Fiktionale Filme

„Labor Kino“: Von Risiken und Nebenwirkungen

Im „Labor Kino“ werden ­transhumanistische Träume, um deren Verwirklichung sich das Silicon Valley bereits nach ­Kräften müht, schon länger ­einem „Stress-Test“ unterzogen. Welche Konsequenzen hat es ­für die Beteiligten, welche für die Gesellschaft, wenn Menschen „aufgewertet“, mit Maschinen verbunden, das Altern überwinden und Unsterblichkeit erlangen? Das Ergebnis ist eindeutig: Vor solchen Entwicklungen wird gewarnt.
Filmszene aus Gattaca" mit Ethan Hawke
Foto: United Archives / kpa Publicity (www.imago-images.de) | Der Film Gattaca (1997) zeigt die unheimlichen Seiten einer Welt, in der die DNS-Analyse die Selektion ermöglicht.

Filme bieten sozusagen als „virtuelles Labor“ die Möglichkeit, die mittel- oder langfristigen Folgen heutiger Entwicklungen theoretisch durchzuspielen, die für die Wissenschaft noch in mehr oder weniger ferner Zukunft liegen. Dass solche „Studien“ naturgemäß keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben können, auch weil sie in eine bestimmte fiktionale Handlung eingearbeitet werden, und von der subjektiven Sicht der Filmemacher geprägt sind, braucht nicht betont zu werden. Dennoch: Eine gewisse Aussagekraft besitzen sie schon. Sie können veranschaulichen, wohin die jeweilige Richtung führen könnte. Dies gilt für das Science-Fiction-Genre im Allgemeinen und im Besonderen für den Bereich des Transhumanismus, in der Bebilderung einer „neuen Spezies von ‚verbesserten’ Menschen“, die neue familiäre, wirtschaftliche, politische und sonstige Modelle hervorbringen würde.

Filme, die sich mit dem Transhumanismus beschäftigen, stehen in der Tradition der Kritik, die Bill Joy als Antwort auf das 1999 erschienene Buch „Homo S@piens“ (Original: „The Age of Spiritual Machines“) des Transhumanismus-Verfechters Ray Kurzweil – der Mensch solle „seine eigene Evolution selbst in die Hand nehmen“ – im Juni 2000 in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ im bemerkenswerten Aufsatz mit dem Titel „Warum die Zukunft uns nicht braucht“ äußerte. Bill Joy bezeichnete „die mächtigsten Technologien des 21. Jahrhunderts“ – die sogenannten GRIN (Genetics, Robotics, Information Technology, Nanotechnology) – als eine Bedrohung für den Menschen. Denn die Möglichkeit der dem Transhumanismus innewohnenden Manipulation von Identität und Autonomie des Menschen „beschwört eine apokalyptische Selbstauslöschung der Gattung Mensch herauf“.

Der Maschinen-Mensch

Bereits in Fritz Langs und Thea von Harbous Klassiker „Metropolis“ (1927) spielt eine solche Kreatur eine entscheidende Rolle. In einer Schlüsselszene heißt es, dass niemand mehr „den Maschinen-Menschen von einem Erdgeborenen (wird) unterscheiden können“. Im Jahr 1942 formulierte der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov in der Kurzgeschichte „Runaround“ die sogenannten „Robotergesetze“, die darauf abzielen, Menschen vor solchen „Maschinen mit künstlichen Gehirnen“ zu schützen. Sie entsprangen der Vorstellung, dass solche Maschinen den Menschen überlegen seien und deshalb eine Bedrohung darstellen können.

Eine solche Bedrohung wird etwa im längst zum Klassiker avancierten „Blade Runner“ (Ridley Scott, 1982) thematisiert, der auf dem Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ von Philip K. Dick basiert. Im Roman hießen die „Maschinenmenschen“ noch „Androiden“. Der im Film verwendete Name „Replikant“ beschwört unterbewusst durch den harten Klang eine gewisse Bedrohung herauf. Die Gefährlichkeit solcher Replikanten wird immer wieder im Kampf des von Harrison Ford dargestellten Polizisten Rick Deckard gegen sie deutlich. Die menschliche Seite der Replikanten wird insbesondere durch Rachael (Sean Young) verkörpert, die sich ihres Replikanten-Daseins nicht einmal bewusst ist. Hier und noch expliziter in der Fortsetzung „Blade Runner 2049“ (Denis Villeneuve, 2017) stellt sich die Frage: Haben Replikanten eine Seele? Können menschliche Schöpfungen gar menschlicher sein als Menschen?

