Sabbat

Bedeutung des Sabbats im Judentum

Manchmal können einen unterlassene Tätigkeiten entlasten: Zur Bedeutung des Sabbats im Judentum.
Ultraorthodoxen Juden halten sich penibel an den Sabbat
Foto: Foto: | Alles hat seine Zeit: Vor allem die ultraorthodoxen Juden halten sich penibel an den Sabbat, wie auch an andere religiöse Vorschriften.Johannes Zang

Da saßen die frommen jüdischen Familien schwitzend und leidend – sie hatten vergessen, vor Sabbatbeginn die Klimaanlage im Speisesaal einzuschalten. Nun war das verboten. Einer schlug vor, den deutschen Freiwilligen Jochanan zu holen. Der, als Goi, Nichtjude, dürfte doch den Schalter betätigen. Gedacht, gesagt, getan. Alle atmeten auf in der jüdischen Field School Ma´ale Efraim, einer Naturschule mit Gästehaus und sahen dem restlichen Sommertag erleichtert entgegen.

Strom ist am Sabbat tabu

Das alttestamentliche Lichtanzündverbot heißt ins Hier und Heute übertragen: Strom ist am Sabbat tabu, weder Telefonieren noch Fernsehen sind erlaubt, Computernutzung und Autofahren sind auch verboten. Für Lea Fleischmann ist das alles keine Einschränkung, im Gegenteil: Für sie sind die 39 Verbote Entlastung. Vor allem, dass sie sich einen Tag von den Medien „abschaltet“, genießt sie. „Wir leben in einer Zeit, in der wir keine Ruhe mehr kennen. Das macht die Menschen krank“, erklärt die Lehrerin, die 1979 nach Israel auswanderte. Säkular in Deutschland aufgewachsen, wurde die Autorin von Dies ist nicht mein Land und Heiliges Essen erst in Israel religiös. So suchte sich die in Ulm geborene Jüdin eine Synagogengemeinde, die sie zu Fuß erreichen konnte. Doch auch da müssen fromme Juden aufpassen: Mehr als 900 Schritte sind von Freitag- bis Samstagabend nicht erlaubt.

Insgesamt 39 Arten von Arbeit sind am heiligen Ruhetag, dem Sabbat (hebr. Schabbat, jidd. Schabbes) zu unterlassen und der beginnt schon am Freitagabend, „wenn man einen grauen Wollfaden nicht mehr von einem blauen unterscheiden kann“. Gemeinhin gilt: ab Sonnenuntergang, streng genommen sogar 18 Minuten davor, markiert durch das Kerzenanzünden, das in der Regel Mutter und Töchter übernehmen.

Das Reißen von Toilettenpapier ist verboten

Unter die Sabbatverbote fallen etwa das Klopfen von Wolle, zwei Schleifen machen, einen Knoten binden oder lösen, zwei Stiche nähen oder das Jagen einer Gazelle. Wie im ARD-Film „Echtes Leben. 123 Jung, jüdisch, weiblich“ zu sehen, bereiten fromme Juden vor Sabbatbeginn sogar das Toilettenpapier vor: Denn Reißen ist am Ruhetag auch nicht gestattet. Am Schabbat (hebr. Ruhe), dem heiligen siebten Tag der Woche, soll man sich von den Alltagsmühen ab- und Gott zuwenden, sich der Fortbildung und dem Familienleben widmen.

Ein deutscher Reiseleiter berichtete dieser Zeitung, dass er einmal an einem Samstag unweit der Klagemauer etwas notieren wollte. Doch kaum hatte er Notizblock und Kuli gezückt, erschien ein zivil gekleideter Sittenwächter und forderte ihn streng auf, das Schreiben zu unterlassen. Im Büchlein „Schalom! Judentum zum Kennenlernen“ der österreichischen Theologen Kogler/Hauer ist dieses Verbot unter Nummer 32 verzeichnet: zwei Buchstaben schreiben.

Kernbestand des Gottesglaubens Israels

„Die Bewahrung und Heiligung des Sabbats ist keine Weisung unter vielen, sondern Kernbestand des Gottesglaubens Israels und auch der Überzeugung Jesu“, nachzulesen im Buch „Von Abba bis Zorn Gottes. Irrtümer aufklären – das Judentum verstehen“. Das im Auftrag des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken veröffentlichte Werk erläutert über fünfzig zentrale Begriffe, von Abba über Feindesliebe und Sündenbock bis zu Vergebung und Zorn Gottes. Vom Herausgeberduo Petzel/Reck unter Mitwirkung von über 30 Experten, darunter Rabbiner und Theologen, herausgegeben, liefert das Buch eine zweifache Begründung für die Aufnahme des einzigen rituellen Gebotes unter die Zehn Gebote vom Sinai.

Juden sollen am Sabbat Ruhe halten wie Gott am siebten Schöpfungstag – und das in allen Lebensbereichen. Zudem soll der Tag „unterschiedslos allen Menschen und Geschöpfen Freiheit bringen, wie Gott sein Volk beim Exodus, dem Auszug aus Ägypten, in die Freiheit von der Zwangsarbeit geführt hat“. Somit steht der Ruhetag sowohl für den Schöpfungsakt als auch für Erlösung und Befreiung, und wird somit zum Zeichen des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel.

Ein Tag der Freude

Mögen manchem Christen die genannten Verbote als Einschränkung erscheinen – fromme jüdische Familien begehen den siebten Tag der Woche als Tag der Freude. Nicht wenige Jerusalemer Juden begrüßen den Sabbat als Braut oder Königin Israels am Freitagabend mit frohen Gesängen und Tänzen an der Klagemauer, dem heiligsten Ort des Judentums oder in ihrer jeweiligen Synagoge. Am Sabbat selbst folgt dann ein weiterer Gottesdienst – in der nächstgelegenen Synagoge oder eben am Kotel, den Nichtisraelis als Klage-, Juden jedoch lieber als Westmauer bezeichnen. Lea Fleischmanns „große Entdeckung in Jerusalem“ war die Erfahrung des Sabbats. Eines Samstags ging sie in einem religiösen Wohnviertel spazieren und bemerkte den fehlenden Verkehr.

Ultraorthodoxe Juden verhindern vor allem in Jerusalem mittels Metallbarrieren die Durchfahrt durch ihre Viertel, beispielsweise in Mea Shearim oder Mekor Baruch. Lea Fleischmann war begeistert von der Ruhe. „Für mich ist das ein Geschenk, das ich der Umwelt, der Natur mache. Einmal in der Woche ein autofreier Tag – Sie wissen gar nicht, was das für die Menschen bedeutet.“

Der Schabbesgoi als Helfer

Und den Schabbesgoi gibt es im Heiligen Land nach wie vor, auch wenn der Journalist Bernd Noack in der „Neuen Zürcher Zeitung“ behauptete, man brauche ihn angesichts programmierbarer Zeitschaltuhren „schlicht nicht mehr“, und weiter: „Wer sich heute auf die Suche nach einem Schabbesgoi begibt, wird enttäuscht.“

In Jerusalem, wo die Uhren anders gehen, verrichten in religiösen Vierteln nach wie vor palästinensische Muslime oder Christen diesen Dienst und sei es nur, um die rausgeflogene Sicherung reinzudrücken. Nach Angaben von Rabbinern kann so ein dienstbarer guter Geist pro Aktion bis 300 Schekel verlangen und kann mitunter an einem Sabbat die stolze Summe von bis zu 2 000 Schekel einstreichen – das sind mehr als 500 Euro. Hochgerechnet auf vier Samstage pro Monat ist das mehr als mancher Arbeiter im Monat verdient.

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