Ermland

Frauenburger Mariendom: Kirchenbaukunst in Ostpreußen

Ein Besuch im Frauenburger Mariendom, der als das bedeutendste Werk der Kirchenbaukunst in Ostpreußen gilt.
Frauenburger Mariendom in der polnischen Stadt Frombork Frauenburg
Foto: imago stock&people via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Der Frauenburger Dom auf dem Dom-Hügel im Dombezirk der polnischen Stadt Frombork Frauenburg und dem Blick auf das Frische Haff.

Weil er ein gutes Trinkgeld gegeben und erzählt hat, dass er im Dom gefirmt worden sei, kommt der Wirt vom direkt am Frischen Haff gelegenen Fisch-Restaurant in Frauenburg (pl. Frombork) noch einmal zum Gast zurück. Mit den Worten „aber nicht damit einkaufen“ überreicht er eine neue 5 Złoty Münze. Sie ist gut einen Euro wert und damit ein Geldstück, das sich seit etwa drei Jahren in fast jedem polnischen Portemonnaie befindet. Warum verschenkt es der Wirt gerade in Frauenburg? Mit der Umschrift „ZABYTKI FROMBORKA“ (Denkmäler Frombork) und dem Blick auf die „Goldprägung“ löst sich das Rätsel schnell. Zu sehen ist der Frauenburger Mariendom, der das kleine deutsche Städtchen Frauenburg und heute polnische Frombork mit seinen rund 3 500 Einwohnern überragt. Der Dom gilt als das bedeutendste Werk der Kirchenbaukunst in Ostpreußen.

Der Vorläufer des zwischen 1329 bis 1388 aus roten Backsteinen gebauten Doms wurde zunächst dem Diözesanpatron des Ermlandes (Warmia), dem heiligen Andreas, geweiht, der Marienaltar vor dem im Mittelalter das Domkapitel seine Sitzungen abhielt aber wurde bald wichtiger. So konnte die ostpreußische Dichterin Agnes Miegel ihre Frauenburg gewidmeten Verse beginnen: „Ich blick‘ vom hohen Uferberg weit übers Frische Haff hinaus, unserer Lieben Frauen Burg – im ganzen Land ihr schönstes Haus!“

Es hat sich seine Anziehungskraft erhalten. Neben vielen deutschen und polnischen Wallfahrern kommen zu manchen Zeiten so viele Touristen, dass mit den Führungen fast im Stunden-Rhythmus bis zu 20-minütige Orgelkonzerte angeboten werden. Wie bei allen Bauten dieser Größe ist ständig etwas zu reparieren. Kaum ist das Gerüst draußen abgebaut, steht es wieder im Inneren. Mit den zwar nicht geringen Eintrittsgebühren allein aber lassen sich die Ausbesserungen nicht finanzieren, und Kirchensteuern gibt es in Polen nicht. Doch die Parkplätze vor und auf dem 22 Meter hohen Domberg sind gut besetzt.

Das Grab von Nikolaus Kopernikus

Wer nicht nur aus religiösen Gründen kommt, besucht zuerst das Grab des in der ganzen Welt bekannten Astronomen Nikolaus Kopernikus (1473-1543) Ob es den Polen gelang, seine letzte Ruhestätte zu identifizieren? Zu deutscher Zeit wusste man, dass der Domherr Kopernikus, der vierzig Jahre im Ermland gelebt hat, auf der rechten Seite der Kathedrale beerdigt wurde. Als man bei Restaurierungsarbeiten im Jahre 2005 ganz tief 13 Gräber entdeckte, glaubte man, mit neuesten Forschungsmethoden die Identität der Knochen mit dem Gelehrten belegen zu können. Im 17. Jahrhundert hatten die Schweden bei ihren Eroberungszügen 41 – andere behaupten 22 – persönliche Bücher von Kopernikus mit nach Uppsala genommen. Dort wurden sie nun Seite für Seite durchgesehen und tatsächlich fand man einige Haare. Die Genanalyse schien im Jahre 2008 zu bestätigen, dass eins zu den entdeckten Gebeinen passte. Eine Jahrhunderte währende Suche schien von Erfolg gekrönt. Neuerdings zweifelt der polnische Historiker Henryk Rietz diese Darstellung an. („Das Grab von Nikolaus Kopernikus im Dom zu Frauenburg“, Preußenland, Jahrbuch 8, 2017, S. 83-129).

