Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Buchrezension

Mit leichtem Gepäck unterwegs zum Herrn

Niklaus Kuster empfiehlt, im franziskanischen Geist als Christ minimalistisch zu leben.
Feature / Symbol: Zu verschenken 07/23 thg Aussortierte Bücher zum Mitnehmen in Bielefeld im Juli 2023 Deutschland aufrä
Foto: IMAGO/teutopress GmbH (www.imago-images.de) | Aussortierten und verschenken als Wohlstandsphänomen: Immer mehr Zeitgenossen sind davon überzeugt, dass weniger mehr ist.

Spätestens seit die japanische Ordnungs-Queen und Bestsellerautorin Marie Kondo das Entrümpeln zu einem attraktiven Life-style- und Selfcare-Element gemacht hat, beschäftigen sich manche mit der Frage, welche der vielen Dinge, die sich im Laufe ihres Lebens angesammelt haben, entbehrlich sind. Das Problem, das dabei entsteht, ist, dass der entstandene Freiraum sich für gewöhnlich sehr schnell wieder füllt. Und zwar nicht mit Sinn, sondern mit Sachen. Genau an diesem Punkt setzt das Buch von Niklaus Kuster an. Denn der Franziskaner, Autor und geistliche Begleiter weiß, dass eine Freiheit, die nur eine „Freiheit von“, aber nicht eine „Freiheit für“ ist, sich als sinnlos erweist und nur allzu schnell wieder mit neuen Surrogaten gefüllt wird, wenn man dem eigentlichen, dem Suchen und Fragen nach dem letzten Sinn, aus dem Weg geht. Darum gehört zum Einüben in die Freiheit die Bindung, die dafür sorgt, dass der leer gewordene Raum zu einem erfüllten wird.

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In vier Kapiteln zeichnet Kuster nach, worum es beim Weg in die von so vielen ersehnte und von so wenigen gefundene Freiheit geht. Ein wichtiges Element der „Weniger ist mehr“-Bewegung ist der Wunsch nach mehr Beweglichkeit. Aber natürlich kommt es auf die näheren Umstände an. Touristen, Flüchtende und Pilger sind gleichermaßen mit leichtem Gepäck unterwegs. Aber ob ihr Weg am Ende ein glücklicher ist, hängt von vielem, am meisten aber von ihrer inneren Einstellung ab. Wie wenig man wirklich braucht, wird den meisten erst dann bewusst, wenn sie die vielen Dinge und das wahre Leben zueinander in Bezug setzen. Hier liegt der Grund für den Boom des Pilgerns, bei dem die Suchbewegung ein Ziel bekommt, das ein Gesicht hat. Dass jeder Mensch nur Gast auf Erden, also gewissermaßen auf der Durchreise ist, wie Kuster anhand einer rabbinischen Geschichte in Erinnerung ruft, kann weitreichende Auswirkungen auf das entfalten, was man nach dieser Erkenntnis noch zu brauchen meint.

Viele Flüchtlinge fingen mit einem Koffer neu an

Orientierend wirkt hier der Blick auf die harte Realität der vielen Flüchtenden und die Vergangenheit unserer eigenen Geschichte. Wer sich mit dem wenigen konfrontiert, das 1945 in die Handkoffer der Vertriebenen passte, die sich auf den Weg in den Westen machten, der beginnt unwillkürlich, darüber nachzudenken, was im eigenen Koffer Platz finden würde. Wie sich das Verhältnis von viel und wenig alltagspraktisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch und spirituell ausbuchstabieren lässt, ist das Thema des zweiten Kapitels.

Wer einmal umgezogen ist, weiß, dass Verschenken eine Lösung ist, weil man auf einmal merkt, dass all das, was da in Schränken und Schubladen verstaut ist, seit Jahren nicht gebraucht wurde. Dies gilt umso mehr, wenn die Vielzahl der Dinge die Lebenszeit bindet, die durch Beziehungen zu Menschen und der Natur gefüllt werden könnte. Doch auch die können zur Ablenkung vom Eigentlichen führen, wie Niklaus Kuster an der Geschichte eines Mitbruders entfaltet, der ein großes Netzwerk an Kontakten hatte, denen es aber an jener erfüllenden Tiefe mangelte, die die Seele nährt.

Was wirklich dauerhaft glücklich macht

Dass die Sucht nach Dingen sich in einem viel zu großen Fußabdruck derjenigen zeigt, die auf Kosten anderer konsumieren, ist eine weitere Facette, die Kuster aufzeigt und zugleich in seinem persönlichen Alltag erprobte Wege weist, die inspirierend wirken können und zu einem Wandel ermutigen. Eine spannende, inhaltlich zunächst ungewöhnlich wirkende, logisch aber folgerichtige Wendung nimmt das Kapitel, als Kuster das Weniger-ist-mehr im Bereich der Politik reflektiert. Denn hier wird deutlich, dass die Werbung um Wählerstimmen immer zu mehr Versprechungen führt, die allen weniger bringen, zumal dann, wenn sie ohnedies nicht eingehalten werden können.

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In „Weniger Dinge, mehr Leben“ fokussiert der Autor die Frage nach dem, was wirklich glücklich macht, und verweist dabei auf mehrere eindrucksvolle Lebensbeispiele von Menschen, die vom konsequenten Minimalismus, bei dem die wenigen Dinge des Lebens in eine Reisetasche passen, bis zum temporären Verzicht auf Medien, Handy, mehr eine wandelnde Wirkung im Leben entfalten. Darüber hinaus geht es um das Leben in Fülle – das eigentliche Ziel all derjenigen, die die Kraft des Verzichts für sich entdeckt haben, erfahren. Dass sie für Niklaus Kuster in einem christlichen Leben zu finden ist, scheint dabei auf vielerlei Weise immer wieder neu durch. Sein Erzählstil ist leicht, er bringt viele Lebensbeispiele, die Chancen und Grenzen der unterschiedlichen Methoden des Freiwerdens vom „Zuviel“ aufzeigen, und bleibt dabei gleichermaßen wertschätzend. Die Freiheit, die sein Konzept von Weniger-ist-mehr bringt, beinhaltet eben auch die Freiheit von dem Drang, andere beurteilen zu müssen. Entstanden ist so ein anziehendes Buch, dessen Nachdenklichkeit sich mit heiterer Leichtigkeit verbindet. Franziskanisch gut!

Niklaus Kuster: Weniger haben, mehr sein. Freiraum für ein erfüllendes Leben gewinnen. Patmos, Augsburg, 2024, 165 Seiten, EUR 22,-

Die Rezensentin ist freie Journalistin, Theologin und Kirchenmusikerin.

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Barbara Stühlmeyer Flüchtlinge

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