Es sind nur wenige Objekte, mit denen sich Matthias Joseph De Noel (1782–1849) auf seinem Selbstbildnis darstellt. Auf dem um 1825 entstandenen Gemälde zeigt sich der Künstler, Dichter, Denkmalpfleger und Sammler als selbstbewusster Gelehrter seiner Zeit, in der er es mit seinen vielseitigen Talenten schließlich zum ersten Konservator des sogenannten Wallrafianums, dem ersten städtischen Museum in Köln, brachte. De Noel sitzt mit verschränkten Armen vor einem aufgeschlagenen Buch und schaut mit forschendem Blick aus dem Bild heraus. Neben dem Buch ist die kleine Skulptur einer Sphinx, das antike Symbol der Weisheit, zu sehen. Als Buchstütze und Ablage für die Schreibfeder dient dem Wissenschaftler ein umgedrehtes, handwerklich kunstvoll mit Rankenspiralen gestaltetes Kapitell aus der Zeit der Romanik.
„Dieses mittelalterliche Kapitell wird durch die Darstellung der wenigen Objekte auf diesem Bild nobilitiert“, sagt Moritz Woelk, der Direktor des Museums Schnütgen in Köln, und ergänzt: „Es wird von de Noel gleichsam in den Kanon der sammlungswürdigen Objekte aufgenommen.“ Viele dieser sammlungswürdigen Objekte befinden sich seit Jahrzehnten im Bestand des auf mittelalterliche Kunst spezialisierten Museums. Nun wurden knapp 30 Objekte in einer eigenen Ausstellung aufgestellt, die den „Samsonmeister und seine Zeit – Skulptur der Romanik im Rheinland“ präsentiert.
Das Fragment dieses bis heute erhaltenen Kapitells steht dabei neben dem Selbstbildnis am Ausgang der Ausstellung. Ob es sich tatsächlich um ein Kapitell des Samsonmeisters selbst handelt, ist offen. Es zeigt aber den charakteristischen Stil sowie die hohe Qualität der rheinischen Bauornamentik des zwölften Jahrhunderts. Da war der Samsonmeister eine zentrale und für rund 100 Jahre stilgebende Figur, wie die kleine, aber feine und ungemein anregende Kabinettsausstellung über den Künstler und Handwerker aus der Benediktinerabtei Maria Laach sowie dessen Umfeld und Nachwirken lehrt. Und da darf das namensgebende Werk des weitgehend unbekannten Bildhauers natürlich nicht fehlen: die Skulptur des Löwenbezwingers Samson (Ri 14,5–6).
Weil im Mittelalter die Klarnamen der Künstler meist verborgen blieben, wurden vielfach im Nachhinein sogenannte Notnamen vergeben, die sich oftmals auf ein wesentliches Werk bezogen. Dieses jeweilige Werk lässt sich dann mit einer größeren Anzahl entsprechend geprägter Arbeiten in Verbindung bringen. Die Stifterfiguren des Naumburger Meisters am Westchor des Doms zu Naumburg sind hierfür das wohl prominenteste Beispiel. Der Samsonmeister mit den von ihm oder eben gemäß seiner Arbeitsweise nach ihm gestalteten großfigürlichen Skulpturen sowie Bauplastiken von Kapitellen und Reliefs ist ein Weiteres. Die Kabinettsausstellung im Museum Schnütgen in Kooperation mit der Domschatzkammer Köln bietet somit die besondere Gelegenheit, die namensgebende Figur und die Kapitelle gemeinsam mit weiteren mit dem Meister in Verbindung gebrachten Werken aus nächster Nähe zu betrachten. „Man kommt dabei einem Künstler, von dem wir ja nichts Schriftliches kennen, aufgrund seines Stils sehr nahe“, sagt Museumsdirektor Woelk.
Das Fragment der etwa einen halben Meter hohen Skulptur des Samson ist trotz ihrer Unvollständigkeit von suggestiver Präsenz und das anmutige jugendliche Gesicht strahlt eine zeitlos gültige geistige Gegenwärtigkeit aus. Durch diese Klarheit und der plastischen Spannung erhält die Figur eine Ästhetik und Ausdruckskraft, der sich die Betrachter kaum entziehen können. Dies war sicherlich so beabsichtigt, denn dieser Samson sollte in seiner Zeit möglicherweise auf einer Blattkonsole jene Wirkung als tragende Säulenfigur entfalten.
Gesichert ist dies jedoch ebenso wenig wie die tatsächliche Zusammengehörigkeit von Rumpf und Kopf. Beides wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Maria Laach entdeckt, zusammengefügt und wurde einmal als das „schönste und kraftvollste Zeugnis rheinischer Bildhauerkunst“ des 13. Jahrhunderts bezeichnet. Und hiervon ausgehend erschließen sich wunderbare Entdeckungen: Um diese Skulptur herum sind knapp 30 andere Objekte aus jener Zeit gruppiert, die bei ihrer Entstehung erheblich von der französischen Romanik beeinflusst worden sind. Spannend dabei: Während in Frankreich bereits die Hochgotik blühte, stehen die meist aus bereits bearbeitetem lothringischen Kalkstein gemeißelten Ausstellungsstücke für die Blütezeit der von der französischen Romanik beeinflussten Hochphase der Steinskulptur im Rheinland. Da spielte die Werkstatt aus Maria Laach eine herausragende und nachhaltig prägende Rolle, wie nicht nur die Samson- skulptur zeigt. Auch der unvergleichliche Kapitellfries vom Portal des „Paradies“ genannten Eingangsgebäudes zur Abteikirche ist in Köln ausgestellt. Weitere vergleichbare Arbeiten sind die Steinskulpturen aus der Münsterkirche Bonn, ein schreibender würdevoller Engel sowie ein wilder Teufel.
Der Besuch Ausstellung ist vor allem mit dem Hinweis empfehlenswert, dies mit sehenswerten Schauplätzen zu verbinden, an denen die romanischen Steinskulpturen des Rheinlands als hervorragende Belege für die mittelalterliche Lebens- und Glaubenswelt entstanden – neben der Benediktinerabtei Maria Laach beispielsweise die ehemalige Abtei Brauweiler, das Münster in Bonn oder romanische Kirchen sowie Objekte in der Domschatzkammer in Köln.
Bis 6. Januar, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 20 Uhr.