Weltmacht

Sind die USA unter Biden Maß aller Dinge?

Die Vereinigten Staaten von Amerika geben in der Welt immer noch immer den Ton an. Wenn man genauer hinschaut, sieht man die Risse im System: Sollbruchstellen, Ecken, an denen es bröckelt.
Kapitol in den USA
Foto: dpa | Stürmische Zeiten: Amerikanische Fahnen wehen vor dem Kapitol, dem Sitz des Kongresses, der Legislative der Vereinigten Staaten von Amerika.dpa

Joe Biden hatte beste Startvoraussetzungen für eine erfolgreiche Zeit im Oval Office. Bei der Hälfte der amerikanischen Bevölkerung war sein größtes Plus, dass er nicht Donald Trump ist. Trump hatte es in den vier Jahren vorher geschafft, dass der Riss durch eine ohnehin schon gespaltene Nation immer tiefer wurde. Man sieht sich nicht mehr als politische Gegner, zwischen deren Konzepten sich die Wähler entscheiden können. Man hört sich nicht mehr zu, man respektiert sich nicht. Zwischen großen Teilen der linken Demokraten und der rechten Republikaner hasst man sich mittlerweile.

Aber Joe Biden hatte zur Amtseinführung auch noch Rückenwind durch den zeitgleich zur Verfügung stehenden Impfstoff gegen die Covid-19-Pandemie, der in den USA so viele Menschen zum Opfer fielen, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Joe Biden also als der tapfere Streiter gegen das Coronavirus? Es funktionierte nicht, so wie es fast überall – und auch in Deutschland – nicht funktionierte. Joe Biden stellte sich an die Spitze der Impfkampagne und versprach, die Pandemie durch Impfen und eine Impfpflicht für viele Berufsgruppen zu besiegen und das nicht nur – Amerika halt – im eigenen Land, sondern auf der ganzen Welt. Doch seine Botschaft zündete bei vielen Amerikanern nicht, die das mit dem unbedingten Freiheitswillen immer noch ernst nehmen. Irgendwann fragen sich die Bürger, was der Präsident da eigentlich Segensreiches tut, nur der Blick zurück auf den Amtsvorgänger – damit halten sich die Menschen bei Politikern nie lange auf.

„Die Demokraten forcieren es dennoch,
so wie Grüne, Sozialdemokraten und FDP es auch in Deutschland tun.
Wen interessiert schon, was die einfache Bevölkerung von solchen Experimenten hält?
Die Arroganz der Macht ist ein globales Phänomen“

Biden kündigte deshalb gleich zu Beginn seiner Amtszeit viele Maßnahmen an, vor allem aber gab er das Geld mit vollen Händen aus. Drei Billionen US-Dollar für einen Gesetzentwurf mit Maßnahmen wie Kindergeld, Elternurlaub, saubere Energie und Steuererleichterungen für Immobilienbesitzer in demokratischen Bundesstaaten. Bezahlt alles aus dem Steuertopf.

Kein Zweifel, die Supermacht USA mit Silicon Valley, der tödlichsten Streitmacht auf dem Planeten, den HighTech-Giganten und Elektroauto-Produzenten, die nebenbei die Raumfahrt privatisieren und eine Kolonialisierung des Planeten Mars vorbereiten, sind auch heute noch das Maß aller Dinge auf dem Globus. Aber genauer hingeschaut, sieht man die Risse im System, all die Sollbruchstellen, all die Ecken, wo es bröckelt. So sind die Vereinigten Staaten bis heute eines der wenigen entwickelten Länder, das seinen Bürgern gesetzlichen Anspruch auf Eltern- und Krankheitsurlaub verweigert.

Biden will die Infrastruktur verbessern

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Was unbedingt auf Bidens Habenseite zu verbuchen wäre, sind also diese 1, 2 Billionen Dollar, die in die marode Infrastruktur gesteckt werden sollen. Straßen mit Schlaglöchern in glitzernden Metropolen, Tunnel, in denen Wasser in Strömen die Wände herunterrieselt, alte Flughäfen und marode Bahnhöfe. Überall da tut sich inzwischen etwas, und das ist auch dieser Administration zu verdanken.

Aber das Kernprojekt seiner Präsidentschaft, das große Ganze, ist alles andere als in trockenen Tüchern. Unverzagt blockieren seine eigenen Parteifreunde Bidens Reformprojekte und damit auch das Geld. Denn: Dem linken Parteiflügel gehen Bidens Pläne längst nicht weit genug. Und auf der anderen Seite gibt es Senatoren, die eher konservativ denken und abstimmen. Der Präsident investierte gerade für diese viel Zeit in Einzeltherapien, um die Parteifreunde umzustimmen. Nun hat er sein ehrgeiziges Klima- und Sozialpaket um die Hälfte gekürzt. Und versucht daraus PR-Kapital zu schlagen und sich als Versöhner darzustellen: „Niemand bekommt alles. Nicht mal ich. Aber so sieht Konsens aus. Und damit bin ich angetreten.“

Die eigene Partei - die "Democrats" - blockiert Biden

Und so hakt es weiter an allen Ecken und Enden. Nach wie vor haben die Demokraten den Gesetzespaketen ihres Präsidenten nicht zugestimmt, und die Republikaner machen sowieso vom ersten Tag an Fundamentalopposition gegen Joe Biden.

