Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Buchrezension

Der Mensch ist mehr als Haut und Knochen

Marius Schwemmer stellt in einem Sammelband wertvolle Überlegungen zu einem neuen Diakoniebegriff vor, der weit über die traditionellen Grenzen der sozialen Arbeit hinausgeht.
DiakonieKultur
Foto: IMAGO/Norbert SCHMIDT (www.imago-images.de) | Diakonie ist mehr als nur die materielle Hilfe für Bedürftige; sie ist auch ein Raum für Kultur, Begegnung, Kreativität, Kunst und Kommunikation.

Kultur und Diakonie sind scheinbar getrennte Welten, die eins gemeinsam haben. Sie stehen unter hohem Druck, die Finanzen werden knapp und zugleich werden beide dringend gebraucht. Grund genug, zusammenzuführen, was im Innersten zusammengehört. Und genau dies wird in dem vorliegenden Buch getan.

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„KulturDiakonie“, von Marius Schwemmer herausgegeben, der für die hier versammelten Beiträge eine Reihe ausgewiesener Fachleute gewinnen konnte, ist ein faszinierendes Werk, das sich eingehend mit der Verbindung von Kultur und Diakonie auseinandersetzt. Der Autor – selbst tief in beiden Bereichen verwurzelt – bietet eine differenzierte Perspektive auf die Bedeutung der Kultur in der diakonischen Arbeit und deren Potenzial für die Gesellschaft.

Umfassende Definition von Diakonie

Das Buch gliedert sich in elf Kapitel, die systematisch die verschiedenen Aspekte der KulturDiakonie beleuchten. Schwemmer beginnt in seiner Einführung mit einer umfassenden Definition von Diakonie, die weit über die traditionellen Grenzen der sozialen Arbeit hinausgeht. Er argumentiert, dass Diakonie mehr ist als nur die materielle Hilfe für Bedürftige; sie ist auch ein Raum für kulturelle Begegnungen und kreative Ausdrucksformen, die einen essenziellen Teil des Grundauftrages der Kirche bilden. Diese Erkenntnis ist zentral, da sie aufzeigt, wie wichtig es ist, kulturelle Elemente in die soziale Arbeit zu integrieren, um eine dem ganzen Menschen gerecht werdende Unterstützung zu gewährleisten.

Ein weiteres zentrales Thema des Buches ist die Rolle der Kunst in der Diakonie. Hier wird aufgezeigt, wie Kunst als Medium der Integration und Kommunikation fungieren kann, und es werden verschiedene Projekte und Initiativen vorgestellt, die diesem Gedanken Rechnung tragen. Die Fallstudien sind besonders eindrucksvoll, da sie konkrete Beispiele von erfolgreichen kulturellen Interventionen in diakonischen Kontexten präsentieren. Diese Praxisbeispiele sind nicht nur inspirierend, sondern bieten auch wertvolle Einsichten in die Umsetzung solcher Projekte.

Plädoyer für Offenheit und Dialog

Ein entscheidender Punkt in den Argumentationslinien der Beiträge von Marius Schwemmer, Gianfranco Kardinal Ravasi, Ludwig Mödl, Stefan Klöckner, Reinhold Bernhardt, Wolfgang Beck, Friederike Dostal, Michael Ebertz, Ralph Bergold, Bernhard Kirchgessner, Jakob Johannes Koch und Marc Grandmontagne ist die Überzeugung, dass Kultur Brücken bauen kann. In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft, in der Diversität oft als Herausforderung wahrgenommen wird, plädieren die Autoren für ein Konzept der Offenheit und des Dialogs und betonen, dass der Zugang zu kulturellen Angeboten für alle Menschen essenziell ist, um Teilhabe zu fördern und soziale Isolation zu bekämpfen.

Hier wird deutlich, dass Kulturarbeit sowohl eine caritative, eine in der Verkündigung der Kirche als auch eine politische Dimension hat und dabei weit mehr ist als ein Werkzeug zur Stärkung von Gemeinschaften und zur Förderung von sozialem Zusammenhalt. Sie stiftet vielmehr Sinn, wirkt orientierend und heilend.

Schwemmer geht auch auf die Herausforderungen ein, die mit der Verbindung von Kultur und Diakonie einhergehen. Er thematisiert unter anderem die finanziellen und strukturellen Hürden, die es oft erschweren, kulturelle Projekte in die diakonische Arbeit zu integrieren. Dies ist besonders relevant in Zeiten knapper Ressourcen und steigender Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen. Der Autor fordert daher eine stärkere Zusammenarbeit zwischen kirchlichen und kulturellen Institutionen sowie eine politische Unterstützung für kulturelle Projekte in der Diakonie.

Gut strukturiert und interdisziplinär

Der Stil des Buches ist klar und ansprechend. Den Autoren gelingt es, komplexe Themen verständlich zu machen, ohne an Tiefe zu verlieren. Die Argumentation ist gut strukturiert und durch zahlreiche Quellen gestützt, was dem Leser die Möglichkeit gibt, weiterführende Informationen zu einem bestimmten Thema vertiefend zu studieren. 

Ein weiterer positiver Aspekt ist die interdisziplinäre Herangehensweise, die Schwemmer in seinem Werk verfolgt. Die Autoren ziehen Erkenntnisse aus der Soziologie, Kunstwissenschaft und Sozialpsychologie heran, um ihre Thesen zu untermauern. Dies bereichert die Argumentation und zeigt auf, wie vielschichtig das Thema ist.

„KulturDiakonie“ ist ein wichtiger und relevanter Beitrag in einer Zeit, in der finanzielle Ressourcen für diesen Bereich zu versiegen drohen. Marius Schwemmer gelingt es, die Leser für die Bedeutung kultureller Dimensionen in sozialen Kontexten zu sensibilisieren und bietet gleichzeitig praktische Ansätze für die Umsetzung. Sein Buch ist nicht nur für Fachleute im Bereich der Diakonie von Interesse, sondern auch für Kulturschaffende und Entscheidungsträger, die das Potenzial von Kultur für ein besseres Miteinander in der Gesellschaft erkennen möchten. 


Marius Schwemmer: KulturDiakonie. Chancen für eine Kirche von morgen, Würzburg: Echter Verlag, 2025, 258 Seiten, EUR 24,90

Die Rezensentin ist freie Journalistin, Theologin und Kirchenmusikerin.

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