Die spirituelle Grundhaltung des Christentums entspringt dem, was die hebräische Sprache als Metanoia bezeichnet, der Praxis von Umkehr, Reue und Buße. Im skandalumwitterten Medienalltag stehen Gesten der Reue heute jedoch unter dem Verdacht der Heuchelei – von reuigen Steuerbetrügern bis hin zu reumütigen Funktionären. Die Doppelbödigkeit moralischer Selbstanklagen wurde bereits von Friedrich Nietzsche seziert. Nach Nietzsche glaubt der Christ nicht an seine individuelle Verächtlichkeit. Er glaubt vielmehr, er sei „böse als Menschen überhaupt“ und tröstet sich mit dem Gedanken, dass keiner vollkommen ist: „Wir alle sind einer Art.“ In seiner „Fröhlichen Wissenschaft“ bezieht Nietzsche diesen ...
Reue und Welttheater
Vor vier Jahren, am 21. August 2010, starb der Regisseur, Aktionskünstler und Katholik Christoph Schlingensief. In seinem persönlichen Tagebuch zur Krebserkrankung „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!“ beklagte er sich über die „Tagespost“-Berichterstattung zu seinem Leiden. Ihm war geraten worden, statt seine Krankheit öffentlich zur Tragödie zu stilisieren, sich mehr Gedanken über die Kultur des Sterbens zu machen, „bevor es zu spät“ sei. Für Versöhnung ist es nie zu spät und so möchten wir diesem großen Künstler posthum die Hand reichen. Mit den Erinnerungen eines Weggefährten an ihn. Von Johannes Hoff
