Nach dem Tod von BEnedikt XVI.

Benedikts letzte Schriften: Sammelband erschienen

In Italien ist ein Sammelband erschienen, der die Texte vereint, an denen Joseph Ratzinger als Emeritus gearbeitet hat.
Emeritierter Papst Benedikt XVI.
Foto: Maurizio Brambatti (ANSA) | Der Emeritus im September 2014.

Unmittelbar nach seinem Rücktritt vom Papstamt, so schreibt Benedikt XVI. in dem jetzt posthum erschienenen Sammelband mit seinen letzten Aufsätzen, habe er eigentlich nicht mehr vorgehabt, weiter zu schreiben. Der letzte Band seines dreiteiligen Jesus-Buchs sei für ihn ursprünglich „der logische Abschluss meiner theologischen Schriften“ gewesen. Doch dann habe er seine theologische Arbeit allmählich wieder aufgenommen. Das Ergebnis, „eine Reihe kleiner und mittlerer Beiträge“, wie der am Silvestertag verstorbene Emeritus sie nennt, ist im Verlag Mondadori auf Italienisch mit dem Titel „Was ist das Christentum – fast ein geistliches Testament“ erschienen.

Mörderisches Geschrei aus Deutschland

Herausgeber des 190 Seiten starken Sammelbands sind der italienische Theologe Elio Guerriero, der auch eine Biografie Joseph Ratzingers verfasst hat, und Erzbischof Georg Gänswein. Im Vorwort schreibt Guerriero, dass der emeritierte Papst 2019 verfügt habe, die nach dem Rücktritt verfassten Texte erst nach seinem Tod zu veröffentlichen, auch wegen der zu erwartenden Kritik in seinem Heimatland. „Die Wut gegen mich gerichteter Kreise in Deutschland“, so habe ihm der Emeritus geschrieben, „ist dermaßen stark, dass jedes von mir erschienene Wort bei ihnen sofort ein mörderisches Geschrei auslöst. Das will ich mir und der Christenheit ersparen.“

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Auf Deutsch wird das Buch in der zweiten Jahreshälfte als Abschlussband der vom Regensburger Institut Papst Benedikt XVI. herausgegebenen Reihe „Joseph Ratzinger – Gesammelte Schriften“ erscheinen. Einige der 16 nun veröffentlichten Aufsätze sind bekannt. So der Text über die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche, den er 2019 für den Krisengipfel im Vatikan geschrieben und dann im „Klerusblatt“ unter dem Titel „Die Kirche und der Skandal des sexuellen Missbrauchs“ veröffentlicht hatte.

Hinweis auf positive Aspekte heidnischer Religionen

Der Beitrag über das Priestertum, den Benedikt zu dem Zölibats-Buch von Kardinal Robert Sarah beigesteuert hatte, liegt nun in einer überarbeiteten und ausgeweiteten Fassung vor. Bisher unveröffentlicht sind dagegen Studien des Emeritus zum Wesen der Religion, zum Verhältnis von Christentum und Moderne, zum Islam und zur Bedeutung der Kommunion.

In dem Aufsatz „Was ist Religion?“ hebt Ratzinger zunächst positive Aspekte der heidnischen Religionen hervor, insofern sie etwa hingeordnet seien „auf die Bewahrung und die Fruchtbarkeit der Erde“. Auch beim Umgang mit Krankheit und Tod gebe es „tiefgreifende und bewegende Gesten“ in den Stammesreligionen. Ebenso sei es nachdenkenswert, den Ahnenkult nicht nur negativ zu bewerten. „Gereinigt und korrigiert“ seien schließlich zahlreiche Elemente der antiken Religionen vom Christentum aufgenommen worden.

