Am Dienstag war der 6. Dezember – Nikolaus. Das heißt: Am Montag war – wenn ich es richtig kalkuliere – der Vorabend des Nikolaustags. Nikolausabend. „Heut ist Nihikolausabend da“. Etwas Bedrohliches lag in dieser schief gesungenen Feststellung.
Abend der Abrechnung
Denn: Nikolausabend, das hieß in meiner Kindheit: Abend der Abrechnung. Ganz ehrlich – ich hatte Angst. Vor dem Nikolaus. Wenn er dann kam, am Vorabend seines Ehrentages. Also, eigentlich schon am Nachmittag, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, denn zur „Tagesschau“ wollte er wieder zu Hause sein, der Nikolaus. Ja, ich hatte Angst vor dem Nikolaus. Wegen seiner bedrohlichen Erscheinung als übergroßer Mann mit mächtiger Mitra und langem, weißem Rauschebart. Und wegen seiner Funktion als unumstrittene moralpädagogische Institution.
Unangenehme Fragen
Er hat einem immer sehr unangenehme Fragen gestellt. „Na, warst Du auch schön brav?“ Oder – gegen Aufpreis: „War die Maxime Deines Handelns jederzeit so, dass Du wollen kannst, sie werde zur Grundlage eines allgemeinen Gesetzes?“ Noch heute durchfährt mich ein Schauer.
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