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Einst global player im Weltsklavenhandel

Das Sultanat Oman, Anhänger der ibaditischen Rechtsschule des Islam, die weder schiitisch noch sunnitisch ist, betreibt seit Jahrzehnten eine Vermittlungsdiplomatie in der Region.
May 29, 2023, Tehran, Tehran, Iran: Iran s President EBRAHIM RAISI (R) and Sultan of Oman, HAITHAM BIN TARIQ, (L) attend
Foto: Foto: | Der iranische Präsident Ebrahim Raisi (r.) und der Sultan von Oman, Haitham Bin Tariq (l.), nehmen gemeinsam mit ihren Delegationen an einem Treffen teil.

Lange Zeit stand das Sultanat Oman am Arabischen Golf im Schatten der viel reicheren Nachbar-Ölemirate VAE und Qatar. Aber schon lange vor diesen Ölemiraten hatte das Sultanat Oman im weltweiten Sklavenhandel eine herausragende Rolle als Handelsnation. Diese jahrhundertealte Erfahrung im Handel versucht das Sultanat sich auch heute wieder zunutze zu machen. Vor drei Jahren hat zwar das Gesicht der Macht, mit dem Tod von Sultan Qaboos Ben Said, der während seiner fünfzigjährigen Herrschaft als Bindeglied zwischen der persischen, arabischen und westlichen Welt fungierte, gewechselt. Aber der derzeitige Sultan von Maskat, Haitham Ben Tareq Al Said, der seit 2020 im Amt ist, spielt die Rolle des Vermittlers in nahöstlichen Krisen weiter.

Der Oman fädelte einst den Atomdeal zwischen dem Westen und Iran ein. In einer sich neu formierenden Region, die durch die im März in Peking besiegelte Annäherung zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran wieder neue Bedeutung erlangt, agiert das Sultanat, das das Vertrauen von Sunniten und Schiiten genießt, weiter als Vermittler, um hinter den Kulissen die Spannungen abzubauen. Das derzeit wichtigste Thema, in das die Golf-Monarchie involviert ist, ist das iranische Atomprogramm. Oman unterstützt die Bemühungen Teherans und Washingtons, eine Art „Mini-Vereinbarung“ auszuarbeiten.

1996 war der Oman das erste Land auf der arabischen Halbinsel, das einen israelischen Premierminister empfing. Maskat setzt auch seine Vermittlungsmission im jemenitischen Konflikt fort, einem Bürgerkrieg, der derzeit eingefroren ist, aber ohne einen formellen Waffenstillstand jederzeit wieder ausbrechen kann. Aus dem Krieg der übrigen Golfstaaten gegen die schiitischen Houthis im Jemen hatte sich der Oman herausgehalten, obwohl das Land Mitglied im Golfkooperationsrat ist. Mediation liegt in der diplomatischen DNA Omans. Das Land, dessen Glaubensrichtung die ibaditische Rechtsschule des Islam ist, ein ultraminoritärer Zweig des Islam, hat es verstanden, sich aus dem sunnitisch-schiitischen Schisma herauszuhalten, das seit der Entstehung des Islam diesen immer wieder bedroht hat und auch heute die Wurzel der größten Konflikte in der islamischen Welt ist. Drei Prozent der omanischen Bevölkerung, mehr als 80 000 Menschen, sind Christen. Es gibt christliche Schulen und 21 katholische Gemeinden. Die meisten Bauplätze für die zahlreichen Kirchen im Lande hat die Sultansfamilie selbst aus ihrem Privatbesitz gestiftet. In Saudi-Arabien sind Kirchen, trotz zaghafter Öffnung, immer noch verboten. In Oman ist dagegen religiöser Fanatismus verboten, der in Saudi-Arabien nach wie vor die seltsamsten Blüten treibt.

Oman war bereits im 17. Jahrhundert Kolonialmacht

Die Bevölkerung Omans besteht mehrheitlich aus rechtlosen Ausländern, die meisten stammen aus Asien und Afrika. Genau dort hatte das Sultanat Oman, das bereits im 8. Jahrhundert zu den ersten arabischen Seefahrernationen gehörte, die den Islam bis nach China und Indonesien brachte, seit dem 17. Jahrhundert ein eigenes kleines Kolonialreich aufgebaut. Anders jedoch als heute die Saudis, die ihren wahhabitisch-salafistischen Islam in alle Welt exportieren, haben die Omanis ihren eher toleranten ibaditischen Islam nie in andere Länder zu exportieren versucht. Nur die Nachkommen der omanischen Händler in Ostafrika und Indien sind der ibaditischen Glaubensrichtung auch in der Fremde treu geblieben.

