Medien.Macht

Wie Russland mit Social-Media-Anbietern umgeht

Soziale Medien sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Viele Menschen nutzen das Angebot, um sich abseits etablierter Nachrichtenanbieter zu informieren. Das ist in der Politik einigen ein Dorn im Auge und sie gehen - je nach Grad der Skrupellosigkeit - gegen die Dienstanbieter vor.
Soziale Medien nutzen ihre Macht, stehen aber auch seitens der Politik unter großem Druck
Foto: Yui Mok (PA Wire) | Sie nutzen ihre Macht, stehen aber auch seitens der Politik unter großem Druck: Die Dienstanbieter der Sozialen Medien handeln nach dem uralten Motto "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing".

Wie überall auf der Welt gelten Medien auch in Russland als „vierte Macht“. Soziale Medien sind in unserer Zeit wiederum die stärksten Medien, nicht zuletzt, weil sie von milliardenschweren internationalen Tech-Konzernen betrieben werden. Diese Medien gehen bekanntermaßen weit über ein klassisches Medienverständnis hinaus und werden vorwiegend als Apps auf Smartphones genutzt. Eine solche App betrieb der in Russland inhaftierte Oppositionspolitiker Nawalnyj vor der letzten Duma-Wahl. Dort wurden Nutzer aufgefordert, interaktiv ihre Stimme für Alexej Nawalnyj zu geben und für den Politiker zu werben.

Doch auch auf anderen Medien war der Politiker aktiv, um Stimmen einzuwerben. Am Freitag vor der Wahl blockierte der russische Social-Media-Anbieter „Telegram“ ein automatisiertes Programm, einen sogenannten Bot, zur Abfrage der Wahlempfehlungen des inhaftierten Oppositionsführers. Telegram wurde von dem Russen Pawel Durow gegründet, der schon vor Jahren Russland verließ. Durow begründete die Löschung des Nawalnyj-Bots damit, dass der Tag vor der Wahl traditionell von Wahlwerbung frei zu sein habe. Auch Google und Apple beugten sich dem staatlichen Druck.

„Auch Beiträge der politischen Opposition oder Aufrufe zu Demonstrationen und Protesten
werden von der russischen Medienaufsicht Roskomnadzor als ‚gefährliche Inhalte‘ eingestuft und geahndet“
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Diese waren von örtlichen Behörden mit Bußgeldern und strafrechtlicher Verfolgung von Mitarbeitern bedroht worden, sollten sie Nawalnyjs Wahlempfehlungssystem nicht aus ihren Systemen nehmen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete unter Bezug auf Google, dass Nawalnyjs Wahlkampf-App aufgrund dieser Drohung aus Google Play entfernt worden sei. Darüber hinaus löschte Google den Zugang auf Dokumente in Google Docs. Die dort hinterlegten Empfehlungslisten für Nawalnyj waren aus Russland nur noch per VPN zu erreichen. Nicht nur Telegram oder Google und Apple, sondern auch Facebook steht in Russland unter Druck.

Wegen seiner fortgesetzten Weigerung, in Russland illegalen Content wie Kinderpornographie, Beiträge zum Herstellen von Drogen oder politisch unerwünschte Inhalte nicht zu blockieren, ist der Konzern in Gefahr, eine hohe Strafe zahlen zu müssen. Doch auch Beiträge der politischen Opposition oder Aufrufe zu Demonstrationen und Protesten werden von der russischen Medienaufsicht Roskomnadzor als „gefährliche Inhalte“ eingestuft und geahndet, welche die Aktivitäten der Tech-Konzerne in Russland überwacht. Nach Berichten der russischen Zeitung Wedomosti hat Roskomnadzor im Oktober Strafen gegen Facebook angekündigt, die eine Höhe von 5 Prozent bis 10 Prozent des Jahresumsatzes von Facebook in Russland betragen können.

Ost oder West - jede Macht lässt nach eigenen Interessen löschen

Doch auch im Westen wird mitunter gelöscht. Wie jüngst Google angesichts der Sperrung der Youtube-Kanäle von „RT deutsch“. Der Sender wird von Russland betrieben und gilt vielen in Deutschland als Putins Propagandasender und Fakenewsschleuder. In Russland reagierte man heftig auf die Sperrung. Margarita Simonjan, Chefredakteurin der RT-Senderfamilie in Moskau, kritisierte die Sperrung YouTube via Twitter und nannte das Vorgehen irrigerweise einen „Medienkrieg". Russland müsse, so Simonjan, auf den Schritt mit Konsequenzen gegen die Deutsche Welle sowie die Büros von ARD und ZDF in Russland reagieren. Fazit: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es in Russland offensichtlich nicht dasselbe.

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