Diskussionskultur

Mit  Zombies kann man nicht  reden  

Eine gesellschaftliche Kommunikation, die den Anderen und den Skurrilen nicht mehr sein lassen kann, ist eine Unkultur gefährlich unkommunikativer Wiedergänger. Eine Kultur des Zuhörens, des Querdenkens und des Ent-täuschens wäre ein Heilmittel. Ein Diskussionsbeitrag.
Kommunikation
Foto: (217561067) | Es wirkt so einfach und bereitet dennoch vielen Probleme: Eine sinnvolle Kommunikation bedarf guten Willens und Verständnisses.

Manchmal ist es ein kleiner Anlass, der eine wichtige Sache deutlich werden lässt. Ein Kollege reicht einem etwas an mit der üblichen Bitte um weitere Bearbeitung. Es ist eine Routinesache, und weil es Routine ist, geschieht es mit Routine und geht es prompt schief. Es war nämlich doch keine Routine. Das kennt jeder. So sehr wir im Alltag der Routine bedürfen, verlangt die Kommunikation auch in Routinefällen Ernsthaftigkeit. Meistens sind es zum Glück Banalitäten, die auf diese Weise schief gehen und leicht gerichtet werden können.

Doch sie zeigen wie ein großer roter Pfeil auf die Bedeutung von Kommunikation. Das gilt im Kleinen, das gilt aber weitaus mehr im Großen einer gesamtgesellschaftlichen Kommunikation. Dass diese im Argen liegt, wird jeder wissen, der regelmäßig in sozialen Medien unterwegs ist. Dort lauert die sprungbereite Feindseligkeit an jeder Ecke und sie ist die beste Nachbarin der professionellen Unaufmerksamkeit. Was interessiert mich mein Gestänker von gestern? Erstaunen, dass ein scharfer Ton eine scharfe Antwort nach sich zieht und am Ende einer weint oder blockiert ist, sind normal. Doch es benötigt gar keine elektronische Kommunikation. Wir können das auch im "Real Life".

„Man sollte nicht nur den anderen, sondern vor allem sich selber ernst nehmen.
Und man sollte vor Enttäuschungen nicht davonlaufen.
Wir können weder in die Antike noch ins Mittelalter zurück,
aber wir können neue Linien der Kommunikation in unsere Zeit hinein zeichnen“

Allein die Tatsache, dass man unterscheidet zwischen einem Menschen, von dem einen wenige Meter Luft trennen und einem Menschen, von dem einen viele Kilometer Kupfer oder Glasfaser trennen, ist schon absurd. Außer der mit Chili angereicherten Kommunikation oder der mit der Stoppuhr zugemessenen Redezeit ist auch die weichgespülte (woke) Rede toxisch. Wenn Zulässigkeit der Argumente vom Sprecher abhängig ist, ist die Kommunikation schon gestorben. Zudem gilt: jede Ideologie tötet Argumente.

Die politische Debatte ist meistens nicht das Ringen um die Wahrheit, sie ist das Ringen um die gute Lösung, die bestenfalls auf dem Boden der Wahrheit findbar ist. Wo es keine letzte Wahrheit gibt oder diese sich der Erkenntnis entzieht, ist es die Suche nach der guten Lösung auf dem Boden der Redlichkeit. In den meisten Fällen im Alltag gilt in der Tat, dass es Wahrheit nur zu zweit gibt. Das verlangt die ehrliche Debatte.

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Politische Debatte ist kein Ringen um Wahrheit

Leider ist die Debatte derzeit tot. Der dysfunktionale Streit um den Umgang mit der Ausbreitung des Virus mit dem Namen SARS-CoV2,populär auch Corona genannt, ist ein Musterbeispiel für eine schon vor langer Zeit verstorbene Debattenkultur. Ein Wiedergänger, den man als Zombiekommunikation bezeichnen könnte, ersetzt den Diskurs. Das Virus ist endemisch oder wird es gerade, je nach Definition. Wir aber lecken noch die von kommunikativen Zombies gerissenen Wunden. In der fast nur Top-down geführten Kommunikation erfüllte der Begriff "Wissenschaft" die Funktion des Befehls.

Der Begriff Kritik, der aus dem griechischen kommt und sich von fragen/nachfragen herleitet und elementarer Bestandteil von Wissenschaft ist, wurde diskreditiert. Man sprach despektierlich von "maßnahmenkritischer Klientel" und rückte die, die Regierungshandeln infrage stellten, in die Nähe von Kriminellen. Wer Opposition kriminalisiert ist schon nicht mehr demokratisch. Es ging nicht mehr darum, wer Recht hatte. Es ging um brutale Durchsetzung. Wer im Vorfeld den Andersdenkenden schon ausgrenzt, statt sich zumindest dessen Argumente anzuhören, ist ein Kommunikationszombie.

Wer sich am Staat orientiert, besitzt am Ende nicht mal mehr Humor

Die dem Staat vorauseilende Gehorsamskultur cancelte auf dem Höhepunkt sogar den Clown. Und da wird es mehr als nur kulturell bedrohlich. Nur Despoten fürchten Humor. Als Künstler sich bissig-kritisch-clownesk mit den Maßnahmen, mehr aber noch mit der Kommunikationskultur befassten, mussten sie um ihre Jobs fürchten. Die Kommunikationszombies forderten nicht nur die Werke zu canceln, sie wollten die beteiligten Menschen ihrer wirtschaftlichen Existenz berauben. Damit ist dann der letzte Schritt der dysfunktionalen Kommunikation erreicht und der heißt, wenn er von staatlicher Gewalt ausgeübt oder gedeckt wird, Zensur. Der nächstfolgende Schritt ist körperliche oder gar lebensbedrohende Gewalt. 

