Sie liegen voll im Trend. Allein auf der beliebten Streaming-Plattform Spotify gibt es aktuell mehr als 2,6 Millionen Podcasts. Unter den zahlreichen Angeboten ist für fast jeden etwas dabei – außer man möchte vielleicht einen Raumfahrtbericht. Darauf bin ich bisher noch nicht gestoßen. Für alle „Normalos“, die sich für politische Podcasts, wissenschaftliche Podcasts und Unterhaltungspodcasts interessieren, ist definitiv etwas zu finden. Warum sollte man bei der Fülle von Angeboten also überhaupt noch einen neuen Podcast starten? Und wie geht das denn? Brauche ich dafür ein eigenes Tonstudio?
Die Idee war ursprünglich gar nicht ein Podcast
Ich habe es ausprobiert. Meine Idee war ursprünglich gar nicht, einen Podcast aufzubauen, sondern, inspiriert von der Vortragsreihe „Brennen, um für Jesus zu entzünden“ von Johannes Hartl, eine Online-Serie mit Textbeiträgen zu gestalten, in denen junge gläubige Christen auf Fragen von atheistischen Jugendlichen antworten. Mein Kollege warf bei der Vorstellung dieser Idee allerdings die durchaus berechtigte Frage in den Raum: Warum nicht die beiden Parteien ins Gespräch miteinander bringen und einen Podcast starten? Ich war sofort begeistert von der Idee, weil ich a) ein sehr begeisterungsfähiger Mensch bin und b) so etwas noch nie gemacht hatte und mich immer gern ausprobiere. Während der Kollege und ich beide total überzeugt von der Idee waren, schlug uns aber auch Skepsis entgegen: Ob sich da geeignete Gesprächspartner finden lassen, die mitmachen wollen? Ob man dafür ein riesiges und teures Aufnahmeequipment braucht?
Bei meinen Freunden dagegen traf die Idee auf ungebremste Begeisterung – manche sahen mich schon als den nächsten Talkshow-Star. Zwei meiner engsten Freundinnen mussten dann auch gleich als Versuchskaninchen herhalten: Bei Chips und sauren Würmchen sollten sie sich über das Thema „Verzeihung“ unterhalten, während ich versuchte, das Gespräch einigermaßen sicher zu lenken – auch das Moderieren war mir neu! In meiner Familie waren die Meinungen eher geteilt: Mütterlicher, weiblicher Enthusiasmus, der die Idee super fand und überzeugt war, dass das gut wird, traf männliche Skepsis, ob das denn wirklich zu machen sei und ob für existenzielle Fragen denn überhaupt Interesse bestehe.
Begeisterung und Ernüchterung
Auch mein anfänglicher Enthusiasmus schlug ziemlich schnell in Ernüchterung um, als ich merkte, wieviel Arbeit hinter einem Podcast steckt: Zuerst einmal musste ich mir ein Konzept überlegen: Was ist Ziel des Podcasts? Wie soll die Gesprächsatmosphäre sein? Mit wie vielen Folgen starten wir? Wie soll der Gesprächsaufbau sein? Was sollen die Themen sein? Wer könnten geeignete Gesprächspartner sein? Wie nehmen wir die Gespräche auf – im Lockdown? Das Konzept stand zwar recht schnell, doch die Umsetzung war wesentlich schwieriger zu bewältigen. Als am schwierigsten entpuppte sich – wie prophezeit – geeignete Gesprächspartner zu finden. Vielleicht war meine Idee auch schon zu konkret: Sie sollten jung (bis 30), überzeugt christlich (vorzugsweise katholisch), beziehungsweise atheistisch, cool, fest in ihren Standpunkten und doch offen für andere Meinungen sein.
„Die Begründungen für die Absagen reichten von schlicht
‚kein Interesse‘ über ‚keine Zeit‘ bis zu ‚Ich werde Vater.‘“
Um Wesen dieser seltenen Spezies zu finden, wühlte ich mich durch sämtliche christliche Zeitschriften und spionierte potenzielle Kandidaten auf den Sozialen Netzwerken aus, um ihre Persönlichkeiten einschätzen zu können. Jedes Mal, wenn ich auf jemanden gestoßen bin, der mir geeignet erschien, stieg mein Begeisterungspegel, mit jeder Absage rauschte er aber wieder ganz schnell in den Keller. Denn Personen zu finden, die diesen Ansprüchen genügen konnten und zugleich noch bereit waren, an einem solchen „sozialen Experiment“ teilzunehmen, war in etwa so leicht wie eine verborgene Schatzkiste voller Gold zu finden. Ist mir zumindest noch nie passiert! Die Begründungen für die Absagen reichten von schlicht „kein Interesse“ über „keine Zeit“ bis zu „Ich werde Vater.“ Aber jedes Mal, wenn ich kurz davor war zu verzweifeln oder aufzugeben, haben sich wieder Türen geöffnet:
Die Folge, die auf den wackeligsten Beinen stand, war die zum Thema Verzeihung: Bis kurz vor Aufnahmebeginn stand weder der christliche noch der nicht-christliche Gesprächspartner fest. Als ich dann aber mal mein Zimmer durchstöberte, fiel mir ein Magazin mit der Geschichte von Miriam Geske, die den Mördern ihres Vaters verziehen hat, in die Hände. Zufall? Ich glaube nicht!
