Quod non est in google, non est in mundo. Vielleicht etwas überspitzt gesagt, in der medialen Wahrnehmung aber durchaus nah an der Realität. Denn: Was man nicht findet, kann man nicht rezipieren. Und Google hilft beim Finden. Insoweit hat Google im Netz die berühmt-berüchtigte Gatekeeper-Funktion für alle relevanten Informationen. Das macht den Quasi-Monopolisten (rund 90-Prozent-Marktanteil in Deutschland) mächtig – und reich an Daten. Mit der „umgekehrten Bildersuche“ lassen sich von jedem Schulkind Ermittlungen über Personen anstellen, von deren Passgenauigkeit die Polizei vor wenigen Jahren noch geträumt hat. Privatsphäre kennt Google ebenso wenig wie die urmenschliche Erkenntnis, dass die Zeit alle Wunden heilt. Google tut sich schwer mit dem Vergessen. Wer sich selbst sucht, bekommt manche Jugendsünde auf Seite eins präsentiert.
„Google Scholar“ verfestigt Zitationskartelle, „Google Books“ erdreistet sich, Buchinhalte offenzulegen, „Google Translate“ sorgt für die Fortsetzung von „Good News in Bad English“ mit anderen Mitteln. Lustiges Detail: Wer Nonsenses-Buchstabenketten von exotischen Sprachen ins Englische übersetzen lässt, erhält manchmal pseudoreligiöse Botschaften. Vergangenen Sommer gingen Meldungen darüber in den Sozialen Medien viral – begleitet von Mutmaßungen, Google Translate sei „mysteriös“ (Vice) oder gar „vom Teufel besessen“ (Futurzone). Doch das mit den „Botschaften“ – Verschwörungstheoretiker aufgepasst! – hat weniger mit Googles Geheimwissen zu tun als vielmehr mit den technischen Gegebenheiten: Der Algorithmus wird mit Bibeltexten getestet, weil die Bibel derjenige Text ist, der bereits am häufigsten übersetzt wurde – von echten Menschen. Man kann also davon ausgehen, dass die Übersetzungen stimmen. Wenn man nun testen will, ob der Algorithmus funktioniert, muss man auf eine sichere Basis zurückgreifen: die Bibelübersetzungen. Wenn nun aber Nonsens übersetzt werden soll, kommt Nonsens in biblischer Sprache raus. Ergo: Der Algorithmus funktioniert. So gut, wie Algorithmen eben funktionieren können.
Spaß beiseite. Denn Google hat vor allem ernste Aspekte, die Anlass zu berechtigter Sorge geben. Dass es etwa der Konzern namens „Google“ immer wieder schafft, sich geschickt aus der Verantwortung zu winden, zeigt das jüngste Urteil zu Googles Maildienst „Gmail“. Der Europäische Gerichtshof hat vor einigen Tagen entschieden, dass Gmail nicht an die gesetzlichen Regeln für Telekommunikationsdienste gebunden ist. Der Maildienst sei nach EU-Recht kein elektronischer Telekommunikationsdienst, urteilten die Richter in Luxemburg, „da dieser Dienst nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht“. Damit folgten die Richter der Google-Argumentation.
Eine technische Spitzfindigkeit mit gravierenden Auswirkungen für den Kampf gegen Cyber- und klassische Kriminalität. Denn das bedeutet in der Praxis, dass Gmail nicht den neuen Verpflichtungen beim Datenschutz und der öffentlichen Sicherheit unterliegt. Die Bundesnetzagentur hatte seit 2012 von Google immer wieder verlangt, diese Pflichten zu erfüllen. Jetzt hat der Google-Konzern es schwarz auf weiß, dass es im Gmail-Universum keine Schnittstellen für den Datenzugriff von Ermittlungsbehörden einrichten muss. Ergo: Wer etwas Kriminelles plant, verabredet sich am besten über Gmail. Ein Pyrrhussieg für den Konzern: Der Vertrauensverlust dürfte größer werden. Noch größer.