In diese Tradition der Zweideutigkeit von menschlichen Geschöpfen reihen sich Filme aus dem 21. Jahrhundert ein: Steven Spielbergs „A.I. Künstliche Intelligenz“ (2001) beschäftigt sich mit der Frage nach der Liebesfähigkeit eines von Menschen geschaffenen Wesens. Eine Frage, die sich hier freilich umkehrt: Ringt der auf Liebe programmierte Roboterjunge verzweifelt um die Zuneigung seiner Adoptivmutter, so erkennt sie in ihm eine „Sache“. Deshalb kehrt sich die Frage um: Sind die Menschen fähig, ihre „Geschöpfe“ zu lieben?

Menschliche Emotionen

Alex Proyas verfilmte 2004 mit „I, Robot“ Isaac Asimovs gleichnamigen Roman aus dem Jahre 1950 mit dem Unterschied, dass in Proyas’ Film dem Roboter namens „Soony“ menschliche Emotionen einprogrammiert wurden, mit denen er allerdings nicht richtig umgehen kann. In Spike Jonzes „Her“ (2013) verliebt sich ein Mann in ein Betriebssystem mit weiblicher Stimme namens „Samantha“, wird von ihr aber enttäuscht, weil sie mit vielen anderen Menschen Kontakt habe und in 641 davon verliebt sei. Menschliche Gefühle vortäuschen kann in „Ex Machina“ (Alex Garland 2014) ein weiblicher Android, der auf „Menschlichkeit“ getestet werden soll, obwohl ihr Aussehen ganz und gar künstlich ist. Die dahinterstehende Frage: Ob eine solche Mensch-Maschine zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse unterscheiden könnte, oder noch beunruhigender: Ob nicht ein solcher Android selbst entscheiden will und wird, was Recht und Unrecht, was Gut und Böse ist.

Die Frage, ob menschliche Schöpfungen letztlich gegen ihre Schöpfer aufbegehren, die seit dem Streit zwischen Ray Kurzweil und Bill Joy die Diskussion um die Künstliche Intelligenz beherrscht, stellt sich auch in den Filmen, die den Transhumanismus „im eigentlichen Sinn“ zum Gegenstand haben. Wie sähe eine Welt aus, in der Eltern ihre Kinder bei der In-vitro-Fertilisation mittels Präimplantationsdiagnostik „optimieren“, ja maßschneidern lassen können? Eine mögliche Antwort liefert Andrew Niccols „Gattaca“ (1997), dessen Filmtitel sich aus den Abkürzungen der vier Nukleinbasen der DNS zusammensetzt. „Gattaca“, der nach 25 Jahren noch immer zu den überzeugendsten Spielfilmen aus dem Genre zählt, verdeutlicht die unheimlichen Seiten einer Welt, in der die DNS-Analyse die Selektion ermöglicht: Die wenigen noch auf natürliche Weise Gezeugten werden euphemistisch „Gotteskinder“ genannt, aber in Wahrheit für „invalid“ gehalten und von der modernen Hochleistungsgesellschaft ausgegrenzt. Für Liebe und Romantik gibt es in einer Zeit, in der lediglich die „passenden“ DNS-Eigenschaften zählen, ebenso keinen Platz.

Das Klonen von Menschen wird in zahlreichen Filmen thematisiert. Häufig werden menschliche Klone lediglich eingeführt, damit sie als Soldaten oder Arbeitskräfte eingesetzt werden können, so etwa in der „Star-Wars“-Saga (die „Klon-Kriege“) oder auch in Duncan Jones’ „Moon“ (2009) oder auch in „Oblivion“ (Joseph Kosinski 2013). Die Innenansicht von Klonen beleuchtet Michael Bays „Die Insel“ (2005): Mitte des 21. Jahrhunderts leben die wenigen Überlebenden einer Umweltkatastrophe, die den Rest der Erde unbewohnbar machte, in einer abgeschlossenen Wohneinheit. Immer wieder werden Bewohner der Wohneinheit ausgesucht, die auf „die Insel“ fahren dürfen – den einzigen noch nicht verseuchten Ort der Erde. In Wahrheit stellt diese Wohneinheit ein Ersatzteillager für Menschen dar, die nach einem Unfall oder einer Krankheit das Leben ihrer jeweiligen Klone einfordern. Die zwei Protagonisten strafen die allgemeine Sprachregelung „Klone besitzen keine Seele“ mit ihrem Widerstand Lügen.

