In Deutschland wird medial püriert und gemixt. Mit dem Krisenstab des Weltrettersmoothies. Einmal ist es die Klimakrise, ein andermal die Genderkrise, und wieder ein anderes Mal die Frage: Wer wird der neue Bachelor. Eine Krise reiht sich der anderen an. Wobei die nächste noch dramatischer und noch existenzgefährdender ist als die vorherige. Deutschland drängt sich um die Aufgabe, ja, das Schicksal, die Welt zu retten. Deutschland befindet sich im Krisenmodus. Nein, Deutschland ist Krise und gute Fee zugleich.
Vor lauter Krisenlust und Feenstaub kann es also passieren andere Angelegenheiten aus dem Blick zu verlieren. Verständlich. Wie das politische Versagen in Afghanistan oder die Flutkatastrophe dieses Sommers, als Menschen nicht nur ihr Hab und Gut, sondern auch ihr Leben lassen mussten. Petitessen, versteht sich, nebst Klima- und Genderkrise, den wirklich wichtigen Problemen dieses Landes. Wie zum Beispiel die Reduktion der CO2-Emissionen, der massivst „verpesteten“ Luft in Deutschland sowie die Durchsetzung des Gender-Doppelpunktes gegen die verklärt-ignorante Mehrheit der Bevölkerung.
Flutet nicht Wasser, sondern Dummheit das Land?
Diese Verkehrung von Prioritäten, diese Flucht in einen utopischen Weltrettermodus lassen die Frage aufkommen: Ist die Luft in Deutschland vielleicht tatsächlich so versmogt, dass sie das Denken vernebelt? Weht zu viel Feenstaub in Deutschlands Universitäten, Redaktionen und im Machtzentrum an der Spree, der die Köpfe durchdringt? Oder zeichnet sich hier eine viel weitreichendere Krise aus? Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Befindet sich das Land in einer Krise der Vernunft? Überschwemmen nicht, wie im Juli geschehen, Wasserfluten, sondern Massen von Dummheit das Land?
Doch was ist eigentlich Dummheit? Robert Musil unterscheidet zwei Formen der Dummheit, eine ehrliche und eine höhere Dummheit, wobei die zweitere hier von besonderem Interesse ist. „Diese höhere Dummheit ist die eigentliche Bildungskrankheit (aber um einem Missverständnis entgegenzutreten: sie bedeutet Unbildung, Fehlbildung, falsch zustande gekommene Bildung, Missverhältnis zwischen Stoff und Kraft der Bildung), [...]“.
Dummheit bedeutet demnach spezialisiert ausgebildet, statt universell gebildet zu sein. Schon das Bildungsabzeichen eines Bachelors oder Masters gibt entsprechende Hinweise. Dem Bachelor of Arts „Afrikanische Sprachen, Literaturen und Kunst“ fehlen grundlegende Kenntnisse zu europäischen und weltweiten Sprachen, Literaturen und Kunst. Der Master of Arts „Philosophie des Sozialen“ setzt sich halb(aus)gebildet philosophisch mit sozialen Phänomenen auseinander.
„Dass aber führende Köpfe Denken und Bildung
nicht zu schätzen wissen,
das ist das Neue, das Schreckliche unserer Zeit“
Diese ganze Schar von Bacheloranden und Masteranden brilliert auf ihrem Gebiet der Spezialisierung. Dem verengten, leicht zu erwerbenden Wissensgebiet. Es ist die Spezialisierung für alle, die das Lernen scheuen. Außerhalb ihres engen Kreises stoßen sie an die Grenzen ihres Könnens. Während sie nationale Grenzenlosigkeit predigen, leben und kultivieren sie gleichzeitig ein begrenztes Denken. Global agieren und regional denken statt regional agieren und global denken, lautet ihre Devise.
Nach diesem Verständnis resultierte das Debakel von Afghanistan aufgrund der ich-zentrierten, westlichen Brille durch die man auf das nun von Taliban besetzte Land blickte. Sage und schreibe 112 Millionen Euro gab die Bundesregierung zwischen 2009 und 2019 für die Gleichstellung von Mann und Frau in Afghanistan aus. Ihre „größte“ Errungenschaft? Eine nicht der kulturellen und zivilisatorischen Lebenslage entsprechende Einführung des Studienganges „Gender-and-Women-Studies“ an der Universität in Kabul. Die afghanische Frau feiert dies sicherlich, ebenso wie der Westen, als Erfolg der Emanzipation und kann sich vor Freude kaum halten. Jene afghanische Frau, die weiterhin gesetzlich dem Ehemann zum Beischlaf verpflichtet ist oder um Erlaubnis desselben fragen muss, um das Haus zu verlassen.
