Sahara

Das Kreuz von Agadez

Am Anfang hatte Christina Helena Poetsch einen Traum: Sie wollte die Sahara sehen. Inzwischen bietet sie den Silberschmuck der Tuareg zum Verkauf an.
Die Grosse Moschee von Agadez
Foto: Bettina Ruehl/Imago Images | Die Große Moschee von Agadez im Niger. Die Große Moschee und das historische Zentrum von Agadez sind seit 23. Juni 2013 als UNESCO-Welterbe.

Sehr vielen großen Projekten ist eines gemeinsam: Am Anfang steht ein Traum. Bei Christina Helena Poetsch war das Traumziel die Sahara. Vom Wunsch, die Sahara zu sehen bis zum fairen Handel mit dem einzigartigen Silberschmuck der Tuareg war es ein respektables Abenteuer. Was einmal als romantischer Traum begonnen hat, ist am Ende ein sehr handfestes und konkretes Unternehmen.

Der Besuch in der Sahara führte zu stabilen Kontakten zu den Tuareg. Die Geschichte klingt ein bisschen, wie ein zeitgemäßes Update der Erzählungen von Karl May. Es begann mit einem Praktikum in Afrika, genauer gesagt einem Sozialprojekt in Burkina Faso. „Dort habe ich bei Ordensfrauen gearbeitet“, berichtet die junge Frau. Eines Tages seien einheimische Patres zu Besuch gewesen, fährt sie fort. Sie berichtete den Patres von ihrem Wunsch, die Sahara zu sehen. Ein Priester aus dem Niger, der damalige Provinzial der Redemptoristen in Afrika, war bereit, ihr die Wege zu ebnen. In Agadez im Niger gibt es eine von Redemptoristen betriebene katholische Mission. Dorthin geht der nächste Weg. „Wir sind eine Straße nach Norden gefahren“, erzählt Christina Poetsch, „die wir nicht als Straße erkennen konnten und kamen in Agadez im Niger an. Das liegt am südlichen Ende der Sahara.“

Die Unterstützung der Priester war unverzichtbar

Trotz der Begleitung war Vorsicht geboten. Junge Frauen aus Deutschland sind begehrte Entführungsopfer. „Drei Tage hat man Zeit“, erklärt Christina Poetsch im Gespräch erstaunlich gelassen, „falls man seine Entführer rechtzeitig entdeckt.“ Die Priester warnten sie eindringlich davor, zu verraten, wo sie wohne und wie lange sie bleiben wolle. Bei ihr ging es gut, sie war rechtzeitig weg und entkam allen, die sie belauerten. Am Ende stand die junge Frau tatsächlich in Agadez im Niger, dem Tor zur Sahara. Der Niger war eines der wenigen Länder südlich der Sahara, das touristisch erschlossen war. Agadez war ein Touristenziel mit wöchentlichen Direktverbindungen von Europa zum Mano-Dayak-Flughafen. Moschee und Altstadt von Agadez sind UNESCO – Weltkulturerbe.

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Inzwischen ist Agadez Durchgangsbereich für Flüchtlinge nach Norden, die von hier aus durch die Sahara geschleust werden. „Jeder Schwarzafrikaner, der nach Europa will, fährt durch Agadez“, weiß die junge Frau zu berichten. Die Priester führten die junge Frau gemeinsam mit einheimischen Tuareg über den Markt und durch die Moschee. Nach dem letzten Aufstand der Tuareg kam Al Quaida in den Niger. Die Sicherheitslage ist prekär. „Wo früher Mittelklassetouristen die transzendente Mystik der Sahara erlebten“, berichtet Christina Poetsch, „und so den Wüstenbewohnern ihren Lebensstandard sicherten, liegen heute Minen aus vergangenen Schlachten.“ Ohne einheimische Führer kann man sich dort gar nicht bewegen. Vorher verdienten die einheimischen Tuareg ihr Geld mit Tourismus und Kunsthandwerk. Heute herrscht hier Armut und Kriminalität. Niger, Mali und Libyen seien unregierbar geworden, damit könne in der Sahara der Terror und das Verbrechen regieren, berichtet Poetsch.