Politische Maßnahmen in der Pandemie, erschweren das Arbeiten
Eine andere große Hürde war die Aufnahmetechnik. Wie nimmt man einen Podcast auf, wenn Kontaktverbote bestehen, ein Teil der Gesprächspartner aus Österreich kommt, ein anderer aus Berlin? Nach einigem Hin und Her entschlossen wir uns, die Gespräche per Zoom mit Headset aufzuzeichnen. Als dann alles so weit stand und auch die Ausstrahlung geklärt war – Radio Horeb erklärte sich bereit, den Podcast beim „Abend der Jugend“ zu senden, wir entschlossen uns, ihn anschließend auf den gängigsten Plattformen zu verteilen – konnte es endlich losgehen. Nachdem ich so lange auf die Aufnahmen hingefiebert hatte, mischten sich Vorfreude, Angst, Nervosität und Aufregung zu einem nervenzerreißenden Gefühlscocktail.
Während der ersten Aufnahme zum Thema „Leid“ mit der ehemaligen Porno-Darstellerin Lou Nesbit und der Home-Church Missionarin Lisa Perwein, die einen unerfüllten Kinderwunsch hat, merkte ich aber ziemlich schnell: Das ging nicht in die Richtung, die ich mir vorgestellt hatte.
Man kann nicht „einfach mal machen“
Ich war so fasziniert von den Lebensgeschichten der beiden, dass ich ganz vergaß, sie in eine Diskussion zu bringen. Als sich dann gerade eine Diskussion abzuzeichnen begann, war das Zoom-Meeting vorbei – und ich stand quasi mit leeren Händen da. (Glücklicherweise erklärten die beiden sich aber nochmal zu einer Aufnahme bereit.) Erstmal zogen wir dann aber die dritte Folge vor, weil ich dafür die nächste Aufnahme vereinbart hatte. Hier lief alles wie am Schnürchen: In der Folge traf Christin Brüning, die die Home-Akademie der Loretto-Gemeinschaft in Salzburg besucht hat und inzwischen angewandte Theologie in Paderborn studiert auf Tobias Wolfram von der atheistisch-humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung. Die beiden hatten feste Standpunkte, waren neugierig auf die Meinungen des jeweils anderen und waren sich sogar in manchen Punkten einig! Außerdem hatte ich meine Moderationskünste schon etwas verfeinert und mich dieses Mal nicht im Nebel der persönlichen Geschichten verirrt. Und dann der Höhepunkt: Nachdem die erste Folge bei Radio Horeb gelaufen war, war es nun an der Zeit, den Podcast bei der ausgewählten Podcastverteiler-Plattform hochzuladen. Mit jeder Sekunde weniger, die die Veröffentlichung des Podcasts näher rückte, wurde mein Herzschlag schneller. Dann: Endlich war er im Internet zu finden! Monate von Vorbereitungen waren endlich praktisch zu sehen! Ich befand mich im siebten Podcast-Himmel.
Die Rückmeldungen waren dann auch überwiegend sehr positiv – übersehen wir mal den Aspekt, dass die meisten Anmerkungen natürlich von meinen Freunden kamen. Doch auch ein junger Hörer äußerte sich über die Tagespost-Mailadresse positiv: „Ich habe gerade die letzte Folge der Podcast-Reihe angehört. Vielen Dank für diese Podcasts. Ich finde das Format sehr interessant und höre wirklich gerne zu. Ich fände es sehr schade, diese Reihe gesamt einzustellen.“ Ein kleiner Kommentar, der mich riesig freute und den ich auch gerne großspurig als meine erste Fanpost bezeichne.
Fürs Podcasten braucht es Durchhaltevermögen!
Aber auch den Podcast zu produzieren war an sich unheimlich ermutigend, denn dadurch wurde mir bewusst, dass Diskussion – auch zwischen komplett anders Denkenden – noch möglich ist. Dass man die gleiche Hoffnung teilen kann, aber trotzdem unterschiedliche Antworten darauf finden kann. Dass man andere Meinungen auch mal stehen lassen kann, ohne deswegen zu leugnen, dass es eine Wahrheit gibt und dass viele Personen auf der Suche sind, gerne sogar den christlichen Glauben teilen würden, aber bisher einfach noch nicht überzeugt sind.
Podcasten lohnt sich also allein deswegen, weil man selber so viel dabei lernt: Vom Technischen Vorgehen über den Aufbau eines Gesprächs bis dahin, dass man das Denken anderer Personen ein bisschen besser versteht. Neben Technischem Know-How und einem Konzept braucht man aber definitiv ein gutes Durchhaltevermögen!
Die Podcast-Folgen finden Sie alle online unter: open.spotify.com
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