ambulante Pflegedienste, Begutachtungen durch den medizinischen Dienst in dieser Zeit nicht stattfinden. „Das war eine große Katastrophe“, bringt es Frank Schumann auf den Punkt. Entlastungsangebote, persönliche Treffen in Selbsthilfegruppen oder Tagespflegeeinrichtung fielen oft komplett weg.
Digitale Angebote sind schwierig
Gab es via Internet keine online-Alternativen für Pflegeverantwortliche? „Wir haben versucht in Videokonferenzen unsere Austauschformate wiederzubeleben. Das Problem ist, dass man über diese digitalen Formate immer einen großen Teil der Pflegenden ausschließt. Das hat nicht unbedingt nur etwas mit dem Alter zu tun.“ Die größte Gruppe der pflegenden Angehörigen ist im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Es gibt auch viele junge Pflegende unter 20 Jahren, „die wären alle digital fit“. Aber man braucht Zeit und Finanzen. „Manchmal fehlt schlicht das Geld, um sich neue Geräte anzuschaffen, von einem schnellen Internetzugang einmal ganz abgesehen“, bilanziert Schumann.
Neben einem Landespflegebeauftragten hofft Schumann, „dass bei der trägerübergreifenden Arbeit Konkurrenzen abgebaut und mehr Kooperationen aufgebaut werden“. Schumann setzt auf die Beteiligung von pflegenden Angehörigen an politischen Prozessen und hat einige Hoffnungen in die Bundesregierung: „Laut dem Koalitionsvertrag ist eine Lohnersatzleistung geplant. Diskutiert wird das schon etliche Jahre.“ Diese Lohnersatzleistungen sollen pflegende Angehörige, die ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder sogar ganz aufgeben müssen, finanziell absichern „ähnlich wie beim Elterngeld“.
Und er hofft auf „die Einführung eines sogenannten Entlastungsbudgets für die häusliche Pflege. Wir haben viele Einzelbudgets: für die Kurzzeitpflege, für die Tagespflege oder die sogenannte Verhinderungspflege oder für Hilfsmittel. Wäre es nicht sinnvoll, diese Budgets zusammenzuführen und sie den häuslich Pflegenden flexibler zugänglich zu machen?“, fragt Frank Schumann.
Dankeschön an Angehörige
Schumann organisiert mit einem Team auch die „Woche der pflegenden Angehörigen“, deren zehnjähriges Jubiläum sich in diesem Jahr jährt. Eigentlich sind es Wochen für pflegende Angehörige, wie ein Blick ins Programmheft belegt. Bis zum Juli finden viele Veranstaltungen, von Fachvorträgen, Gesprächen mit Abgeordneten über einen interreligiösen Nachmittag in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bis zu kulturellen Events wie Poetry Slams, Kinoabende, Dampferfahrten, Tanznachmittage bei Kaffee und Kuchen oder geführten Spaziergängen und Fahrradtouren statt. „Alle Programmpunkte sind kostenfrei und sollen ein Dankeschön sein, für diejenigen, die zu Hause pflegen“, betont Schumann.
Ein Höhepunkt ist die Ehrengala im Roten Rathaus am 14. Mai. Hier werden unter anderem durch Franziska Giffey, der Regierenden Bürgermeisterin Berlins, Menschen mit dem „Berliner Pflegebär“, einer hochwertigen, handgearbeiteten Schmuckarbeit aus Silber und Titan mit einer Perle, ausgezeichnet. Dabei geht es darum zu zeigen, wie vielfältig die Pflege ist: ob als Jugendliche oder Erwachsene, die Ausgezeichneten im Alter zwischen 19 und 80 Jahren kümmern sich liebevoll und oft ehrenamtlich in Familien intensiv und vorbildlich um ihren Mitmenschen im besten Sinne christlicher Nächstenliebe.
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