Die Küsten Ostafrikas waren seit dem 16. Jahrhundert zunächst eine Domäne der Portugiesen auf ihrem Seeweg nach Indien. Sie eroberten 1507 Maskat, die Hauptstadt des Oman. 1624 vertrieben die Omanis die Portugiesen und wurden schnell selbst zur bedeutendsten Seemacht im Indischen Ozean. Seit dem 17. Jahrhundert wurde Ostafrika die Domäne arabischer Plantagenbesitzer und Sklavenhändler aus dem Sultanats Oman, welches im 19. Jahrhundert durch das britische Sklavereiverbot in Westafrika zum weltweiten Zentrum dieses Handels wurde. Die koloniale europäische Inbesitznahme weiter Teile Ostafrikas bedrohte den Sklavenhandel des Sultanats Oman und seines Vasallen in Sansibar, wohin seit 1840, wegen des lukrativen Handels mit afrikanischen Sklaven, der Sultan von Oman seinen Sitz und damit den Schwerpunkt seines Reiches verlegt hatte. Das heutige Oman war so gesehen einst eine afrikanische Kolonie in Asien. Ein Großteil der Bevölkerung des Landes, einschließlich des Herrscherhauses, hat deshalb einen afrikanischen Einschlag. Seit 1861 war es infolge von internen Streitereien im Sultanat zur Abspaltung des Sultanates Sansibar gekommen. Dieses geriet unter starken britischen Einfluss und musste deshalb 1873 offiziell den Sklavenhandel verbieten.

1885 stellte das Deutsche Reich, noch während der internationalen Kongo-Konferenz in Berlin, Ostafrika als Schutzgebiet unter seine Kontrolle. Die arabischen Sklavenhändler des Sultanates Oman machten zwar zunächst auch mit den Deutschen gute Geschäfte, verlagerten ihre Stützpunkte jedoch immer mehr ins Landesinnere Ostafrikas; dort wehrten sie sich ab 1886 gegen die Deutschen. Der britische Konsul von Sansibar ermutigte sie dazu. Im Jahre 1888 übernahmen die Araber die Macht in Buganda (heute Uganda), dann rebellierten die arabischen Warlords Tippu Tib (Hamed ben Mohammed el-Murjebi) und Rumaliza (Muhammad bin Khalfan bin Khamis al-Barwani Rumaliza) und errichteten ihre Reiche beidseitig des Tanganjika Sees.

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Von Afrikanern kaum zu unterscheiden

Jetzt traten die Weißen Väter und ihr Gründer Kardinal Lavigerie von Algier in Erscheinung, die schon seit 1875 erste Niederlassungen in Ostafrika hatten. Kardinal Lavigerie forderte seit 1880 die Abschaffung der Sklaverei. Diese Forderung machte sich 1888 auch Reichskanzler Bismarck zu eigen, trotz Kulturkampfs, und ließ den Omani-Aufstand als Antisklaverei-Aktion in Ostafrika gewaltsam niederschlagen.

Anders als die europäischen Kolonisatoren des 19. Jahrhunderts hatten sich die arabischen Kolonisatoren des 17. Jahrhunderts, bei denen es sich ausschließlich um Männer handelte, von Anfang an mit der unterworfenen afrikanischen Bevölkerung vermischt. Bei Ankunft der Deutschen im 19. Jahrhundert waren die Araber in Ostafrika kaum noch von den Afrikanern zu unterscheiden. Sie hatten, wie Tippu Tib oder Rumaliza, auch afrikanisch klingende Namen angenommen und sprachen eine arabisch-afrikanische Mischsprache: das Suaheli, das seltsamerweise erst von den Deutschen zu einer eigenen Sprache, die in Deutsch-Ostafrika auch Amtssprache wurde, weiterentwickelt wurde. Sansibar wurde zwar wie Oman seit 1891, im Tausch gegen Helgoland, zum britischen Protektorat, aber die Omani-Araber bildeten dort weiter die Oberschicht. Erst 1964, zwei Jahre nach der Unabhängigkeit Tansanias, kam es in Sansibar zum Aufstand der Afrikaner gegen die arabischstämmige Oberschicht der Insel. Es war die Revanche für 300 Jahre Sklavenhandel. Zwischen 5 000 und 10 000 arabischstämmige Sansibaris wurden ermordet, der Rest flüchtete in das Golfsultanat. Die afrikanische Kolonialzeit des Sultanats Oman in Ostafrika war, zwei Jahre nach der britischen, zu Ende gegangen.

Der Sklavenhandel von Ostafrika ging vorwiegend nach Indien. Dort hatten die Omanis als Absatzhafen für die Sklaventransporte 1783 die Hafenstadt Gwadar im heutigen Pakistan als Kolonie erworben. Sultan ibn Ahmad von der omanischen Said-Dynastie musste nach einem Thronstreit mit seinem Bruder aus Maskat fliehen und fand in Gwadar Schutz. Die Said Dynastie eroberte die Hauptstadt Maskat zurück, behielt die Kontrolle über Gwadar und beherrscht Oman bis heute. Von Gwadar aus eroberten Omanis auch die im heutigen Iran gelegene Küstenstadt Tschahbahar als Stützpunkt für den Sklavenhandel. In beiden Gebieten – im Iran und in Pakistan – besteht die Mehrheit der Bevölkerung heute aus Afroiranern und Afropakistanern, mit sehr eingeschränkten Rechten.

Das Ende des Kolonialreiches von Oman

Gwadar blieb noch Teil des Oman, als das umliegende Gebiet als Pakistan 1947 die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich erhielt. Erst am 8. September 1958 übergab der Oman für drei Millionen Pfund, die der pakistanische Milliardär Aga Kahn aus seiner Privatschatulle zahlte, Gwadar an Pakistan. Das war das Ende des Kolonialreiches von Oman, das sich über zwei Kontinente erstreckte und einer der global player im Weltsklavenhandel war. 1971 verließen auch die Briten ihr Protektorat am arabischen Golf und entließen es in die Unabhängigkeit.

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