Ja, Visionen brauchen einen Ort, damit sie Realität werden können. Das wusste die heilige Hildegard, die wohl berühmteste Visionärin des Mittelalters. Als sie in einer wunderbaren Lichtschau beauftragt wurde, ihre Visionen öffentlich zu verkünden, erkannte sie: Visionen brauchen Orte. Während sie noch ihre Visionen niederschrieb, fasste sie den Entschluss, ein eigenständiges Kloster zu gründen. Gegen alle Widerstände setzte sie ihren Plan – ihre Vision durch. Dabei erwies sie sich als eine – heute würde man sagen – geschickte und kluge Managerin. Sie baute ein Kloster auf, dessen Existenz sie in jeder Hinsicht absicherte: räumlich, wirtschaftlich, rechtlich, institutionell und spirituell.
Feuilleton
Zeitlose Kosmopolitin
Die heilige Hildegard von Bingen war Visionärin, Theologin und Politikerin. Die neugegründete Akademie in Eibingen versucht ihr Leben für unsere heutige Zeit im Sinne einer benediktinisch geprägten Spiritualität in Europa zu deuten. Von Maura Zátonyi OSB