Das dezentrale soziale Netzwerk „Mastodon“ ist seit der Twitter-Übernahme von Tech-Millionär Elon Musk in aller Munde. Denn im Gegensatz zu klassischen sozialen Netzwerken wie Facebook sind dezentrale Netzwerke nicht an ein Unternehmen gebunden, sondern bestehen lediglich aus Servern, sogenannten „Instanzen“, die man mit wenig Aufwand selbst starten und untereinander vernetzen kann. Für die Moderation ihrer Inhalte sind dann die Nutzer selbst verantwortlich.
Eine durchaus zweischneidige Sache: Denn einerseits müssen Nutzer hier keine mehr oder weniger willkürliche Zensur durch ein Unternehmen, das die Plattform zur Verfügung stellt, befürchten. Und persönliche Daten werden, anders als bei Facebook& Co., nicht gesammelt und verkauft. Andererseits erschweren dezentrale Netzwerke die Verfolgung von rechtswidrigen Inhalten online, die eigentlich durch das Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG) geregelt sind.
Besonders die dezentrale „YouTube“-Alternative PeerTube steht deshalb in der Kritik – denn sie dient laut einer Studie der internationalen NGO „Institute für Strategic Dialogue“ rechtsextremen und verschwörungsideologischen Gruppen als Ausweichplattform. Wie Mastodon basiert PeerTube auf der Vernetzung von einzelnen Instanzen: Dort kann man Videos hochladen und dann in anderen, auch herkömmlichen sozialen Medien oder Messengern wie Telegram, teilen. Aber die Instanzen können sich auch untereinander vernetzen – ähnlich, wie sich Konten auf „Twitter“ gegenseitig folgen können und dann ihre Inhalte teilen.
Instanzen mit rechtsextremen und verschwörungstheoretischen Inhalten sind laut der Studie untereinander, aber auch über einige hochvernetzte Instanzen, mit dem restlichen Netzwerk verbunden. Zwar sei die Reichweite laut der Studie noch nicht mit der auf YouTube oder Telegram zu vergleichen, doch die zunehmende Zensur auch durch Telegram könnte die Zahl der Ausweicher in die Höhe treiben.
Nutzer können juristisch belangt werden
Das kann für Nutzer allerdings böse Folgen haben: Denn PeerTube basiert auf der „Peer-to-Peer-Funktion“, was bedeutet, dass ein Nutzer sich schon beim Anklicken eines Videos illegalen Inhalts strafbar machen kann.
Experten warnen deshalb vor der Gefahr, Videos von zweifelhaften Quellen zu öffnen – und raten Nutzern ab, die Netzwerke zu nutzen, wenn sie sich nicht sicher sind, ob die Inhalte legal sind. Mastodon nutzt eine Strategie gezielter Isolation, also die freiwillige Auflösung von Vernetzungen mit Instanzen, die ungewollte Inhalte (Gewalt, Pornografie, Extremismus) verbreiten. Dadurch verlieren diese Instanzen ihr Publikum. Nutzer können sich also entscheiden, nur Instanzen zu folgen, die diese Inhalte nicht tolerieren. Das verhindert allerdings nicht, dass diese Instanzen ihre Inhalte weiter per Verlinkung in klassischen Netzwerken wie Telegram teilen.
Die Entwickler von PeerTube, Framasoft, hat sich in einem Statement von rechtsextremen Nutzern distanziert und stellen mittlerweile Tools zur Verfügung, die die Vernetzung dieser Instanzen erschwert. Verbieten kann PeerTube diese Inhalte aber nicht: Ein Nachteil, der in der Natur dezentraler Netzwerke liegt.
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