Islamkunde

„Mohammed ist liebevoll“

Bayern führt islamischen Unterricht als Wahlpflichtfach ein. Daraus kann eine Alternative zu den Unterweisungen der Koranschulen werden.
Schön bunt ist sie, die didaktische Welt des Islamunterrichts an deutschen Schulen.
Foto: Symbolbild dpa | Schön bunt ist sie, die didaktische Welt des Islamunterrichts an deutschen Schulen. Mehr inhaltliche Ausgewogenheit und weniger Weichzeichner wäre wichtig für das Gelingen des Projekts.

Am 6. Juli hat der Bayerische Landtag die Einführung des Wahlpflichtfaches „Islamischer Unterricht“ gebilligt. Mit einerÄnderung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes(BayEuG) soll der bisherige, seit 2009 laufende Modellversuch in ein reguläres Schulfach überführt werden. An 364 bayerischen Schulen wird dies ab dem Schuljahr 2021/2022 möglich sein und zwar vor allem an Grund- und Mittelschulen und in Ballungsgebieten.

Schüler muslimischen Glaubens können diesen Unterricht dann anstelle von Religionslehre beziehungsweise Ethik wählen. Es ist dies kein bekenntnisorientierter Religionsunterricht, sondern ein islamkundlicher Unterricht. Im Vordergrund stehen das „Wissen über die islamische Religion“ sowie eine grundlegende Werteorientierung „im Geiste der Werteordnung des Grundgesetzes und der bayerischen Verfassung“. Der Unterricht soll von staatlichen Lehrkräften in deutscher Sprache gehalten werden. Bayernweit stehen dafür mehr als 100 Lehrkräfte zur Verfügung. Diese müssen ein Staatsexamen oder ähnliche pädagogische Qualifikationen vorweisen. Der Einsatz von Imamen ist ausgeschlossen. Im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern benötigen bayerische Lehrkräfte auch keine Lehrerlaubnis seitens der islamischen Religionsgemeinschaften.

Grüne wollen „Islamischen Schulrat“

Die „Grünen“ stimmten gegen die Gesetzesänderung, weil ihnen das neue Wahlpflichtfach nicht weit genug geht. Sie fordern zum Beispiel einen „Islamischen Schulrat in Bayern“, der islamischen Verbänden Einfluss auf den Lehrplan garantieren soll. Muslimische Verbände argumentieren ähnlich; sie sehen sich nicht gleichberechtigt mit den christlichen Kirchen.

Die Widerstände aus beiden Richtungen sind zumindest sehr eigenwillig. Die „Grünen“ sind nämlich bundesweit bekannt dafür, dass sie einen verpflichtenden Religionsunterricht gänzlich ablehnen. Und die muslimischen Verbände sind nun einmal nicht wie die beiden Kirchen oder die israelitische Kultusgemeinde Anstalten öffentlichen Rechts. Von daher sind sie – zumindest in Bayern – (noch?) außen vor, wenn es um Lerninhalte geht. Bei der Ausgestaltung des Lehrplans setzte man in Bayern auf den Wissenschaftlichen Beirat des Departments Islamisch-Religiöse Studien der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (DIRS).Zufrieden sind die muslimischen Verbände damit nicht. Seit 2020 gibt es eine Arbeitsgruppe muslimischer Verbände.

Darunter ist als größter Verband die türkische DITIB. Ihr Ziel: „Wir wollen bei der Benennung von Lehrern mitreden oder wenn es um Weiterentwicklung von Inhalten geht“, sagt Mehmet Sapmaz vom Beirat des Departments für Islamisch-Religiöse Studien an der Uni Erlangen.

AFD will vor das Verfassungsgericht ziehen

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Ein Nein zu den bayerischen Plänen gab es – aus anderen Gründen als bei den „Grünen“ – seitens der AfD. Sie kündigte an, den Bayerischen Verfassungsgerichtshof anzurufen. Aus AfD-Sicht ist diese nicht-bekenntnisorientierte Alternative zum Ethikunterricht nicht verfassungsgemäß. Wörtlich zudem: Es sei „naiv, zu glauben, dass der Islam eine Religion des Friedens und der Toleranz sei“, so AfD-Mann Markus Bayerbach. Er warnte vor dem nicht kontrollierbaren Einfluss radikaler Kräfte.

Ob der „islamische Unterricht“ ein Beitrag zur besseren Integration ist oder gar einer möglichen Radikalisierung vorbeugen kann, wie sich Sprecher der CSU sowie der Freien Wähler (FW), FDP und der SPD beeilten zu betonen, wird sich herausstellen. Aber eine sinnvolle Alternative gegen eine Unterweisung durch radikalisierte Imame in Koranschulen kann der neue Unterricht sein. Vorausgesetzt, die Inhalte dieses Faches laufen auf keine Weichzeichnung hinaus, wie das derzeit noch der Fall zu sein scheint.

