Désinvolture ist nicht nur eine charakterliche Disposition, sondern sie kann sich auch durch exzessive Lektüre einstellen das war die These des ersten Teils dieses Versuchs. Nun mag sich diese These auf den ersten Blick selbstverständlich, ja banal anhören. Denn wer kennt nicht jenes lesende Versinken in einen Text, wobei man der Welt mehr und mehr abhandenkommt? Aber dieses Schmökern allein erzeugt noch keine Désinvolture, denn irgendwann taucht man aus dem Text wieder auf, und die Probleme der Welt sind immer noch da, und zwar ebenso bedrängend, wenn nicht sogar bedrohlicher als zuvor. Désinvolture ist keine Flucht, sondern ein Verlassen der Gravitationssphäre des Alltags.
Lesemarathon
Mit heiterer Distanz widerstandsfähig sein
Wie macht man sich immun gegen Informationsfülle und Meinungschaos? Ein Weg kann die Lektüre von Autoren sein, die des Désinvolture, also einer gewissen Form der Distanz und genauen Beobachtung, mächtig waren. Die Memoiren des Herzogs von Saint-Simon bieten sich an. Lektüre und Désinvolture – zweiter Teil eines Essays über die Macht des Lesens in Corona-Zeiten.