Man sieht daran, wie real die Gefahr durch eine dysfunktionale Kommunikation wird. Sobald Regierungshandeln als alternativlos bezeichnet wird, wird es Zeit, nach einer alternativen Regierung zu suchen. Diese Lehre sollten wir ziehen, denn man konnte erkennen, wie der dysfunktionalen Kommunikation ein Handeln hart an der Grenze der Legitimität folgte. Egal wie unzufrieden man mit der derzeitigen Regierung sein mag, allein die Tatsache, dass ein Regierungswechsel funktioniert hat, sollte erleichtern, Hoffnung machen und Auftrag sein.

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Die Kirche praktiziert derzeit irrelevante Zombiekommunikation

Der Debatte müssen wir allerdings erst wieder auf die Beine helfen. Das gilt nicht zuletzt im innerkirchlichen Bereich, wo derzeit bestens unter Beweis gestellt wird, wie man sich mit Zombiekommunikation in die Irrelevanz kegelt. Wer den Geschäftsordnungsantrag verwendet wie der Westernheld den tiefgeschnallten Colt – keiner zieht schneller, keiner schießt öfter –, muss sich nicht wundern, wenn er sich damit selber die Zielscheibe auf die Stirn malt.

Eine Stakkatokommunikation von Einminutenbeiträgen, in der es nur darum geht, seine eigenen vorab medial aufgeblähten Kampfbegriffe möglichst oft in die Arena geworfen zu haben, wo sie die Kampfbegriffe des Gegners filetieren sollen, kann am Ende nur weitere Kommunikationszombies gebären. Der Synodale Weg, den Deutsche Bischofskonferenz und Zentralkomitee deutscher Katholiken vom Zaun gebrochen haben, hat die schon vorher existierenden Gräben in den und zwischen den deutschen Bistümern vermutlich endgültig unüberwindlich gemacht.

Nur wer Argumentationen des Gegenübers versteht, kann antworten

Wie anders war Kommunikation im viel gescholtenen Mittelalter. Da Thomas von Aquin kein Facebook hatte, hatte er die Zeit, die Schriften seiner Gegner in hinreichender Tiefe und Breite zu rezipieren, zu lesen und deren Argumente sogar mit eigenen Worten noch anzuschärfen. Liest man die Summe der Theologie, so könnte man denken, der heiligeThomas versteht sogar die Häresien besser als die Häretiker. Tatsächlich ist eine gute Häresie sehr anspruchsvoll. Man versuche mal, sich den Arianismus erklären zu lassen. Immerhin war das eine der erfolgreichsten antiken Häresien. Sogar Herrscher waren davon überzeugt. Erst wenn der scholastische Disputant die Position seines Gegners in der Tiefe verstanden hatte, machte er sich daran, diese Stück für Stück zu zerlegen und zu widerlegen.

Dass man dazu natürlich zuerst auch seine eigene Position in Gestalt einer These nachvollziehbar darlegen musste, war zumindest damals selbstverständlich. Die These und das Sed contra (dagegen spricht, also die Ansicht der Gegner) waren zu erklären und erst darauf folgte die rhetorische Darlegung, warum der Gegner falsch liegt und der Schluss der Richtigkeit der eigenen Position. Der Vorteil einer solchen klassischen Auseinandersetzung liegt darin, dass man unbedingt verpflichtet ist, dem Gegner zuzuhören und die eigene Position nachvollziehbar darzulegen. Das gilt für alle Beteiligten. Kommunikationszombies können dann und nur dann nicht mehr existieren.

Jesus ent-täuscht, wo immer dies nötig ist

Natürlich dürfen Christen auch immer einen biblischen Befund erheben oder evangelikal fragen: What would Jesus do? Tatsächlich zeigt sich Jesus in den Evangelien als ein Meister der Kommunikation. Er zeigt auch, dass ein feiner Humor, der den Gegner nicht lächerlich macht, sondern lächeln lässt, der funktionalen Kommunikation zuträglich ist. Immer wieder in der Schrift verweist er gerade die Schriftgelehrten darauf, dass er selber nichts anderes sagt, als in der Schrift steht. Jesus nimmt den anderen immer ernst, hört zu und antwortet wahrhaftig. Aber – auch das zeigt Jesus in seiner Weise zu kommunizieren – gilt es, sich selbst ernst zu nehmen.

Der Herr stand im Konflikt, dass die Menschen ihn zum politischen Herrscher machen wollten, der er ihnen nicht sein konnte. Jesus ließ die Täuschungen nicht im Raum stehen, sondern er ent-täuscht die Menschen, wo immer dies nötig ist. Mehr noch, er fordert von seinen engsten Freunden Ernsthaftigkeit, wenn er sie fragt, ob auch sie gehen wollen. Damit finden wir im Evangelium den innersten Kern gelungener Kommunikation: Man sollte nicht nur den anderen, sondern vor allem sich selber ernst nehmen. Und man sollte vor Enttäuschungen nicht davonlaufen. Wir können weder in die Antike noch ins Mittelalter zurück, aber wir können neue Linien der Kommunikation in unsere Zeit hinein zeichnen. Wir können nicht die Zeit zurückdrehen und wir können nicht die sozialen Medien abschalten. Aber wir können die Formate der Kommunikation überdenken und auf ihre Funktion überprüfen.

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Peter Winnemöller Exkommunikation Häresie Katholische Kirche Synodaler Weg Thomas von Aquin

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