Gegen alle historischen Realitäten eines Mohammed finden sich etwa im entsprechenden Lehrplan für die erste Jahrgangsstufe Unterkapitel wie die folgenden: „Er hat viele gute Eigenschaften“ und „Mohammed ist liebevoll zu allen Geschöpfen“. Begriffe wie Scharia oder Dschihad kommen in den Lehrplänen in keiner Jahrgangsstufe vor.

Unterschiedliche Regelungen

Ein islamischer Religionsunterricht ist in anderen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Einzelne bieten einen Religionsunterricht unter Ausschluss islamischer Religionsgemeinschaften an, andere arbeiten mit muslimischen Religionsgemeinschaften zusammen. Letztere werden damit behandelt wie Kirchen. 2020 etwa kam es zu Zielvereinbarungen der Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit vier islamischen Verbänden. 2012 schon hatte es einen Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, dem SCHURA (Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg) und dem Verband der Islamischen Kulturzentren gegeben.

Konkret: Hessen hatte 2013 den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht eingeführt. Als Partner hatte das Land DITIB gewählt, ein „wirklich verfassungskonformer“ Partner, wie die damalige hessische Kultusministerin Nicola Beer (FDP) meinte. Über die Jahre allerdings wuchs das Misstrauen in die Organisation. In mehreren Gutachten ließ das Kultusministerium ab 2016 ergründen, wie es um die Eigenständigkeit von DITIB bestellt ist. Schließlich kündigte Kultusminister Alexander Lorz (CDU) die Zusammenarbeit mit der DITIB auf. Es sei nicht klar, ob die DITIB unabhängig genug vom türkischen Staat sei. Ab dem Schuljahr 2020/21 wird der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht von DITIB bis auf Weiteres nicht mehr erteilt.

NRW und DITIB

In Nordrhein-Westfalen hatte der islamische Religionsunterricht 2012 in Kooperation mit Islamverbänden an 33 Schulen begonnen. 2017 dann hatte NRW jede Kooperation mit der umstrittenen Türkisch Islamischen Union wegen ihrer Nähe zu Ankara auf Eis gelegt. Jetzt 2021 die Kehrtwende: In NRW steht nun eine Kommission mit Vertretern von sechs Islam-Organisationen für einen bekenntnisorientierten Unterricht als Partner zur Verfügung. Zu verantworten hat diese Vereinbarung NRWs Kultusministerin Yvonne Gebauer (FDP wie ihre vormalige hessische Kollegin Nicole Beer). Neben der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V., türkisch: Diyanet Iºleri Türk Islam Birligi) stellen weitere fünf Organisationen jeweils ein Mitglied für das Gremium. Das heißt: Danach kann DITIB bei Lehrbüchern und Lehrpersonal wieder (!) mitentscheiden. Das Problem sind dabei nicht in erster Linie die ehrenamtlichen DITIB-Mitarbeiter, sondern die hauptamtlichen Mitarbeiter der Moscheegemeinden, die Vorbeter und Imame, die als Beamte des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten in Ankara (DIYANET; direkt dem türkischen Präsidenten unterstellt) nach Deutschland entsandt werden. Sie können als der lange Arm Erdogans betrachtet werden.

Wie problematisch die Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen enden kann, zeigte zuletzt Baden-Württemberg. Dort wurde vom Kultusministerium ein Sunnitischer Schulrat eingerichtet. Er erteilte unter anderem die Lehrerlaubnis für Hochschullehrer im Bereich der islamischen Pädagogik. Mittlerweile wurde bekannt, dass er mehreren liberalen Dozenten die Lehrbefugnis verweigert hat.

Fundamentaler Defekt

In einem aktuellen Gutachten für Hessen betont der renommierte Bonner Staatsrechtler Josef Isensee, dass Hessens DITIB bis auf Weiteres die Erfüllung der Kriterien zur Erteilung des Unterrichts nicht erreicht. Wörtlich: „DITIB Hessen bildet das letzte Glied einer Weisungskette, die über den Bundesverband zur türkischen Religionsbehörde DIYANET führt, die ihrerseits unmittelbar dem türkischen Staatspräsidenten untersteht. In dieser Organisationseinheit verfügt der Landesverband nicht über jenes Minimum an institutioneller Unabhängigkeit, deren er bedarf, um selbstbestimmt seine Aufgabe als Religionsgemeinschaft erfüllen zu können.“ Und weiter zu mittlerweile vollzogenen DITIB-Satzungsänderungen: „Diese Maßnahmen … tragen nicht bei, den fundamentalen Defekt zu beheben: das Übermaß an Staatsabhängigkeit.“ Es wäre durchaus sinnvoll gewesen, wenn Nordrhein-Westfalen sich dieses Gutachten zu Gemüte geführt hätte. Und es ist zu hoffen, dass man in Bayern ebenfalls hellhörig bleibt.

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