Für den Rundfunk Berlin-Brandenburg RBB wird zurzeit ein neuer Staatsvertrag ausgehandelt. Er soll den bestehenden Staatsvertrag aus dem Jahre 2013 ablösen. Strittig im Zusammenhang mit dem im Entwurf vorliegenden neuen RBB-Staatsvertrag, der Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Senders für die nächsten Jahre vorgeben und möglichst vor der Sommerpause vom Landtag Brandenburg und dem Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll, sind Zusammensetzung und Kompetenzen von Gremien wie dem Rundfunkrat. Zu dessen 30 Mitgliedern zählen nicht nur Vertreter der Politik und verschiedener Interessenverbände, sondern auch der Religionsgemeinschaften. Laut Rundfunkstaatsvertrag von 2013 sind außerdem „Religionsgemeinschaften auf ihren Wunsch angemessene Sendezeiten zur Verfügung zu stellen“.
Zu wenig Sendezeit für humanistisch-weltliche Perspektive?
Einen Sitz im RBB-Rundfunkrat sowie Sendezeit fordert nun der „Humanistische Verband Berlin-Brandenburg“ HVD BB. Im Gespräch mit der „Tagespost“ erläutert dessen Pressesprecherin Sonja Giese: „Neben den drei Religionsgemeinschaften (katholische und evangelische Kirche, jüdische Gemeinde) muss für die ausgewogene Repräsentanz diverser gesellschaftlicher Gruppierungen künftig auch ein Sitz für den HVD BB als Interessenvertretung konfessionsloser Menschen mit einer humanistisch-weltlichen Lebenseinstellung vorbehalten sein.“ Bei „zentralen gesellschaftspolitischen Themen“ müsse im öffentlich-rechtlichen Rundfunk „neben der religiösen, künftig auch die humanistisch-weltliche Perspektive in Form eigener Sendezeit und -Formate dargestellt werden“. Seine Forderung stützt der HVD BB auf eine vom Verband selbst in Auftrag gegebene Umfrage des Instituts „Civey“, laut der 78 Prozent der Befragten angegeben hätten, „nie oder seltener als einmal im Monat die von den Kirchen gestalteten Programme im RBB zu sehen oder zu hören“, so die HVD-Sprecherin.
Dass es in Deutschland „den Trend einer zunehmenden Säkularisierung in Deutschland“ gibt, weil sich zwei Drittel der Befragten zu einem Leben ohne Religion bekennen, steht außer Frage. Laut HVD geht ebenfalls aus der Umfrage hervor: „Zwei Drittel der Befragten wünschen sich, dass im Programm künftig neben kirchlichen auch weltlich-humanistische Sichtweisen bei gesellschaftspolitischen Fragen berücksichtigt werden.“
Sollte dies zutreffen, bleibt allerdings noch die Frage, ob der HVD BB die „Interessenvertretung konfessionsloser Menschen mit einer humanistisch-weltlichen Lebenseinstellung“ ist. Dazu führt HVD-Pressesprecherin Sonja Giese: „Im deutschen Grundgesetz werden Religionen und Weltanschauungen sehr bewusst als gleichwertig nebeneinandergestellt. Als einzige als KdöR anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft in Berlin und Brandenburg ist der HVD BB den Kirchen rechtlich gleichgestellt.“ Damit bezieht sie sich auf eine Entscheidung des Berliner Senats vom November 2017. Dazu führte damals Bruno Osuch, langjähriger Präsident des Verbandes, aus: Die Anerkennung des Senats sei ein „historischer Schritt in Richtung völlige Gleichbehandlung von konfessionsfreien Humanisten mit den christlichen Kirchen“.
„Die Unterschiedlichkeit der Organisationen und Standpunkte
im KORSO münden immer wieder in eine ,Vielfalt‘,
die nicht mehr schlüssig darstellbar ist.“
Dennoch: Kann der HVD mit seinen 25 000 Mitgliedern – der größte Landesverband ist der von Berlin-Brandenburg mit etwa 14 000 Mitgliedern –, den Anspruch erheben, zwei Drittel der Konfessionslosen in Berlin-Brandenburg, also etwa vier Millionen Menschen, zu repräsentieren? Dazu kommt, dass sich der HVD selbst mit anderen Organisationen des „säkularen“ Lagers offensichtlich nicht einig ist. Laut einer HVD-Pressemitteilung vom 29. März hat der HVD „seine Mitgliedschaft im Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO)“ beendet. Der KORSO e.V. wurde 2008 als Zusammenschluss säkularer Verbände in Deutschland gegründet. Zu den Mitgliedern zählen etwa der Deutsche Freidenkerverband, der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) sowie die Giordano Bruno Stiftung. Die „unterschiedlichen Positionen konnten in den vergangenen Jahren innerhalb des KORSO nicht in eine gemeinsame Strategie überführt werden“, wird als Erklärung angeführt. Und weiter: „Die Unterschiedlichkeit der Organisationen und Standpunkte im KORSO münden immer wieder in eine ,Vielfalt‘, die nicht mehr schlüssig darstellbar ist.“
Die Politik bestimmt die Zusammensetzung
Auf Anfrage der „Tagespost“ möchten sich weder die EKD noch das Erzbistum Berlin zu einer möglichen Vertretung des HVD BB im RBB-Rundfunkrat äußern. „Wir werden jede Entscheidung der Politik respektieren“, sagte etwa Julia Voss, Pressesprecherin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Dies gilt ebenfalls für den RBB selbst: Weil der Rundfunkrat das RBB-Kontrollmedium sei, wäre jedes Einmischen in dessen Zusammensetzung, „als würden wir uns unsere Kontrolleure selbst aussuchen“, so Justus Demmer, Leiter der Abteilung Presse & Information beim RBB, gegenüber der „Tagespost“. Die Entscheidung, ob der HVD einen Sitz im RBB-Rundfunkrat erhält, treffen ohnehin die Landesparlamente in Berlin und Potsdam.
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