Würzburg

Medien: M wie Mediathek

Mit dem Internet haben sich viele Menschen ein neues Rezeptionsverhalten für Bewegtbild angeeignet. TV-Anstalten reagieren darauf mit Mediatheken - nicht immer in gleicher Qualität.
ARD-Mediathek
Foto: Stefan Krausse (ARD Online) | Auf den Displays von Smartphone, Tablet und Monitor ist die Beta-Version der neuen ARD-Mediathek zu sehen.

Das Fernsehen ist immer noch das Medium, das hierzulande die meisten Menschen erreicht. Der Fernsehapparat ist das Lagerfeuer der Moderne und hat in deutschen Wohnstuben einen festen Platz. Doch auch die Fernsehlandschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. In den 1980er Jahren kam das Privatfernsehen aus den USA nach Deutschland – und mit ihm auch das Spartenfernsehen: Sportsender, Nachrichtensender – und Sender mit religiösem Programminhalt wie etwa „K-TV“ (1999) oder „bibel.TV“ (2002). Der klassische Sendeschluss gehörte der Vergangenheit an. Wer wollte, konnte rund um die Uhr Nachrichten sehen oder Sport. Oder Sendungen mit christlichen Inhalten. Der erste Schritt in Richtung Individualisierung war getan.

Nun befindet sich das Fernsehen erneut in einem tiefen Wandel: Der Zuschauer wird durch den Einsatz von Mediatheken zum eigenen Programmdirektor und wählt nicht nur was, sondern auch wann er etwas schaut. Das bringt einige Probleme mit sich. Zum einen kann die Werbung nicht mehr so genau auf die Tageszeiten (und die zu diesen erwartete Zuschauergruppe) abgestimmt werden, zum anderen sind Sendungen, die aus Jugendschutzgründen des Nachts laufen, in der Mediathek prinzipiell auch am nächsten Vormittag abrufbar. Letzteres Problem lässt sich über Verschlüsselungen lösen, das Problem mit der Werbung besteht, denn es gibt technische Möglichkeiten, die in der Mediathek geschaltete Werbung zu umgehen.

Alle großen Sender haben Mediatheken, auch die Öffentlich-Rechtlichen. Etwas kompliziert wird es bei der ARD, weil in der dortigen Mediathek Sendungen der einzelnen Rundfunkanstalten (als WDR, BR, RBB und so weiter) nicht oder nicht zeitnah zur TV-Ausstrahlung zu finden sind. Auch bei Sendungen, die von verschiedenen ARD-Anstalten ausgestrahlt werden, liegt das Video dazu nur in der Mediathek des federführenden Senders. Als Anfang des Jahres die US-amerikanische Fernsehserie „Holocaust“, die bei ihrer Erstausstrahlung vor 40 Jahren in Deutschland sehr erfolgreich war und die Verbrechen der Nationalsozialisten einer breiten Bevölkerungsschicht nahebrachte, in verschiedenen „Dritten Programmen“ (WDR, NDR, SWR) erneut ausgestrahlt wurde, war sie nur in der WDR-Mediathek zu finden und auch dort nur zeitweilig und folgenweise. Das sorgte für Kritik.

Streamingplattformen erziehen zu neuem Rezeptionsverhalten

Auch die Veröffentlichungsstrategie bei der ARD-Prestigeserie „Babylon Berlin“ wurde kritisiert: Die ersten Folgen waren nach zehn Tagen schon wieder aus der Mediathek verschwunden, als die letzten Folgen gerade eingestellt wurden. Im Zeitalter des „Binge Watchings“ (dem Schauen kompletter Serien in einem Rutsch) ist es etwas antiquiert, eine Serie Folge für Folge in die Mediathek zu stellen – und nach einiger Zeit wieder verschwinden zu lassen.

Dieses Vorgehen widerspricht dem durch Internet und Streaminganbieter anerzogenen medialen Rezeptionsverhalten der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Einer Generation, die ganz wesentlich mit Netflix, Amazon Prime und anderen ihre Mediensozialisation erhält oder erhalten hat, ist eine Mediatheksverwaltung in ARD-Manier nicht mehr zu vermitteln. Dass die „klassischen“ TV-Angebote in der Mediennutzung der Zielgruppe immer weniger Bedeutung haben, belegen auch aktuelle Zahlen: Erstmals liegt bei der „jüngeren Hälfte“ (den 14- bis 29-Jährigen) in diesem Jahr der Bewegtbild-Konsum im Internet klar vor dem im Fernsehen.

Der Trend zur Mediatheksnutzung wird weitergehen. Im Grunde bräuchte es gar kein Fernsehprogramm mehr, wenn da nicht aktuelle Ereignisse oder termingebundene Sportevents wären. Hier gilt noch: Live ist live.

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Josef Bordat Holocaust

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