Kopernikus, der unter dem ermländischen Sternenhimmel in Frauenburg herausgefunden hatte, dass nicht die Sonne, sondern die Erde sich bewegt und um die Sonne kreist, erhielt jedenfalls zunächst vier würdige Grabmäler oder Gedenkstätten. Bei der heutigen im Dom bildet schwarzer Marmor die Umfassung für eine Glasplatte, durch die man einen Blick in die Tiefe auf wenige Gebeine werfen kann. Auf dem Frauenburger Marktplatz begegnet einem Kopernikus als Statue. Sie zeigt einen eleganten Wissenschaftler mit Schriften auf seinem Schoß. Auf der dazugehörigen Gedenktafel steht ein Auszug aus seinem wichtigsten Werk „De revolutionibus orbium coelestium“.

Der Blick vom Kopernikusturm

Wissenschaft klang damals noch poetisch: „Unter den vielen verschiedenen Studien der Wissenschaften und Künste, durch welche sich der Menschengeist entwickelt, halte ich diejenigen vorzüglich für wert, ergriffen und mit dem höchsten Eifer betrieben zu werden, welche sich mit den schönsten und wissenswürdigsten Gegenständen beschäftigen. Was aber ist schöner als der Himmel, der ja alles Schöne enthält.“ Sein Buch war gerade frisch gedruckt und wurde ihm aufs Sterbebett gelegt.

Wer den Blick vom Kopernikusturm auf Haff und Umland – an hellen Tagen bis Königsberg (Kaliningrad) – genießt, kann kaum nachvollziehen, warum Kopernikus sich am „entlegensten Winkel der Welt“ wähnte. Er muss sich dennoch wohlgefühlt haben, denn er blieb im Ermland 40 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1543.

Rechts vor dem Hochaltar mit dem berühmten Marienbild steht mehr als lebensgroß die etwas unförmige Figur von Kardinal Hosius (1504-1579), der als Fürstbischof vom Ermland von 1551 sieben Jahre lang die Gegenreformation durchführte und mit dafür sorgte, dass das Ermland – es gehörte nicht zum Deutschordensstaat – im Gegensatz zum übrigen Ostpreußen katholisch blieb.

Zerstört und wieder aufgebaut

Bei den Kämpfen 1945 wurde Frauenburg zu 80 Prozent zerstört. Heute sieht man davon so gut wie nichts mehr. In Berichten wird ausdrücklich erwähnt, dass Pfadfinder beim Wiederaufbau geholfen haben. Auch der Dom wurde bis 1966 wieder hergestellt und dann von Papst Paul VI. zur Basilica minor erhoben. Seit 1945 ist Allenstein (Olsztyn) Bischofssitze und Zentrale des Bistums Ermland (Warmia). St. Jacobus ist die Kathedrale. Frauenburg verbindet mit ihr, dass sich in beiden Gotteshäusern eine Büste des letzten deutschen Bischofs Maximilian Kaller (1880-1947) befindet.

Wieder errichtet wurde auch das bischöfliche Palais, in dem die ermländischen Bischöfe von 1838 bis 1945 wohnten. Es beherbergt heute das Kopernikus-Museum. Es fehlt ein Hinweis, dass der letzte deutsche Bischof Maximilian Kaller dort im Januar/Februar 1945 bis zu dreihundert Flüchtlinge aufgenommen hat. Selbst die Kapelle war überfüllt. Die SS brachte den Bischof am 7. Februar 1945 mit gezogener Pistole gegen seinen Willen durch das brennende Braunsberg nach Danzig. Kaller hatte vorher erklärt, sein Bistum nicht verlassen zu wollen und so lange ihr Bischof da war, wollten viele nicht flüchten. Die heutigen polnischen Bischöfe haben angeboten, den 1947 in Königstein/Taunus beerdigten Kaller in die Bischofsgruft von Frauenburg zu überführen. Ob es je dazu kommt, ist offen.

Mit dem Handwägelchen zurück ins Bistum

Von den 370 ermländischen Priestern ist ein Drittel umgekommen, darunter bis auf zwei das gesamte Domkapitel. Jeder fünfte Ostpreuße hat 1945 sein Leben verloren – jeder dritte Katholik.

Bischof Kaller war im August 1945 mehr oder weniger zu Fuß mit einem Handwägelchen von Halle aus in sein Bistum zurückgekehrt. Nach Frauenburg gelangte er nicht, die Straßen waren versperrt und die Schienen der Haffuferbahn herausgerissen. Er kam bis Allenstein, in Pelplin veranlasste ihn der polnische Primas Hlond am 19. August 1945, widerrechtlich unter Berufung auf Rom auf die Leitung seines Bistums zu verzichten. Die polnische Regierung wies ihn aus. Pius XII. äußerte wenige Monate später zu einem deutschen Besucher: „Das habe ich nicht gewollt“. Der Entschuldigungsbrief von Hlond an den Papst liegt vor.

Heute werden in Frauenburg die kirchlichen Beziehungen zwischen der deutschen und der polnischen Kirche besonders gepflegt.

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