Würzburg

Der Dicke Hund: Twitter sendet seinen Usern Doublebinds

Zensur auf Twitter. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass die Regeln konsequent angewandt oder die Meinungsfreiheit garantiert wird. Der Kurznachrichtendienst macht in political correctness.
Twitter-App
Foto: Matt Rourke (AP) | Twitter löscht nicht oder löscht, ganz nach Gutdünken, wie es scheint. Doch so geht das nicht! Im Bild: Die Twitter-App auf einem Smartphone.

Viele Journalisten und Publizisten sind auf Twitter aktiv. Insbesondere meinungsstarke Publizisten haben in jüngster Zeit mit einem ausufernden Meldewesen auf Twitter zu kämpfen. In den allermeisten Fällen geht es so aus, dass vom Support eine Nachricht kommt, dass ein Tweet, der gemeldet wurde, den Gemeinschaftsregeln entspricht und nicht gelöscht wurde. Auch Twitter muss die freie Meinungsäußerung innerhalb der rechtlichen Rahmenordnung gewährleisten. Andererseits gewinnen zahlreiche Nutzer des Twitterdienstes den Eindruck, gewisse Gruppen auf Twitter seien ganz besonders meldefreudig. Wer sich zu Klima, Gender oder eben zum Islam äußert, macht diese Erfahrungen sehr stark.

Nicht gelöscht - gelöscht

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Ein Erlebnis der besonderen Art machte die Publizistin Birgit Kelle mit einem Tweet zum islamistischen Terrorismus in Nizza. Dieser Tweet wurde sofort gemeldet, obwohl er vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Twitter reagierte auf die Meldung mit einem Hinweis, man habe keinen Verstoß gegen Twitterregeln oder Gesetze feststellen können und deshalb nicht aktiv geworden. Genau einen Tag später wurde derselbe Tweet von Twitter unter Verweis auf die gleichen Regeln gelöscht. Weder im einen oder im anderen Fall wurde eine genaue Begründung geliefert.

Gerichtliche Schritte

Die Publizistin machte die Löschung und die widersprüchliche Bewertung sofort öffentlich und beauftragte ihren Anwalt Joachim Steinhoefel mit der rechtlichen Vertretung. Steinhoefel forderte Twitter mit Fristsetzung bis zum Mittwoch dieser Woche auf, den Tweet wiederherzustellen. Der Tweet ist inzwischen wieder öffentlich abrufbar. Eine Unterlassungserklärung, den Tweet nicht gleich wieder zu löschen, steht hingegen noch aus. Eine Presseanfrage an Twitter blieb, wie erwartet muss man leider sagen, unbeantwortet. Der Kommunikationsdienstleister kommuniziert nicht. Immerhin ist es keine Kleinigkeit, wenn eine Äußerung nach ein und demselben Regelwerk heute als rechtmäßig und morgen als rechtswidrig gewertet wird. Ohne weiteres ist das nicht nachvollziehbar. 

Technik statt Verschwörung

Bevor man eine große Verschwörung der gesamten linksgrünislamischen Welt gegen eine einzelne deutsche Publizistin annimmt, kann man eher davon ausgehen, dass es sich schlicht um ein technisches Problem handelt. Die Prüfung von Beiträgen wird schon lange nicht mehr manuell vorgenommen. Das Aufkommen der Meldungen bei Twitter wäre manuell nicht zu bewältigen. Im zweiten Halbjahr 2019 gingen bei Twitter 798.161 Meldungen ein, im ersten Halbjahr 2020 waren es immerhin noch 765.715 gemeldete Beiträge. Das meldete Twitter in den gesetzlich vorgeschriebenen Transparenzberichten.

Trotzdem keine Ausrede

Das Aufkommen entspricht in etwa drei Meldungen pro Minute allein in Deutschland. Geht man davon aus, dass ein Moderator sorgfältig prüft, um zu einem Urteil zu kommen, erkennt man leicht, dass eine vollständige manuelle Prüfung aller Meldungen nicht möglich ist. Schon lange setzen soziale Netzwerke daher auf Programme, die gemeldete Beiträge auf Schlüsselworte prüfen und nach gewissen Algorithmen sperren können. Je öfter Beiträge mit ähnlichen Kombinationen identifizierter Schlüsselworte gemeldet werden, umso wahrscheinlicher wird die Löschung. Eine Rechtfertigung ist das nicht, denn Gesetze gelten unabhängig technischen Problemen.

Doublebinds

In der Psychologie nennt man es einen Doublebind, wenn eine Person einer anderen zwei entgegengesetzte Botschaften sendet. Doublebinds können schwerer psychische Störungen hervorrufen, weil der Betroffene in einem stetigen nicht auflösbaren emotionalen Zwiespalt lebt. Wenn Twitter seinen Usern durch widersprüchliche Anwendung der Twitterregeln Doublebinds sendet, ist damit zwar kein psychisches Risiko verbunden, es ist aber in jedem Fall ein Dicker Hund. 

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