Das Afghanistan-Desaster ist nur eines von vielen anderen Beispielen der realen Pleiten-, Pech- und Pannenserie. Doch es zeigt: Noch nie war es offensichtlich so en vogue dumm zu agieren. Wie bereits geschrieben, Dummheit gehört zum Menschen, wie die Luft zum Atmen. Dass aber führende Köpfe Denken und Bildung nicht zu schätzen wissen, das ist das Neue, das Schreckliche unserer Zeit. Um einen Begriff Botho Strauss‘ zu entnehmen: Die Plurimi, die Vielen (Strauss) besetzen Positionen der Pauci, der Wenigen. Überall. In Politik und Journalismus, in Kunst und Kultur, an Universitäten und in Schulen.
Wer den Populisten nicht folgt, wird gecancelt
Dort tarnt sich das Herzstück des Übels unter der Maske des Elitären. Im Namen der Wissenschaft betreibt sie populäre Wissenschaft, statt aufklärenden Journalismus folgt sie einem Gesinnungsjournalismus, und Kunst und Kultur, die eigentlich im Zeichen künstlerischer Anarchie stehen, befinden sich unter dem rigiden Stern politischer Korrektheit und gendergerechter Sprache.
Alles, was nicht in ihr Schema passt, stoßen die im eigenen Kosmos abgeschotteten Spezialisten ab, getreu dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Wer sich etwa nicht zum Genderismus oder der Identitätspolitik oder Fridays-for-Future bekennt, entlarvt sich als Außenseiter. Nur ein leiser Verdacht reicht schon aus, zum Beispiel ein falsches Wort oder der falsche Humor, um zum „canceln“ aufzurufen. Im schlimmsten Falle drohen berufliche Konsequenzen.
Nun wütet der Zerstörungseifer der rot-grün spezialisierten Avantgarde um sich. Warum? Weil sie es kann. Sie schwimmt schon seit Jahrzehnten nach oben. Ungehindert. Ungefiltert. Die massenhafte Verbreitung von Evaluationsbögen ermunterte sie zu bewerten, obwohl sie, mit verengtem Blick, dazu nicht befähigt war. Der Bachelor-, Master- und Doktorgrad, der Sheriff-Stern der Bildung, verlieh ihnen das Gefühl der intellektuellen Kompetenz.
Nun ist auch der lebensferne Spezialisierungs- und Vereinfachungswahn ganz oben angekommen. Ein Paradies für Lernunwillige und im Denken Zurückhaltende, die sich aus der breiten Masse rekrutieren. Sie gestalten nun das Land. Ohne massenhafte Evaluation und Streitgespräch verschiedener Meinungen (wo sie „Diversity“ doch so hoch schreiben), dafür aber mit grün-apokalyptischer Indoktrination und autoritärer Tofupeitsche.
Ein Leben belastet von rot-grünen Horrorszenarien
Weltuntergangsstimmung gepaart mit dickem rot-grünen Anstrich dringen tief in das private Leben aller ein. Nicht nur Straßennamen sind vor ihr unsicher, auch Entennamen und der Speiseplan. So traf es neben der berühmt-berüchtigten Berliner Mohrenstraße auch die Hottentottenente. Diese heißt nun Pünktchenente. Und in den Berliner Mensen findet der geneigte Fleischesser montags nur noch vegetarische und vegane Kost. In naher Zukunft finden sich Fisch und Fleisch nur noch zu vier Prozent auf dem Speiseplan.
Weder Rechts- noch Linkspopulisten spalten das Land, sondern Dummheit und Unbildung, oder die massenkonsumorientierte Ausbildung als billiges Produkt. Wie Gustave LeBon wusste, die Masse besitzt weder Vernunft, Triebkontrolle oder ein hohes Bildungsniveau. Daher zerstört sie notgedrungen das Bestehende. Grundlos und ohne vernünftige Alternativen. Das ist die eigentliche Krise unserer Zeit.
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