Elon Musk ist jetzt nicht nur Auto- und Weltraumvisionär, er darf sich jetzt auch Medienmogul nennen. Das könnte ihn seinen Status als reichsten Mann der Welt kosten und seine technologischen Visionen in ernste Gefahr bringen, denn der neue Besitzer von Twitter kauft Twitter von der Börse. Neben den 44 Milliarden Kaufpreis müssen jetzt noch Aktien am Markt aufgekauft werden.
Zwei Risiken
Da Musk seine heute 268 Milliarden US-Dollar Vermögen nicht auf dem Sparkonto hat, diese sind in Tesla und Space X angelegt und gebunden, kommen Investoren und Drittmittel zum Zuge. Geht Twitter pleite, weil die Nutzer nicht unter der Herrschaft von Musk schreiben wollen oder springen Werbekunden ab, könnte der bis dato größte Kurznachrichtendienst schneller marginalisiert sein, als man Tesla sagen kann.
Neben dem wirtschaftlichen Risiko sowohl für Twitter als auch für Musk besteht auch noch ein Risiko für die Nutzer. Musk geht es um die Meinungsfreiheit auf Twitter, die er bedroht sieht. Der Milliardär und Technologievisionär hat wohl ein paar Mal selber Erfahrungen mit Twitterzensur oder dem, was er dafür hält, machen müssen. Es ist wahr, dass Twitter nicht gerade ein Hort der Liberalität ist. Vielmehr gilt Twitter als Heimat einer vorwiegend linksorientierten Meinungsblase. Das ist weder neu noch ein Alleinstellungsmerkmal, denn die Kommunikationsplattformen aus dem Silicon Valley sind ein Spiegelbild des dortigen Mainstreams: Milliardäre im Gewand der Weltverbesserer, wer jetzt an Musk denkt, ist ein maximaler Schelm.
Eine gobale Plattform für Redefreiheit
Musk selber spricht davon, Twitter zu einer „globalen Plattform für Redefreiheit“ machen zu wollen. Ob das mit dem in unserem Grundgesetz garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung gleichzusetzen ist, ist eine ernste Frage. Eine Globale Speakers Corner im weltweiten Hyde Park des Internet verlangt eine zivilisierte Debattenkultur. Hier lebt der Nachrichtendienst von Voraussetzungen, die er selber nicht schaffen kann. Hier braucht es eine Diskursethik, die nicht im Netzwerk implementiert ist, sondern eine, in die das Netzwerk selber implementiert ist.
Ethik hat ihren systematischen Platz immer in der Rahmenordnung. Ist es ein nationales Projekt, dann sind nationale Rechtsnormen bindend. Das Internet hingegen kennt keine Grenzen und keine Regierungen. Hier braucht es internationale Absprachen, die alle für sich als verbindlich ansehen. Mangels Möglichkeiten, hier Recht durchzusetzen, braucht es das gute alte Gentlemen's Agreement, das alle Teilnehmer für sich zum Maßstab machen und sich daran von der Community messen lassen.
Vision oder Medienmacht
Ist Musk tatsächlich ein Visionär, dann sollte er genau dies anstreben, denn ansonsten wird sein schönes Twitterprojekt eine „globale Plattform für Redefreiheit“ nach Gutsherrenart und wenn der Herr Musk mal schlecht geschlafen hat, bekommen unliebsame Twitteruser Albtäume.
Die Grenze zwischen zukunftsweisender Vision der internationalen Kommunikation und der fruchtbaren Debatte verläuft genau da, wo Elon Musk nun entweder seine Version von Redefreiheit oder einen allgemein akzeptierten Standard zum Maß der freien Rede auf Twitter macht. Letzteres wäre dann tatsächlich eine Vision von einem neuen Debattenstil, ersteres wäre nur die altbekannte Ausübung von weltverbessernder Medienmacht.
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