Rahners Analyse des Christentums

Doch mit Jesus trete „der einzige Gott in die Geschichte ein und setzt die Götter ab“. Vor allem Henri de Lubac habe gezeigt, so Ratzinger, „dass das Christentum als Befreiung von der Angst gesehen wurde, in die die Herrschaft der Götter die Menschen versetzt hatte. Die mächtige Welt der Götter brach zusammen, weil der einzige Gott die Szene betrat und ihrer Macht ein Ende setzte“. In diesem Aufsatz kommt der Autor auch auf den Karl Rahner zugeschriebenen Satz zu sprechen: „Der Christ von morgen wird ein Mystiker sein oder er wird nicht mehr sein.“

Für viele habe Rahner damit alle konkreten Formen des Glaubens als zweitrangig präsentieren wollen, so wie das die Schriftstellerin Luise Rinser vertrat, mit der Rahner einen ausführlichen Briefwechsel pflegte. Rinser habe ihm, Ratzinger, im persönlichen Gespräch erklärt, dass die Veröffentlichung dieses Briefwechsels mit dem Theologen zeigen sollte, wie der lange geistliche Weg, den sie mit Rahner in der Zeit des Konzils und danach gegangen sei, im Letzten in einer mystischen Interpretation des Christentums endete.

Ein Geschenk der Liebe

Er habe aber damals nicht ganz verstanden, inwieweit die Schriftstellerin Rahner in ihre Mystifizierung des Christentums einbinden wollte, was aber dem konkreten Eintritt des christlichen Ereignisses in die Geschichte widerspreche. „Die Geschichte der Religionen zwischen Gott und den Göttern“, schreibt Benedikt, „endet nicht damit, dass Gott am Ende wie ein Fetisch verschwindet, sondern mit dem Sieg des einzigen wahren Gottes über die Götter, die nicht Gott sind. Sie endet mit dem Geschenk der Liebe, die das Personsein Gottes voraussetzt. Darum endet sie auch für den Menschen mit der Tatsache, dass er im Vollsinn Person wird, wenn er das Geliebtsein durch Gott akzeptiert und weitergibt.“

In einem kürzeren, ebenfalls bisher nicht veröffentlichten Aufsatz behandelt der Emeritus den „christlich-islamischen Dialog“. Dieser Dialog sei oft durch eine mangelnde Kenntnis der heiligen Schriften beider Religionen charakterisiert. Auf der einen Seite sage man, dass die Bücher beider von der Barmherzigkeit Gottes sprechen würden. Und dass in beiden auch die Gewalt thematisiert werde. Und so stelle man sich über beide Religionen und halte fest, dass es in beiden Gutes und Schlechtes gebe.

Bibel und Koran sind fundamental verschieden

Doch bestünden zwischen Bibel und Koran „fundamentale strukturelle Unterschiede“, die es nicht erlaubten, die beiden monotheistischen Religionen in einen Topf zu werfen. So sei das Christentum strenggenommen, anders als der Islam, „keine Buchreligion“; erst die Reformation mit ihrer Forderung „sola scriptura“ habe diesen falschen Eindruck erweckt.

Die Schriften des Alten und Neuen Testaments müssten dagegen immer im Ganzen der Offenbarung gelesen werden. Das Alte Testament stehe an der Seite des Neuen Testaments und jeder rigide Biblizimus erhalte sein Korrektiv durch die apostolische Lehre.

Eucharistie und Abendmahl

Im bisher unveröffentlichten Text über die Bedeutung der Kommunion arbeitet Ratzinger heraus, dass die heilige Messe nicht einfach eine Fortsetzung des letzten Abendmahls sei. Es gebe einen klaren Unterschied zwischen dem protestantischen Abendmahl und der katholischen Eucharistie. „Erst mit der Begegnung mit dem Auferstandenen am ersten Tag ist die Einsetzung der Eucharistie vollständig geworden, denn nur mit dem lebendigen Christus kann man die heiligen Geheimnisse feiern.“

Jesus habe am Gründonnerstag den Aposteln nicht eine beständige Wiederholung des Abendmahles aufgetragen, sondern erst mit Kreuz und Auferstehung sei dann das neue Opfer des Gottessohns eingesetzt worden, das sich in der Eucharistie (Danksagung) durch die Zeiten hinweg auf unblutige Weise immer wieder erneuere und etwas völlig anders sei als die Wiederholung des Abendmahls.

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