Das Tor zur Sahara

Für Christina Poetsch öffnete sich in Agadez das Tor zur Sahara. Die junge Frau lernte die einmalige Kultur der Tuareg kennen und schätzen. Ein Teil lebt sesshaft in Agadez. Andere ziehen als Halbnomaden durch die Wüste. Poetsch sah sich mit einer Kultur konfrontiert, die vom Islam geprägt ist, aber den Frauen eine hohe Stellung zuweist. Den Frauen gehören das Zelt und die Kinder. Die Frauen sind die Hüterinnen der Geschichten des Volkes und der Schrift. Die Tuareg verfügen über eine eigene Sprache und eine eigene Schrift. In Agadez lernte Christina Poetsch zudem das beeindruckende Kunsthandwerk der Silberschmiede kennen. Männer und Frauen bei den Tuareg tragen Schmuck. Die Handwerkstechniken sind alt und hoch entwickelt. Sozial haben die Tuareg eine strenge Unterteilung. Den Schmieden, so weiß die junge Frau zu berichten, werden sogar so etwas wie magische Kräfte nachgesagt, weil sie auch Amulette herstellen. Das Kreuz von Agadez ist nicht nur das Symbol der Tuareg-Stadt Agadez. Es wird vor allem als Silberschmuck getragen.

Kreuzzeichen  der muslimischen Tuareg

Obwohl sie Muslime sind, haben Tuareg regional ein Kreuz als Zeichen. Die Herkunft und Bedeutung dieser Zeichen ist unbekannt und taugt als Quelle für reichlich Spekulationen. Einige Theorien gehen davon aus, dass die Tuareg früher Christen waren. Andere leiten das Zeichen aus der ägyptischen Herkunft der Tuareg her. Die ägyptische Herkunft der Tuareg ist durch archäologische Funde belegt. Leider können die Ausgrabungen im Air-Gebirge unweit von Agadez, wo eine Grabkammer gefunden wurde, wegen der Sicherheitslage nicht fortgesetzt werden. Dort waren in einer Grabkammer im Jahr 1961 neben altägyptischen Gegenständen auch antike Tuareg-Schmuckstücke gefunden worden.

Nach ihrer Rückkehr wächst bei Christina Poetsch der Wunsch, den Tuareg zu helfen. Im Niger herrschen Armut, Terror und nicht zuletzt Schleuserkriminalität. Die geknüpften Kontakte zur katholischen Mission und zu den Tuareg bleiben erhalten. Bei weiteren gegenseitigen Besuchen nimmt ein Plan konkrete Gestalt an, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Über ihren Kontakt zur katholischen Mission in Agadez und der von dieser gemeinsam mit örtlichen Handwerkern und Händlern betriebenen Kooperative „Service Artisanat D'Agadez“ importiert sie Silberschmuck der Tuareg nach Deutschland.

Zertifizierte Ware

Diesen faszinierenden Schmuck vertreibt sie in einem Portal im Internet, wo sie zudem reichlich Informationen über die Tuareg, die Sahara und das Kreuz von Agadez bereitstellt und über ihre Reisen berichtet. Kriminalität und Korruption in der Region sind beachtlich.

„Für die Verhältnisse in Westafrika ist es darum fast einzigartig“, betont Poetsch, „dass für den Schmuck sogar Rechnungen erstellt werden. Ferner wird die Ware vor dem Export von der nigrischen Handelskammer zertifiziert.“ So ist die Authentizität der Ware sichergestellt. Von der Schönheit des Silberschmucks kann man sich auf der Internetseite www.kreuz-agadez.de überzeugen. Die Wirklichkeit, die dem anfänglichen Traum, einmal die Sahara zu sehen, entwachsen ist, sind elegante kleine Päckchen. Darin liegt in einem Polster der beeindruckende Silberschmuck der Tuareg.

Diese Päckchen verschickt die junge Unternehmerin nun an ihre Kunden und bringt so ein Stück Sahara und Tuareg- Kultur nach Deutschland. Jeder Tuareg, der legal Geld verdient, muss nicht kriminell werden, ist das Fazit von Christina Poetsch, die auch selber gerne den Silberschmuck aus Agadez trägt.

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