Der Privatsender RTL hatte am Mittwoch vor Ostern ein ganz besonderes TV-Experiment gewagt und die Quote gibt dem Sender recht: Fast drei Millionen Menschen sahen sich an diesem Abend "Die Passion" an, eine aus Essen übertragene Neuinterpretation der Leidensgeschichte Jesu. Und nicht nur das: Mit "Wetten, dass ?"-Moderator Thomas Gottschalk als Erzähler, Musical-Star Alexander Klaws als Jesus und Schauspieler Henning Baum als Pontius Pilatus holte der oftmals als Trash-TV-Sender verschriene Kölner Sender bei den als jüngerem Publikum geltenden zwischen 11 und 49 Jahre alten Zuschauern sogar den Tagessieg.
Hashtag #diepassion wird zum Twitter-Hit
Im Internet wurde sich während der Liveübertragung vielfach an der Sendung aus Essen abgearbeitet: Gerade Programme, die in irgendeiner Art und Weise vom christlichen Glauben handeln, dürfen online erwartbar mit "sprungbereiter Feindseligkeit" (Benedikt XVI.) rechnen. Und so meldeten sich vor allem Kritiker der Sendung zu Wort und gossen online vielfach Spott und Häme über das einmalige(?) Format aus, der sich die meisten Feuilleton- und TV-Kritiker aus säkularen Medien wie der "Zeit", dem "Spiegel" bis hin zu "Bild" und "Welt" im Nachgang nur allzu gerne anschlossen - schließlich will man es sich mit der lautstarken Twitter- und Hashtag-Schickeria, die in puncto Mediengeschmack mittlerweile vielfach den Ton angibt, nicht verscherzen.
Ironie der Geschichte: Vermutlich ausgerechnet wegen der massiven Kritik, die sich in den sozialen Netzwerken über "Die Passion" ergoss und beinahe jeden sich als noch so hip und fortschrittlich wähnenden Twitter-User dazu ermunterte, im Sinne von Karl Valentins berühmten Bonmot "Es wurde bereits alles gesagt, nur noch nicht von jedem" auch noch den eigenen unwesentlichen Senf zur "Passion"-Schlachtplatte hinzuzugeben, geriet der Hashtag #diepassion an diesem Abend bei Twitter und Co. zum größten Hit. Und enthüllte ganz nebenbei, dass Mitläufertum sowie Mobbildung gegen einen zuvor auserkorenen Sündenbock auch 2000 Jahre nach der Passion des Herrn vielen immer noch im Blut liegt. In diesem Sinne: Danke, RTL!
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