Köln

Widerstand im Zeichen von Glaube

Thomas Mertz' Monographie stellt das Wirken von Christoph Probst in den Kontext großer Theologen.
Widerstandskämpfers Christoph Probst
Foto: Wikipedia | Liebe war das Schlüsselwort im Leben des Widerstandskämpfers Christoph Probst.

Lange Zeit wurden die Begriffe „Geschwister Scholl“ und „Weiße Rose“ so gut wie als Synonyme gebraucht. Dies hängt wesentlich damit zusammen, dass in ihrem bereits 1947 erschienenen Buch „Die Weiße Rose“ die älteste Schwester von Sophie und Hans Scholl, Inge Aicher-Scholl (1917–1998), ihre Geschwister in den Mittelpunkt stellte.

Im Laufe der Zeit wurden weitere Mitglieder der Studentenbewegung besser bekannt, so etwa Alexander Schmorell und seine wesentliche Beteiligung an der Entstehung der berühmten Flugblätter der Weißen Rose – die meisten von ihnen stammten von ihm und Hans Scholl. Ebenso früh anerkannt wurde der Einfluss von Kurt Huber auf die Studentengruppe. Spätestens mit der Herausgabe der Briefe und Aufzeichnungen von Willi Graf 1994 rückte ebenfalls ein Medizin-Student in den Blick der Öffentlichkeit, der zwar nicht zur Entstehung, wohl aber wesentlich zur Verbreitung der Flugblätter beitrug.

„...wenn ich es recht bedenke, so war mein Leben ein einziger Weg zu Gott“

Lebt die Dualität „Geschwister Scholl“ und „Weiße Rose“ im Nebeneinander von „Weiße Rose Stiftung“ (gegründet 1987) und „Weiße Rose Institut“ – errichtet 2003 unter der aussagekräftigen Prämisse „Eine Gesamtwürdigung des Widerstandes der Weißen Rose fehlt bis heute“ – weiter, so fällt auf, dass ausgerechnet Christoph Probst, der am 22. Februar 1943 zusammen mit Sophie und Hans Scholl zu Tode verurteilt und hingerichtet wurde, noch keine Monographie gewidmet wurde.

Diese Lücke füllt nun das gerade erschienene Buch „Christoph Probst. Ein Student der ,Weißen Rose‘“ von Thomas Mertz, das nach „Thomas Morus begegnen“ (2011), „Martin von Tours begegnen“ (2014) sowie „Ingenieur – Priester – Vater: Seliger Bischof Álvaro del Portillo“ (DT vom 2.10.2014) als eine Fortsetzung der Beschäftigung des Autors mit Zeugen des Glaubens angesehen werden kann – nicht umsonst stellt Mertz den von Christoph Probst selbst in seinem letzten Brief an seine Mutter (am Tag der Hinrichtung, dem 22. Februar 1943) geschriebenen Satz „...wenn ich es recht bedenke, so war es [mein Leben] ein einziger Weg zu Gott“ an prominente Stelle.

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Thomas Mertz gliedert auf originelle Weise seine Biografie Christoph Probsts in drei große Teile. Unter der Überschrift „Der liebende Unbekannte – ein Lebensbild“ liefert der Autor einen biografischen Abriss. Im zweiten Teil „Ein Briefporträt“ setzt Mertz die verschiedenen Aspekte der Persönlichkeit Christoph Probsts anhand seiner Briefe zusammen. Denn Freundschaft spielt bei allen Mitgliedern der Weißen Rolle eine herausragende Rolle. Wo könnte die Freundschaft besser zutagetreten als in den Briefen?

Freundschaft steht im Zentrum

In den beiden ersten Teilen erfährt der Leser insbesondere von den freundschaftlichen Beziehungen, die Probsts Leben prägten, angefangen mit den Freundschaften seiner Familie mit Künstlern, etwa mit Maria Marc, der Witwe des im Ersten Weltkrieg gefallenen Blauer-Reiter-Maler Franz Marc, oder mit Emil Nolde, bis hin zu der besonderen Freundschaft mit Alexander Schmorell, über den „Christel“ Probst dann Hans Scholl und die restlichen Studenten der Weißen Rose kennenlernte. Dazu gehören aber auch Bernhard Koop, der spätere Ehemann von Christophs Schwester Angelika Probst, oder Otl Aicher – der Inge Scholl später heiratete –, der als Katholik die Scholl-Geschwister und deren Freunde für den Glauben zu gewinnen suchte. Und vor allem auch seine Frau Herta, mit der er leider nicht lange zusammenleben konnte, mit der er aber drei Kinder hatte.

Besondere Bedeutung für die geistige Entwicklung der Weiße-Rose-Studenten besaßen die katholischen Intellektuellen Carl Muth und Theodor Haecker; darauf wies beispielsweise Ralph Studer in dieser Zeitung (DT vom 20.2.2017) hin. Einen Mehrwert besitzt die von Thomas Mertz vorlegte Studie im dritten Teil „... ein einziger Weg zu Gott“. Denn hier stellt der Autor Christoph Probst – und auch die anderen Studenten der „Weißen Rose“ – in den Kontext großer katholischer Denker der letzten Jahrzehnte, etwa Kardinal Newman, Romano Guardini, Josef Pieper, Josefmaria Escrivá und Robert Spaemann, sowie der Lehren von Benedikt XVI. und Papst Franziskus.

Im Abschnitt „Das Leben ist eine Mission“ beispielsweise schreibt Mertz: „Dass jedem Menschenleben eine Mission innewohnt, scheint ein zum Freundeskreis der ,Weißen Rose‘ recht passender Gedanke.“ Unmittelbar danach konfrontiert er diesen Gedanken mit einer Aussage aus „Christus vivit“, dem Schreiben Papst Franziskus' an junge Menschen vom 25. März 2019: „Das Leben hat keine Mission, sondern ist eine Mission.“ Im Abschnitt „Glauben“ zitiert Mertz die Ansprache „Die Waage des Daseins“, die der Theologe Romano Guardini zum Gedenken an die Weiße Rose am 4. November 1945 hielt.

Im letzten Abschnitt seines Buches „Wir werden gerichtet nach der Liebe“ beruft sich Thomas Mertz auf eine Passage aus der Enzyklika „Deus charitas est“, in der Benedikt XVI. von der „Einheit, die Liebe schafft, in der beide – Gott und der Mensch – sie selbst bleiben und doch ganz eins werden“. Er schreibt dazu: „Ein Satz, der für die innere Entwicklung Christoph Probsts stimmig scheint.“ Denn: „Liebe ist das Schlüsselwort im Leben des Christoph Probst.“

Thomas Mertz: „Christoph Probst. Ein Student der ,Weißen Rose‘“.
Paulinus Verlag, Trier 2020, 196 S., EUR 18,–

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