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Unausweichlichkeit des Schicksals

Noch eindringlicher mit dem Innenleben von Klonen befasst sich Mark Romanek in „Alles, was wir geben mussten“ (2010), der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Literatur-Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro (Original: „Never Let Me Go“, 2005). Roman und Film erzählen konsequent aus der subjektiven Sicht von drei jugendlichen Klonen, die sich der Unausweichlichkeit ihres Schicksals bewusst sind. Mit ihren Gefühlen und Empfindungen stellen sie indes das Prinzip des „menschlichen Ersatzteillagers“ infrage. Im Umkehrschluss geißelt diese scharfsinnig beschriebene Innenansicht der drei Klone den Egoismus einer Gesellschaft, die buchstäblich über Leichen geht, um die Utopie der Überwindung des Todes zu verwirklichen.

Die Idee, dem Verfall des eigenes Leibes durch das „Schlüpfen“ in einen jüngeren Körper zu entkommen, gehört zu den Topoi des Science-Fiction-Genres, so etwa im Netflix-Originalfilm „Self/Less – Der Fremde in mir“ (Tarsem Singh, 2015): Als einem von Ben Kingsley dargestellten Milliardär Krebs im Endstadium diagnostiziert wird, bietet ihm ein geheimnisvoller Wissenschaftler eine neuartige medizinische „Behandlung“ an. Bei dieser Erfindung wird das Bewusstsein des dem Tode Geweihten in einen jungen, gesunden Körper transferiert. Nach dem Transfer fühlt sich der Todgeweihte wie neugeboren. Allerdings stellen sich bald Nebenwirkungen ein: Das Bewusstsein des „Ersetzten“ meldet sich immer wieder in Form von Erinnerungsfetzen. Regisseur Tarsem Singh macht deutlich, dass eine solche Zukunftsvision auf einen Holzweg führt.

Vergöttlichung des Menschen

Die Verknüpfung von künstlichem Körper und einem menschlichen Gehirn wäre ein einschneidender Schritt in Richtung Transhumanismus: „Wir haben jetzt unseren ersten Human 2.0. Wir sind jetzt buchstäblich wie Gott“, heißt es beispielsweise in „The Beyond“ (Hasraf Dulull, 2017). „Human 2.0“ wird das Ergebnis einer Technologie genannt, bei der ein menschliches Gehirn in einen synthetischen Körper transplantiert wird. Ähnlich den allermeisten Filmen mit transhumanistischem Inhalt geht dies selbstverständlich von der zeitgeistigen Vorstellung aus: „Alles, was mich ausmacht, ist in meinem Bewusstsein.“ In „The Beyond“ spielt ein bestimmtes Motiv eine Rolle: Der erste Versuch, ein menschliches Gehirn mit dem künstlichen Körper zu verbinden, scheitert zwar. Als Kandidat wird aber ein ehemaliger Pilot vorgesehen, der nach einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist. Dies erinnert an James Camerons „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2009), in dem ein früherer, von der Hüfte abwärts gelähmter US-Marine mithilfe eines künstlich hergestellten Körpers (eines Avatars) auf den Planeten Pandora geschickt wird.

In abgewandelter Form begegnet die Verknüpfung zwischen dem menschlichen Geist und einem Konstrukt ebenfalls in Wally Pfisters Spielfilm „Transcendence“ (2014), in dem das Gehirn eines sterbenden Wissenschaftlers mit einem Computer verschmolzen werden soll. Pfisters Film zeigt die Folgen einer solchen Schnittstelle Mensch-Maschine: Menschen sollen nicht nur optimiert, sondern miteinander vernetzt, Teile eines kollektiven Geistes werden.

Die „Tests“, denen sich im „Kino-Labor“ der Transhumanismus unterzieht – um im eingangs genannten Bild zu bleiben –, sprechen eine deutliche Sprache: Science- -Fiction-Filme weisen immer wieder auf die Risiken und Nebenwirkungen, auf die Kehrseite des Transhumanismus hin.

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