Es gibt sehr viel Kritik an Gendermainstreaming. Es wurde bereits systematisch die Philosophie kritisiert. Es wurde kritisiert, dass es nie eine Debatte darüber gab, welche Rolle Gender spielen darf. Es wurde kritisiert, wie Gender in alle Bereiche des Lebens Einzug hielt. Es ist hinreichend kritisiert worden, dass Gender ohne Parlamentsbeschluss Leitmotiv von Regierungshandeln wurde. Das alles gab es schon und ist bekannt. Welchen Grund könnte es für eine renommierte Kritikerin geben, noch ein Buch zu schreiben? Birgit Kelle hat sich erlaubt, Gender bis zu Ende zu denken. Das befreiende Lachen von „Gendergaga“ reichte nicht, um zu beschreiben, was Gender am bitteren Ende sein wird. Es wird Zeit für eine zweite Welle. „Noch normal? Das lässt sich gendern!“ ist nichts für schwache Nerven. Da wird radikal gegendert, was das Zeug hält.
Radikal ist Gender in der Tat. Das macht Birgit Kelle sehr deutlich. Sie zeigt auf, wie sehr Gender an die Wurzeln unserer Gesellschaft geht. Am Anfang steht eine Katze. Spezieswechsel per Definition geht nicht? Das denken nur Anfänger. Ein fast sechzigjähriger Mann wird ein siebenjähriges Mädchen? Alles geht und alles ist gegendert. Das ist keineswegs irreal, das gibt es schon. Die Autorin erklärt, warum Opfer immer recht haben und wer ein Opfer ist. Es reicht, die richtige Hautfarbe zu haben oder die richtige geschlechtliche Identität. Wehe wer dem Opfer seinen Opferstatus aberkennen will, denn neben den geborenen Opfern gibt es die geborenen Täter. Der weiße alte Mann ist Editio typica, ist das Feindbild schlechthin. „Kapitalist ist er, Kolonist, Rassist, Hüter seiner weißen Privilegien“, zählt die Autorin die Vorwürfe gegen Männer auf, die regelmäßig als Hashtags im Twitterfeminismus als „toxische Männlichkeit“ durchs globale Dorf getrieben werden. Da wird schon allein die Existenz eines Weißen zu einer verletzenden Tat. Gender ist vernichtend. Immer werde die Schuld den kulturell geprägten patriarchalen Strukturen zugewiesen, so die Autorin.
„Die bisexuelle, schwarze, alte, dicke ,Transfrau‘ im Rollstuhl kann
hingegen mit einem sechsfachen Opferpunktekonto glänzen.“
Birgit Kelle zeigt den Weg des Opfergedankens auf Basis von Gendermainstreaming auf. Es ist auch die hinlänglich bekannte Opferhaltung der LGBTTIQ- Agenda, die noch um Rasse, Hautfarbe, Alter, Klima und vieles andere erweitert werden kann. Birgit Kelle erklärt die Zusammenhänge. Intersektionale Opfertöpfe nennt sie es, wo die Opfer wie Küken unter den Flügeln von Gender gesammelt werden. Sogar eine Hierarchie gibt es. „Plakativ gesprochen befindet sich“, schreibt Kelle, „die weiße heterosexuelle Hausfrau dadurch ganz unten, die bisexuelle, schwarze, alte, dicke ,Transfrau‘ im Rollstuhl kann hingegen mit einem sechsfachen Opferpunktekonto glänzen.“ Auf dem einen oder anderen Auge sind die Genderideologie und ihr Vollzugsorgan, die Identitätspolitik, allerdings blind. Das Beispiel der im Buch genannten Schach-WM im Iran ist sprechend. Den Zwang, ein Kopftuch zu tragen, als Nichtdiskriminierung darzustellen, muss man erst mal hinbekommen. Denkt man Gender zu Ende, ist es im System völlig klar. Das Kopftuch ist dann ein emanzipatorischer Akt. Darauf muss man erst einmal kommen.
Kinder sind die echten Opfer von Gendermainstreaming. Sexuelle Vielfalt ist das Werkzeug. Der Einzug der Sexuellen Vielfalt in die Schule ist das Vehikel der Pädophilie hin zu denen, nach denen sie sich verzehren. Gender macht es möglich. Birgit Kelle erklärt den Weg, den dies nimmt, zeigt personelle Verknüpfungen auf und empfiehlt das Dossier von Alice Schwarzer, welches die Zusammenhänge zwischen einer Pädagogik der sexuellen Vielfalt und Pädophilie dokumentiert.
Das Ende von Gendermainstreaming ist das Ende der Freiheit, wie wir sie kennen, wird Birgit Kelle nicht müde zu betonen. Wer dieses Buch liest, erkennt, dass fünf vor zwölf schon ein paar Minuten hinter uns liegt. Denk- und Sprechverbote gibt es bereits. Misstrauen breitet sich schon länger aus. Gesellschaftliche Diskurse werden erstickt. Ein totalitärer Dunst weht über das Land. Einen Kampf gegen die Genderideologie, so Birgit Kelle im Fazit, habe es nicht gegeben. Es gehe auch gar nicht darum, Vielfalt zu verhindern, sondern anzuerkennen, dass weiße, heterosexuelle und sogar männliche Menschen Teil oder gar Mehrheit der Vielfalt sind. Eine Ideologie, die staatstragend wird, so der Leitgedanke dieses Buches, sollte man zu Ende denken, bevor sie anfängt, den Staat zu unterjochen. Für Gender ist das schon zu spät. Wir sind dazu bereits viel zu weit. Birgit Kelle zeigt die Sprechverbote, die Cancel Culture und das Ausmaß der Ausgrenzung auf. Im System ist das alles logisch und konsequent. Sie denken noch normal? Lesen Sie das Buch, dann wird sich das schon gendern.
Birgit Kelle: Noch Normal? Das lässt sich gendern! Gender-Politik ist das Problem, nicht die Lösung. FinanzBuch Verlag, 250 Seiten, ISBN: 978-3-95972-364-0, EUR 19,99
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