Wenig Zuspruch in der Bevölkerung finden indes die ideologischen Umgestaltungsmodelle aus den Universitäten an Ost- und Westküste, das Durchgendern des Alltags, neue Bezeichnungen wie etwa „Latinx“ für die „Hispanics“, für diejenigen unter den Latinos, die sich nicht entscheiden können, ob sie Mann oder Frau oder sonst etwas sein wollen. Eine aktuelle Umfrage brachte jetzt das Ergebnis, dass nur zwei Prozent der „Hispanics“ dafür, aber 98 Prozent dagegen sind. Die Demokraten forcieren es dennoch, so wie Grüne, Sozialdemokraten und FDP es auch in Deutschland tun. Wen interessiert schon, was die einfache Bevölkerung von solchen Experimenten hält? Die Arroganz der Macht ist ein globales Phänomen.

Oberklassenpolitik kommt in Amerika nicht gut an

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Und Linke neigen dazu, die normale Mittelklasse ihrer Länder zu vernachlässigen, die Leute, die ihren Alltag irgendwie organisieren, wo am Wochenende Barbecue stattfindet und die Nachbarschaft Football auf Großbildschirmen guckt. Und da gewinnt man in einer Demokratie Wahlen und diese großen gesellschaftlichen Gruppen muss Joe Biden im Blick haben, wenn er nicht 2024 ein böses Erwachen erleben will.

Der November 2016 steckt den „Dems“ noch heute in den Gliedern, als plötzlich der schillernde Immobilientycoon Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde – und irgendwie hat es keiner kommen sehen, oder wollte es keiner sehen. Trump ist nach seiner Abwahl auch jetzt unermüdlich unterwegs, tritt vor großen Menschenmengen auf und lässt kein gutes Haar an dem Mann, der ihm angeblich den Wahlsieg gestohlen hat. Wer ein Comeback Trumps verhindern will, der darf sich nicht auf die Agenda der linksliberalen Ost- und Westküsten-Eliten einlassen, sondern muss sich auf das ganz normale, wunderbare Amerika konzentrieren.

Außenpolitik interessiert amerikanische Wähler wenig

Auch die Außenpolitik ist bei den amerikanischen Wählern kein Gewinnerthema. Doch gerade dort sind die derzeit größten Herausforderungen für die Biden-Administration. Und dort macht er bisher zusammen mit seinem Außenminister Anthony Blinken eine erstaunlich gute Figur. Russischer Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine, chinesische Hegemonialgelüste im Südchinesischen Meer, wo die Volksrepublik 80 Prozent des Gebietes mit Tausenden kleiner Insel beansprucht und den Zorn, aber auch die Furcht der anderen Länder dort wie Japan, Südkorea, Taiwan, Philippinen und Vietnam herausfordert. Überall dort steht die Weltmacht Nummer 1 fest an der Seite ihrer Verbündeten. Eine Rede Bidens im Herbst 2021 mit der Zusage auch militärischen Beistands für den Fall einer Aggression Chinas gegen Taiwan zu leisten, war an Klarheit höchst bemerkenswert.

Joe Biden und seine Strategen sollten dennoch zurückschauen ins Jahr 1992, als sein demokratischer Parteifreund Bill Clinton die Präsidentschaftswahlen gewann. Seine Berater hatten ihm klargemacht: „It?s the economy, stupid!“ In Amerika gewinnt oder verliert man Wahlen nicht mit dem Engagement in entlegenen Gegenden der Welt, sondern beim Geldbeutel der Leute. Kaum eine Kampagne, in der der Herausforderer nicht irgendwann die wichtigste Karte zieht und das Volk fragt: „Geht es Ihnen heute besser als vor vier Jahren?“ Und wehe, wenn sie dann „Nein“ schreien …

Biden macht keine Fehler, hat aber auch keine großen Erfolge

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Joe Biden macht bisher keine gravierenden Fehler auf der Kommandobrücke im Weißen Haus. Aber er erfüllt die Erwartungen der Menschen an einen neuen Aufbruch eben auch nicht. Er ist nicht der Heilsbringer, der an das Versprechen seines Vorgängers anknüpfen könnte, „Jobs, Jobs, Jobs“ zu schaffen und Amerika wieder „first“ zu machen. Er verwaltet das, was da ist. Keine Ideen, keine Innovation, kein Ruck, der durchs Land geht. Immerhin: die Arbeitslosenquote ist vor dem Hintergrund der Corona-Krise erstaunlich gering. Im Dezember fiel die Quote von 4, 2 Prozent im Vormonat auf 3, 9 Prozent – dem niedrigsten Stand vor Ausbruch der Corona-Krise, die teilweise enorme Auswirkungen auf den amerikanischen Arbeitsmarkt hatte.

Wirtschaftliche Erholung wird zu einem hohen Preis erkauft

Doch die wirtschaftliche Erholung im Land, die durch massive finanzielle Anreize getrieben wird, hat mit der steigenden Inflation einen hohen Preis – im wahrsten Sinne des Wortes. Die US-Notenbank hat gerade angekündigt, ihre Anleihekäufe schneller zurückzufahren und kündigt Zinserhöhungen für dieses Jahr an.

Noch kein Jahr im Amt läuft Biden die Zeit davon: Im November 2022 sind Zwischenwahlen. Dann droht den Demokraten, dass sie ihre nur knappe Mehrheit in beiden Kammern verlieren. Das würde bedeuten, dass der US-Präsident seine großen Reformvorhaben vergessen könnte und seine Pläne für die zweite Hälfte der Amtszeit (eine Wahlrechtsreform und ein neues Einwanderungsgesetz) dazu. Wie sein Vorgänger Trump könnte er dann nur noch per Dekret aber ohne eigene Mehrheit regieren.

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