Peter Kwasniewski ist dafür bekannt, eloquent und streitbar für die überlieferte römische Liturgie einzutreten. Das Motu proprio „Traditionis custodes“ von Papst Franziskus hat dieses Engagement, sofern dies überhaupt möglich ist, noch verstärkt. Jüngste Frucht dieser nicht nur für den Autor essenziellen Auseinandersetzung mit Form und Inhalt eines Rituals, das weit mehr als ein heiliges Spiel, sondern vielmehr die je neue Realisierung des erlösenden Kreuzesopfers Jesu Christi beinhaltet, ist sein Büchlein „Wahrer Gehorsam in der Kirche. Ein Leitfaden in schwerer Zeit“.
In diesem bei Os Justi Press nun auch in deutscher Sprache erschienenen Bändchen geht es um die Frage, wem oder was man in der gegenwärtigen Situation gehorsam sein kann und muss. Für viele mag diese Frage belanglos sein. Denn wer ohnedies seinen je eigenen Vogel zum Heiligen Geist erklärt, lächelt zumeist nur müde, wenn das Thema Gehorsam angeschnitten wird. Überhaupt jemandem außer dem eigenen Willen gehorsam zu sein, erscheint den meisten geradezu als Menschenrechtsverletzung.
Kwasniewski sieht das anders. Zu Recht. Denn hier geht es um mehr als um belanglose Alltagsentscheidungen, die jeder gefahrlos selbst treffen kann. Hier geht es um nicht mehr und nicht weniger als das ewige Heil. Das aber sieht Kwasniewski in Gefahr. Zugleich sind seine Überlegungen grundsätzlicher Natur und daher auf mehr als die Frage „Messe aller Zeiten“ oder „Novus Ordo“ anwendbar.
Hinderlicher Gehorsam?
Wenn Gehorsam in Fragen des Glaubens notwendig ist, stellt sich die Frage, von wo er sich herleitet und wie man ihn angemessen verstehen und klug umsetzen kann. Dazu zieht Kwasniewski in erster Linie die Kirchenväter und schwerpunktmäßig Thomas von Aquin heran. Der doctor angelicus hat gründlich darüber nachgedacht, welche Art von Gehorsam heilsnotwendig, welche rechtmäßig und welche unrechtmäßig ist, so dass man seine logischen Schlüsse auch heute noch als handlungsleitend heranziehen kann. Kwasniewski vermittelt die Gedankenwelt des Aquinaten vor allem deshalb, weil er der Überzeugung ist, dass gegenwärtig durch das weitgehende Verbot der Feier der überlieferten römischen Liturgie eine Situation eingetreten ist, in der die gewohnten Strukturen des Gehorsams im Hinblick auf das ewige Heil eher hinderlich als zielführend sind. Dies ist im Ergebnis auch deshalb interessant, weil manch ein synodaler Weggenosse derselben Überzeugung anhängt. Allerdings geht es Kwasniewski nicht darum, Gehorsamsstrukturen generell aufzuheben und durch eine #für-mich-Spiritualität zu ersetzen, in der alles gutgeheißen wird, was sich gut anfühlt. Er legt vielmehr dar, dass Traditionis custodes das von Papst Benedikt XVI. so eindrucksvoll bekräftigte kontinuierliche Wachstum und die dauerhafte Gültigkeit der traditionellen lateinischen Messe grundsätzlich infrage stellt. Aber der Autor ist mit dem emeritierten Papst der Auffassung, dass das, „was früheren Generationen heilig war, auch uns heilig und groß bleibt; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein“.
Für genau diesen Punkt liefert Kwasniewski eine Fülle von Belegen. Der Theologe, dessen Belesenheit auf dem Gebiet der Kirchendokumente immens ist und ihm ein sicheres Navigieren in deren tiefen Sinnschichten ermöglicht, macht nachvollziehbar, wo die Bruchlinien verlaufen und dass die Gläubigen durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils von jenem Heil-, Heilungs-, und Heiligungsraum abgeschnitten wurden, der sich ihnen in der überlieferten Liturgie bietet. Wenn diese verboten wird und Priester sanktioniert werden, die ohne ausdrückliche bischöfliche Erlaubnis weiterhin den überlieferten Ritus feiern, ist aus Kwasniewskis Sicht der Fall eingetreten, in dem Gehorsam nicht mehr sinnvoll ist. Auch wer seine Schlussfolgerung nicht teilt, wird seine Schrift mit Gewinn lesen.
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